Pregabalin in der klinisch-psychiatrischen Verwendung
Nutzen und Risiken
Der vorliegende Übersichtsartikel befasst sich mit Indikationen für die Verschreibung von Pregabalin sowie hiermit einhergehenden Risiken und Nebenwirkungen. Als langjährig in der Behandlung verschiedener somatischer und psychiatrischer Erkrankungen eingesetztes Präparat gibt es hierbei eine gute Datenlage in Hinblick auf die Wirksamkeit von Pregabalin. Ein besonderes Augenmerk wird auf ein in den letzten Jahren zunehmend diskutiertes Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial von Pregabalin gelegt. Dieses macht insbesondere bei psychiatrisch Vorerkrankten bzw. Menschen mit einer gegenwärtigen oder vergangenen Substanzgebrauchsstörung eine besonders sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung sowie eine ausführliche Aufklärung über das Missbrauchspotenzial vor einer möglichen Verschreibung notwendig.
Schlüsselwörter: Pregabalin, generalisierte Angsterkrankung, Anxiolytika, Medikamentenmissbrauch, Abhängigkeitspotenzial
Psychopharmakotherapie 2023;30:109–12.
English abstract
Pregabalin: benefits and risks in medical application
The review article provides general information on pregabalin as well as medical indications for the prescription in the fields of psychiatry und neurology. Furthermore, associated benefits and risks are stated. A good data basis on the effectiveness of pregabalin is available as the medication has been used for many years in the treatment of various somatic and psychiatric diseases. A particular focus is assessed regarding the assumed risk of misuse and addiction potential which has increasingly been discussed in recent years. In case of psychiatric patients or people with a current or past substance use disorder, this means that a particularly careful risk-benefit assessment and detailed information about the potential for abuse before a possible prescription is necessary.
Key words: Pregabalin, generalised anxiety disorder, substance abuse, anxiolytic agents, dependence potential
L-Dopa-Pharmakotherapie bei der Behandlung des Restless-Legs-Syndroms
Leitlinienumsetzung in der Versorgungswirklichkeit*
Eine kontinuierliche Behandlung des Restless-Legs-Syndroms (RLS) mit L-Dopa wird in der aktuellen AWMF-Leitlinie aufgrund des hohen Risikos einer Zunahme der Beschwerden (Augmentation) nicht mehr empfohlen. Anhand von AOK-Abrechnungsdaten wurden bei Patientinnen und Patienten mit RLS das Ausmaß, die Behandlungsdauer und -dosis sowie versorgungsrelevante Begleitfaktoren einer kontinuierlichen L-Dopa-Therapie untersucht. Im Studienzeitraum (2013–2021) wurden 143 322 kontinuierliche L-Dopa-Behandlungsepisoden identifiziert, die sich auf 86 191 der eingeschlossenen 335 463 RLS-Patientinnen und -Patienten verteilten. Die meisten L-Dopa-Verordnungen wurden von Ärztinnen und Ärzten der Allgemeinmedizin ausgestellt. Sowohl eine längere Behandlungsdauer als auch eine größere Anzahl verordnender Ärztinnen und Ärzte waren assoziiert mit einer höheren täglichen L-Dopa-Behandlungsdosis und häufigerer Komedikation mit Dopaminagonisten bzw. Opioiden. Diese Ergebnisse könnten Ausdruck einer Augmentation infolge der Langzeit-L-Dopa-Behandlung sein, die dazu führt, dass Kombinationstherapien notwendig werden oder dass der steigende L-Dopa-Bedarf aus mehreren Bezugsquellen gedeckt wird („Ärzte-Hopping“). Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass verstärkte Anstrengungen notwendig sind, um in Zukunft eine leitliniengerechte Pharmakotherapie des RLS zu erreichen.
Schlüsselwörter: Restless-Legs-Syndrom, L-Dopa, Augmentation
Psychopharmakotherapie 2023;30:113–9.
English abstract
L-Dopa pharmacotherapy for the treatment of restless legs syndrome. Guideline implementation in real-world health care
Due to high risk of worsening symptoms (augmentation), the current guidelines do not recommend continous use of L-Dopa for the treatment of restless legs syndrome (RLS). Using administrative claims data of the AOK we analyzed extent, duration, treatment dose and accompanying factors during continuous L-Dopa treatment episodes. During the study period (2013–2021), we observed 143,322 such episodes in 86,191 of 335,463 eligible RLS-patients. The majority of L-Dopa prescriptions were issued by general practitioners. Both longer duration of the treatment episode and a higher number of prescribing physicians were associated with higher daily dose of L-Dopa and more co-medication with dopamine agonists and opioids, respectively. These findings may reflect augmentation due to long-term treatment with L-Dopa, possibly resulting in need for co-medication or ‚doctor shopping‘ in order to meet the higher demand for L-Dopa. The results of our study show that greater efforts are necessary to achieve guideline-adherent pharmacotherapy of RLS.
Key words: Restless legs syndrome, L-Dopa, frequency of prescription, physician category, augmentation
Antidepressiva-Therapie in der „real world“
Erfahrungen aus der Praxis
Depressive Störungen sind die häufigste psychische Erkrankung in der ambulanten Versorgung. Die Diagnosestellung und Abgrenzung zu leichteren Störungen ist jedoch, auch als Folge einer Ausweitung des Depressionsbegriffs, zuweilen schwierig. Die Therapie wird dadurch erschwert, dass der Stellenwert von Antidepressiva als wirksamer Therapieoption in letzter Zeit verschiedentlich infrage gestellt wurde, weshalb Patienten in erhöhtem Maße skeptisch und ängstlich hinsichtlich der Einnahme von Antidepressiva sind. Hier gilt es Missverständnisse auszuräumen. Eigene Daten aus einer repräsentativen Facharztpraxis zeigen, dass mittelschwere Depressionen mit Antidepressiva erfolgreich behandelt werden können. Nach 4- bis 6-wöchiger Antidepressiva-Therapie respondierten 78 % der Patienten. Für die Therapieführung in der Facharztpraxis werden umfassende Empfehlungen gegeben.
Schlüsselwörter: Depression, Antidepressiva, Psychotherapie, Therapiekonzept, shared decision making
Psychopharmakotherapie 2023;30:120–4.
English abstract
Therapy with antidepressants in the “real world”. Practice experience
Depressive disorders are the most common mental illness in outpatient care. However, the diagnosis and differentiation from milder disorders is sometimes difficult, also as a result of a broadening of the definition of depression. Therapy is complicated by the fact that the value of antidepressants as an effective treatment option has recently been questioned on various occasions, which is why patients are more sceptical and anxious about taking antidepressants. Here, misunderstandings must be cleared up. Our own data from a representative specialist practice show that moderate depression can be successfully treated with antidepressants. After 4 to 6 weeks 78 % of the patients responded to the therapy. Comprehensive recommendations are given for therapy management in the specialist practice.
Key words: Depression, antidepressants, psychotherapy, therapy concept, shared decision making
Anterocollis als Manifestationsform eines tardiven Syndroms unter Clozapin und Aripiprazol
Kasuistik aus dem Projekt „Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie“ e. V. (AMSP)
Antipsychotika der zweiten Generation (SGA) verursachen im Vergleich zu denen der ersten Generation (FGA) weniger extrapyramidal-motorische Symptome (EPMS) wie tardive Dyskinesien und Dystonien. Im vorliegenden Fall berichten wir von einem Patienten mit Schizophrenie, der nach mehrjähriger Behandlung mit den beiden SGA Clozapin und Aripiprazol ein ungewöhnliches tardives Syndrom in Form eines schmerzhaften Anterocollis entwickelte. Der vorliegende Fall wurde im Projekt Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie (AMSP) dokumentiert, welches systematisch das Auftreten neuer, schwerwiegender und ungewöhnlicher unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) von Psychopharmaka beobachtet.
Schlüsselwörter: Aripiprazol, Clozapin, Anterocollis, atypische Dyskinesie, Spätdyskinesie, AMSP
Psychopharmakotherapie 2023;30:125–30.
English abstract
Anterocollis as a form of atypical dyskinesia under clozapine and aripiprazole treatment
Second-generation antipsychotics (SGAs) cause fewer extrapyramidal-motor symptoms (EPMS) such as tardive dyskinesias and dystonias compared to those of the first generation (FGAs). In the present case, we report on a patient with schizophrenia who developed an unusual tardive syndrome in the form of painful anterocollis after several years of treatment with the two SGAs clozapine and aripiprazole. The present case was documented in the Drug Safety Program in Psychiatry (AMSP), which systematically monitors the occurrence of new, severe and unusual adverse drug reactions of psychotropic drugs.
Key words: aripiprazole, clozapine, anterocollis, atypical dyskinesias, tardive dyskinesias, AMSP
Leichte Alzheimer-Erkrankung
Zukünftige Therapieoption: Tau-gerichtetes Antisense-Oligonukleotid MAPTRx
Mit einem Kommentar des Autors
Das Tauprotein spielt eine Schlüsselrolle in der Pathophysiologie der Alzheimer-Erkrankung. In einer Sicherheitsstudie wurde eine dosisabhängige Reduktion der Gesamt-Tau-Konzentration im Liquor von mehr als 50 % bei Patienten mit leichter Alzheimer-Erkrankung in den Gruppen mit 60 mg und 115 mg MAPTRx, einem Antisense Oligonukleotid, beobachtet. Es gab keine Sicherheitsbedenken.
Symptomatische Mikroangiopathie
Behandlung mit Isosorbidmononitrat und/oder Cilostazol – die randomisierte LACI-2-Studie
Mit einem Kommentar des Autors
Die Ergebnisse der Phase-II-Studie LACI-2 zeigen, dass Isosorbidmononitrat und Cilostazol bei Patienten mit lakunären Schlaganfällen gut vertragen wurden und sicher waren. Die beiden Wirkstoffe können das Risiko für erneute Schlaganfälle reduzieren, Abhängigkeit, Pflegebedürftigkeit und kognitive Beeinträchtigung nach einem lakunären Schlaganfall verringern und andere nachteilige Folgen einer zerebralen Mikroangiopathie verhindern. Daher sollten beide Wirkstoffe in großen Phase-III-Studien untersucht werden.
Depression
Ketamin versus EKT bei behandlungsresistenter schwerer Depression
Mit einem Kommentar des Autors
In einer randomisierten, offenen Studie war Ketamin einer Elektrokrampftherapie (EKT) in der Therapie bei behandlungsresistenter schwerer Depression ohne Psychose nicht unterlegen.
Schubförmige MS
Rituximab versus Ocrelizumab
In dieser Kohortenstudie konnte die Nichtunterlegenheit hinsichtlich der Wirksamkeit von Rituximab gegenüber Ocrelizumab bei MS nicht bestätigt werden. Rituximab war mit höheren Rückfallraten im Vergleich zu Ocrelizumab assoziiert.
Morbus Pompe
Langzeitergebnisse der Enzymersatztherapie mit Avalglucosidase alfa
In einer offenen Folgestudie der doppelblinden, randomisierten, klinischen Phase-III-Studie COMET hat ein internationales Autorenteam die Wirksamkeit und Sicherheit von Avalglucosidase alfa bei Patienten mit spätmanifester Pompe-Krankheit nach 97 Wochen evaluiert. Die in der Doppelblindphase erreichten Funktionsverbesserungen konnten im weiteren Verlauf aufrechterhalten werden.
Parkinson-Erkrankung
Mit innovativen Therapien die On-Zeit verlängern
Innovative Therapien optimieren die Behandlung von Menschen mit einer Parkinson-Erkrankung (PD): Durch die Zusatztherapie mit Opicapon, einem Inhibitor der Catechol-O-Methyltransferase (COMT) der dritten Generation, profitieren PD-Erkrankte von mehr Zeit im On und einer verbesserten Lebensqualität. Für die Bedarfstherapie von Off-Episoden wird ab Herbst erstmals Apomorphin als Sublingualfilm verfügbar sein. Experten diskutierten die Optionen bei einem Pressegespräch der Firma Bial.
Amyotrophe Lateralsklerose
Riluzol als orodispersible Arzneiform: Einfache, präzise und sichere Applikation
Der Wirkstoff Riluzol ist eine der wichtigsten Säulen der lebensverlängernden Behandlungsoptionen bei Patienten mit amyotropher Lateralsklerose (ALS). Mit der neuen Formulierung als Schmelzfilm steht eine Applikationsform zur Verfügung, die allen Patienten eine sichere Behandlung ermöglicht. Vor allem bei solchen mit Schluckstörungen sollte die Anwendung frühzeitig erfolgen, betonten Experten bei einer Pressekonferenz der Firma Zambon.
Chorea Huntington
Sicherheit und Wirksamkeit von Valbenazin bei der Behandlung der Chorea
Mit einem Kommentar des Autors
In einer randomisierten Studie bei Personen mit Chorea Huntington führte Valbenazin, ein hochselektiver Hemmstoff des vesikulären Monoamintransporters 2, im Vergleich zu Placebo zu einer Verbesserung der Choreasymptome und war gut verträglich. Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um die langfristige Sicherheit und Wirksamkeit dieses Medikaments während des gesamten Krankheitsverlaufs bei Personen mit choreatischen Symptomen im Zusammenhang mit der Huntington-Krankheit zu bestätigen.
Chronische Migräne
CGRP-Serumspiegel vor und nach Behandlung mit monoklonalen CGRP(-Rezeptor)-Antikörpern
Mit einem Kommentar des Autors
Die Behandlung mit monoklonalen Antikörpern ist bei Patienten mit chronischer Migräne wirksam und in der Lage, die basal erhöhten Alpha-CGRP-Spiegel zu normalisieren. Dieser Effekt korreliert mit der Wirksamkeit, was die wichtige Rolle von Calcitonin gene related peptide (CGRP) als möglichem Biomarker für die chronische Migräne unterstützt.