Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Die zerebrale Mikroangiopathie ist eine häufige Ursache für Schlaganfälle und führt unter anderem zu lakunären Schlaganfällen. Sie ist eine häufige Ursache für kognitive Beeinträchtigungen und Demenz und beeinträchtigt Mobilität sowie Stimmungslage. Hauptursache von lakunären Infarkten und der zerebralen Mikroangiopathie sind Endothelschädigungen der intrazerebralen kleinen Arterien mit einer Hyalinose – am häufigsten bedingt durch eine schlecht eingestellte arterielle Hypertonie oder einen Diabetes mellitus [1]. Auch genetische Anlagen spielen eine wichtige Rolle [2]. Die Sekundärprävention bei lakunären Infarkten erfolgte bisher – wie bei der zerebralen Makroangiopathie – durch Thrombozytenfunktionshemmer. Allerdings wurde die Wirksamkeit von Thrombozytenfunktionshemmern im Vergleich zu Placebo bisher nie gut belegt. Bisher steht keine spezifische Therapie der zerebralen Mikroangiopathie zur Verfügung. Die Arbeitsgruppe aus Schottland hat jetzt einen völlig anderen Therapieansatz gewählt. Sie hat Substanzen ausgesucht, bei denen aus präklinischen Modellen bekannt ist, dass sie protektive Effekte auf die Endothelien intrazerebraler Arterien haben. Ziel der hier vorgestellten Studie waren Durchführbarkeit, Medikamentenverträglichkeit, Sicherheit und Auswirkungen einer einjährigen Behandlung mit Isosorbidmononitrat und Cilostazol auf vaskuläre, funktionelle und kognitive Ergebnisse bei Patienten mit lakunärem Schlaganfall.
Studiendesign
Die Lacunar Intervention Trial 2 (LACI-2) war eine Investigator-initiierte, offene, randomisierte klinische Studie mit einem 2 × 2 faktoriellen Design. Ziel der Studie war die Rekrutierung von 400 Teilnehmern aus 26 britischen Schlaganfallzentren zwischen Februar 2018 und Mai 2021 mit einer 12-monatigen Nachbeobachtung. Die eingeschlossenen Patienten hatten einen lakunären ischämischen Schlaganfall erlitten, waren nicht pflegebedürftig und mindestens 30 Jahre alt. Die zerebrale Bildgebung sprach für eine zerebrale Mikroangiopathie. Die Patienten waren einwilligungsfähig und hatten keine Kontraindikationen für die Studienmedikation. Alle Patienten erhielten eine leitliniengerechte Schlaganfallprävention und wurden zu einer Therapie mit Isosorbidmononitrat (40–60 mg/d), Cilostazol (200 mg/d), Isosorbidmononitrat plus Cilostazol (40–60 mg bzw. 200 mg/d) oder Placebo randomisiert.
Der primäre Endpunkt der Studie war die Durchführbarkeit der Rekrutierung, einschließlich des Verbleibs in der Studie nach 12 Monaten. Sekundäre Endpunkte waren Sicherheit, Mortalität, Wirksamkeit zusammengesetzt aus vaskulären Ereignissen, Abhängigkeit mit Pflegebedürftigkeit und kognitive Beeinträchtigungen, Compliance bei der Medikamenteneinnahme, Verträglichkeit, rezidivierende Schlaganfälle, Lebensqualität (Quality of life, QOL) und Blutungskomplikationen.
Ergebnisse
Von den 400 Teilnehmern, die für diese Studie vorgesehen waren, konnten 363 (90,8 %) rekrutiert werden. Das mittlere Alter betrug 64 Jahre, 251 (69,1 %) Studienteilnehmer waren Männer. Die mediane Zeit zwischen Schlaganfall und der Randomisierung betrug 79 Tage. Insgesamt 358 Patienten (98,6 %) verblieben nach 12 Monaten in der Studie, wobei 257 von 272 Patienten (94,5 %) fünfzig Prozent oder mehr des zugeteilten Medikaments einnahmen. Im Vergleich zu den Teilnehmern, die das jeweilige Arzneimittel nicht erhielten, reduzierten weder Isosorbidmononitrat mit einem bereinigten Hazard-Ratio [aHR] von 0,80 (95%-Konfidenzintervall [KI] 0,59–1,09; p = 0,16) noch Cilostazol (aHR 0,77; 95%-KI, 0,57–1,05; p = 0,10) allein den kombinierten Endpunkt aus Schlaganfall, TIA, Herzinfarkt, Pflegebedürftigkeit, Tod oder kognitiven Einschränkungen bei 297 Patienten. Isosorbidmononitrat verringerte bei 353 Patienten das Risiko eines wiederkehrenden Schlaganfalls (OR = 0,23; 95%-KI 0,07–0,74; p = 0,01) und bei 308 Patienten kognitive Beeinträchtigungen (OR = 0,55; 95%-KI 0,36–0,86; p = 0,008). Cilostazol reduzierte die Pflegebedürftigkeit bei 320 Patienten (HR = 0,31; 95%-KI 0,14–0,72; p = 0,006). Die Kombination aus Isosorbidmononitrat und Cilostazol reduzierte den kombinierten Endpunkt (HR = 0,58; 95%-KI 0,36–0,92; p = 0,02), Abhängigkeit (OR = 0,14; 95 %KI 0,03–0,59; p = 0,008) und kognitive Beeinträchtigungen (OR = 0,44; 95%-KI 0,23–0,85; p = 0,02) und verbesserte die Lebensqualität (mittlere Differenz 0,10; 95%-KI 0,03–0,17; p = 0,005) bei 153 Patienten. Es gab keine Sicherheitsbedenken.
Kommentar
Die hier durchgeführte Studie zeigt einen völlig neuen Therapieansatz für die Sekundärprävention bei Patienten mit lakunären Infarkten und zerebraler Mikroangiopathie. Da die Wirksamkeit von Thrombozytenfunktionshemmern angesichts der Pathophysiologie der Erkrankung nur sehr begrenzt ist, war es wichtig, neue Therapien zu entwickeln. Im Vordergrund der zerebralen Mikroangiopathie steht eine Endothelschädigung kleiner intrazerebraler Arterien, die zu einer Hyalinose und einer Gefäßverengung führt. Für Cilostazol war bekannt, dass die Substanz nicht nur ein Thrombozytenfunktionshemmer ist, sondern auch endothelprotektive Eigenschaften hat. Die relativ kleine Studie zeigt eindrucksvolle Ergebnisse bzgl. sekundärer Endpunkte. Die Medikamente wurden gut vertragen und die Compliance mit der Medikamenteneinnahme war gut. Damit sind alle Voraussetzungen geschaffen, um eine große Phase-III-Wirksamkeitsstudie durchzuführen.
Quelle
Wardlaw JM, et al. Isosorbide mononitrate and cilostazol treatment in patients with symptomatic cerebral small vessel disease: The Lacunar Intervention Trial-2 (LACI-2) randomized clinical trial. JAMA Neurol 2023. doi: 10.1001/jamaneurol.2023.1526.
Literatur
1. Regenhardt RW, et al. Advances in understanding the pathophysiology of Lacunar Stroke: A review. JAMA Neurol 2018;75(10):1273–81.
2. Malik R, et al. Multiancestry genome-wide association study of 520,000 subjects identifies 32 loci associated with stroke and stroke subtypes. Nat Genet 2018;50(4):524–37.
Psychopharmakotherapie 2023; 30(04):131-142