Morbus Pompe

Langzeitergebnisse der Enzymersatztherapie mit Avalglucosidase alfa


Sonja Zikeli, Tübingen

In einer offenen Folgestudie der doppelblinden, randomisierten, klinischen Phase-III-Studie COMET hat ein internationales Autorenteam die Wirksamkeit und Sicherheit von Avalglucosidase alfa bei Patienten mit spätmanifester Pompe-Krankheit nach 97 Wochen evaluiert. Die in der Doppelblindphase erreichten Funktionsverbesserungen konnten im weiteren Verlauf aufrechterhalten werden.

Morbus Pompe ist eine seltene, autosomal-rezessiv vererbte, neuromuskuläre Erkrankung. Ursächlich ist ein Mangel des Enzyms Alpha-Glucosidase, der zu einem verminderten Abbau von Glykogen im Lysosom führt. Bei den Betroffenen treten – bedingt durch die lysosomalen Glykogenablagerungen – vor allem fortschreitende Muskelschwäche und Atmungsstörungen auf [3]. Die symptomatische Ausprägung und Progressionsrate können je nach Lebensalter stark variieren [2]. Seit 2006 steht die Enzymersatztherapie (ERT) mit Alglucosidase alfa zur Verfügung. Das rekombinant hergestellte humane Enzym Avalglucosidase alfa stellt eine therapeutische Weiterentwicklung dar und erhielt 2022 die europäische Zulassung zur Behandlung von Morbus Pompe (Nexviadyme®). In der vorliegenden Studie konzentrierten sich die Autoren auf die spätmanifeste Form (LOPD, Late-onset Pompe disease), in der die Symptome in jedem Lebensalter auftreten können und die Progression langsamer voranschreitet als bei anderen Formen.

Avalglucosidase alfa hatte sich in der doppelblinden, randomisierten, klinischen Phase-III-Studie COMET bei der Behandlung von LOPD-Patienten im Vergleich mit Alglucosidase alfa nach 49 Wochen als nichtunterlegen in Bezug auf die Verbesserung der Atemfunktion (forcierte Vitalkapazität) erwiesen und klinisch relevante Vorteile in Bezug auf die Atemfunktion und die funktionelle Belastbarkeit gezeigt [1]. In einer offenen Folgestudie werden alle Patienten bis zu 240 Wochen lang mit Avalglucosidase alfa weiterbehandelt. Die Ergebnisse nach 48 Wochen offener Behandlung wurden jetzt veröffentlicht.

Studiendesign

In der Doppelblindphase der randomisierten (1 : 1), multizentrischen, klinischen Phase-III-Studie COMET verglichen die Autoren Avalglucosidase alfa und Alglucosidase alfa bei 100 therapienaiven Patienten ab drei Jahren mit LOPD. Die Patienten erhielten alle zwei Wochen eine Infusion mit Avalglucosidase alfa (n = 51) oder Alglucosidase alfa (n = 49) in einer Dosierung von 20 mg/kg Körpergewicht (KG). Nach 49 Wochen wurden alle Patienten auf Avalglucosidase alfa 20 mg/kg KG umgestellt. Von den 100 Teilnehmern gingen 95 Patienten (46 % Frauen, Durchschnittsalter 48,3 Jahre) in die Open-Label-Verlängerungsphase über. Die Autoren bewerteten die Wirksamkeit beider Therapien nach 97 Wochen und die Sicherheit beim letzten Follow-up.

Primärer Endpunkt war die Veränderung (Kleinstquadratmittelwert) der in sitzender Position gemessenen forcierten Vitalkapazität (FVC; in % des vorhergesagten Normwerts). Zu den sekundären Endpunkten gehörten Änderungen der Strecke im 6-Minuten-Geh-Test (6MWT), der Muskelstärke, motorischen Funktion, Lebensqualität und krankheitsassoziierter Biomarker (z. B. Serum-Creatinkinase [CK]) gegenüber dem jeweiligen Ausgangswert.

Ergebnisse

Von den 95 Teilnehmern, die in die Verlängerungsphase eintraten, waren 86 Teilnehmer (91 %) nach 97 Wochen noch in Behandlung. Im Vergleich zu einer Initialtherapie mit Alglucosidase alfa führte die kontinuierliche Behandlung mit Avalglucosidase alfa über 97 Wochen zu einer klinisch relevanten Verbesserung und Stabilisierung der Atmungsfunktion sowie zu einer verbesserten Ausdauer und zurückgelegten Wegstrecke im 6MWT (Tab. 1).

Tab. 1. Vergleich wichtiger Endpunkte nach 97 Wochen [nach Kishnani PS et al. 2023]

Parameter

Kontinuierliche Avalglucosidase-alfa-Therapie (n = 51)

Umstellung auf Avalglucosidase alfa (n = 44)

FVC-Wert [%]

+ 2,65

+ 0,36

Wegstrecke im 6MWT [m]

+ 18,60

+ 4,56

FVC: forcierte Vitalkapazität (max. Atemvolumen); 6MWT: 6-Minute Walk Test

Zu Studienbeginn war der durchschnittliche FVC-Wert zwischen den beiden Behandlungsarmen vergleichbar (62,5 % bzw. 61,6 % des Normwerts), die Strecke im 6MWT in der Avalglucosidase-alfa-Gruppe jedoch länger. Unter kontinuierlicher Therapie mit Avalglucosidase alfa blieb die zum Ende der Doppelblindphase erreichte Verbesserung der FVC erhalten. Auch bei den Patienten der initialen Alglucosidase-alfa-Gruppe blieb der FVC-Wert nach dem Wechsel der Studienmedikation praktisch unverändert (Woche 49 bis 97: +0,09 Punkte). Im 6MWT hatten sich die Ergebnisse der initialen Alglucosidase-alfa-Gruppe in der Doppelblindphase nach einer anfänglichen Verbesserung wieder ungefähr auf den Ausgangswert verschlechtert. Nach dem Wechsel auf Avalglucosidase alfa stellte sich eine anhaltende Verbesserung ein (+5,33 m zwischen Woche 49 bis 97 vs. Woche 0 bis 48). Daneben verbesserten bzw. normalisierten sich die Biomarker-Werte nach 97 Wochen in beiden Gruppen. Insgesamt nahm die Lebensqualität in der Langzeit-Avalglucosidase-alfa-Gruppe stärker zu als im Cross-over-Arm.

Sicherheit

Unerwünschte Ereignisse (UE) und therapiebedingte UE traten in beiden Gruppen gleich häufig auf (98,0 % bzw. 56,9 % unter kontinuierlicher Avalglucosidase-alfa-Therapie; 96,1 % bzw. 56,8 % in der Cross-over-Gruppe). Etwas häufiger wurden in der Cross-over-Gruppe infusionsassoziierte Reaktionen beobachtet (47,7 % vs. 39,2 %). Zu den häufigsten UE zählten Kopfschmerzen (32 %), Nasopharyngitis (31 %), Arthralgie (29 %) sowie Rückenschmerzen (28 %), Diarrhö (24 %) und Nausea (23 %). In der Verlängerungsphase brachen fünf Teilnehmer die Studie aufgrund von UE (z. B. Erytheme, Urtikaria, respiratorischer Distress) vorzeitig ab. Die meisten Patienten entwickelten während der Doppelblindphase Antikörper (ADA, antidrug antibodies). Aufgrund der Kreuzreaktivität von ADA reagierten die Patienten unter Alglucosidase alfa nach dem Switch ebenfalls positiv auf Avalglucosidase alfa. Bei Patienten unter Langzeittherapie mit Avalglucosidase alfa verminderte sich der ADA-Titer weiter bzw. es kam zu einer Toleranzentwicklung.

Fazit

Die Ergebnisse der COMET-Studie zeigen, dass therapienaive LOPD-Patienten unter kontinuierlicher Avalglucosidase alfa-Therapie stärker hinsichtlich respiratorischer und motorischer Funktion sowie Lebensqualität profitierten als Patienten, die zunächst Alglucosidase alfa erhielten und anschließend auf Avalglucosidase alfa umgestellt wurden. Außerdem beobachteten die Studienautoren keine neuen Sicherheitsrisiken. Interessanterweise stieg die Immunogenität in der Cross-over-Gruppe nicht an, sondern stabilisierte sich. Das bedeutet, dass Avalglucosidase alfa sowohl für therapienaive als auch für vortherapierte Patienten eine sichere Therapieoption darstellt und ein medikamentöser Switch im klinischen Alltag somit möglich ist.

Quelle

Kishnani PS, et al. Efficacy and safety of avalglucosidase alfa in patients with late-onset pompe disease after 97 weeks: a phase 3 randomized clinical trial. JAMA Neurol 2023;80:558–67. doi: 10.1001/jamaneurol.2023.0552.

Literatur

1. Diaz-Manera J, et al; COMET Investigator Group. Safety and efficacy of avalglucosidase alfa versus alglucosidase alfa in patients with late-onset Pompe disease (COMET): a phase 3, randomised, multicentre trial. Lancet Neurol 2021;20:1012–26.

2. Gungor D, et al. How to describe the clinical spectrum in Pompe disease? Am J Med Genet A. 2013;161A:399–400.

3. Reuser AJJ, et al. Pompe disease: glycogen storage disease type II, acid α-glucosidase (acid maltase) deficiency. In: Beaudet AL, et al. The online metabolic and molecular bases of inherited disease. TheMcGraw-Hill Companies, Inc; 2018.

Psychopharmakotherapie 2023; 30(04):131-142