Dr. Jasmine Naun, Stuttgart
B-Zell-Depletionstherapien wie Ocrelizumab, Rituximab, Ofatumumab und Ublituximab sind hochwirksam bei multipler Sklerose (MS).
Rituximab kommt sehr häufig bei hämatologischen Malignomen sowie bei rheumatologischen Erkrankungen zum Einsatz. Trotz erfolgreicher Phase-II-Studie von Rituximab versus Placebo bei Patienten mit schubförmig-remittierender MS (RRMS) wurden weitere klinische Studien zugunsten von Ocrelizumab verschoben. In einer Phase-III-RRMS-Studie konnte – im Vergleich zu Interferon beta – die Rückfallhäufigkeit unter Ocrelizumab um 46 % gesenkt werden. Zusätzlich wurde die Behinderungsprogression um 40 % gesenkt. Daher wurde Ocrelizumab zur ersten zugelassenen B-Zell-Therapie bei RRMS. Rituximab wird allerdings häufig off Label als Alternative zu Ocrelizumab eingesetzt. Ob Rituximab weniger wirksam als Ocrelizumab ist, ist unklar. Daten von größeren Registerstudien können hier genutzt werden, um dieser Fragestellung nachzugehen. In der vorliegenden Studie wurden deshalb Daten aus zwei MS-Registern – MSBase und das dänische nationale Danish Multiple Sclerosis Registry (DMSR) – verwendet, um zu untersuchen, ob Rituximab bei der Behandlung der RRMS Ocrelizumab nichtunterlegen ist.
Studiendesign
In die Studie eingeschlossen wurden Patienten aus beiden Registern, die nach 2015 entweder Rituximab oder Ocrelizumab für mindestens 6 Monate erhielten. Patienten, die zuvor an einer randomisierten klinischen Studie teilgenommen hatten, eine Stammzelltherapie erhielten oder mit Alemtuzumab oder Mitoxantron behandelt wurden, wurden von der Analyse ausgeschlossen. Baseline wurde als das erste Datum der Behandlung mit Ocrelizumab oder Rituximab definiert. Ocrelizumab wurde intravenös verabreicht (2 Dosen à 300 mg im Abstand von 14 Tagen gefolgt von 600 mg alle 6 Monate). Bei den meisten Patienten wurde Rituximab intravenös mit 2 Dosen à 1000 mg im Abstand von 14 Tagen, gefolgt von 500 bis 1000 mg alle 6 Monate, verabreicht. Primärer Endpunkt war ein Nichtunterlegenheits-Vergleich hinsichtlich der annualisierten Rückfallraten (ARR).
Studienergebnisse
Von 6027 Patienten (4128 MSBase, 1899 DMSR), die entweder Rituximab oder Ocrelizumab erhielten, entsprachen 1613 Patienten den Einschlusskriterien. Für die Analysen konnten letztendlich 710 Patienten unter Ocrelizumab und 186 Patienten unter Rituximab herangezogen werden.
Wirksamkeit
Die mittlere [SD] ARR war bei Patienten unter Rituximab höher als bei Patienten unter Ocrelizumab (0,20 [0,49] vs. 0,09 [0,28]; p < 0,001). Auch die ARR-Ratio war bei Patienten unter Rituximab höher als bei Patienten unter Ocrelizumab (ARR-Ratio 1,8; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,4–2,4).
Adhärenz
Patienten setzten häufiger ihre Medikation ab, wenn es sich um Rituximab anstatt von Ocrelizumab handelte (Hazard-Ratio 3,11; 95%-KI 2,36–4,11). Der häufigste Grund für ein Absetzen von Rituximab war „Entscheidung des Arztes/Patienten“ (33 % [32 von 96]) oder „andere, nicht bekannte Gründe“ (48 % [47 von 96]). Insgesamt 66 von 96 Patienten (69 %), die Rituximab absetzten, wurden anschließend mit Ocrelizumab behandelt. Es ist daher wahrscheinlich, dass dies mit der erfolgten Zulassung von Ocrelizumab zusammenhängt.
Ganz wenige Patienten setzten Rituximab (n = 9) oder Ocrelizumab (n = 16) aufgrund von Verträglichkeitsproblemen ab.
Fazit der Studienautoren
Ob Rituximab wirklich Ocrelizumab unterlegen ist, bleibt eine klinisch relevante Fragestellung. Ob die beiden Therapien austauschbar sind, ist ebenfalls noch nicht geklärt. Die Ergebnisse aus dieser Studie legen nahe, dass die Wirksamkeit von Rituximab mit einem ARR von 0,20 vs. 0,09 der von Ocrelizumab unterlegen war, was einer Differenz von 1 Rückfall pro 9 Patientenjahren entspricht. Obwohl die Studie darauf ausgelegt war, die Nichtunterlegenheit zu beurteilen, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Patienten unter Rituximab mehr Rückfälle hatten. Um die vordefinierte Grenze der Nichtunterlegenheit zu erfüllen, durfte die Obergrenze des 95%-KI der ARR 1,63 nicht überschreiten. Das ARR-Verhältnis wurde mit 1,8 berechnet, mit einem zweiseitigen 95%-KI von 1,4 bis 2,4. Basierend auf den Empfehlungen zur Interpretation von Nichtunterlegenheitsstudien legen die Ergebnisse die Unterlegenheit von Rituximab gegenüber Ocrelizumab bei MS-Schüben nahe.
Quelle
Roos I, et al. Rituximab vs ocrelizumab in relapsing-remitting multiple sclerosis. JAMA Neurol 2023 Jun 12:e231625. doi: 10.1001/jamaneurol.2023.1625.
Psychopharmakotherapie 2023; 30(04):131-142