Update Zulassung von Psychopharmaka für Minderjährige in Deutschland und Österreich
Die psychopharmakotherapeutische Behandlung im Kindes- und Jugendalter bleibt durch ein geringes Repertoire an zugelassenen Substanzen gekennzeichnet. In diesem Beitrag wird ein Update zur Zulassungslage in Deutschland und Österreich gegeben. Wenngleich die Zahl der zugelassenen Arzneimittel nur gering angestiegen ist, so ergaben sich zum Teil Veränderungen in der Zulassung. Die Datenlage zur Wirksamkeit und zur Versorgungspraxis dagegen erhöht sich kontinuierlich. Hinsichtlich der Rechtslage zum „Off-Label-Use“ haben sich keine Veränderungen ergeben, die Expertengruppe „Off-Label“ beim BfArM hat sich bisher noch mit keinen Substanzen für die Behandlung psychischer Störungen bei Minderjährigen im engeren Sinne befasst.
Schlüsselwörter: Psychopharmaka, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Zulassung, Off-Label-Use
Psychopharmakotherapie 2020;27:44–52.
English abstract
Update: Licensed psychopharmaceuticals for use in children and adolescents in Germany and Austria
The number of licensed psychopharmaceuticals for the treatment of children and adolescents to date remains limited. This report provides an update on the respective substances in Germany and Austria. Although the total number of thus licensed pharmaceuticals increased only slightly, there have partly been changes in the scope of individual licenses. In contrast, the evidence concerning efficacy and established medical practice increases continuously. There have been no changes in the jurisdiction concerning "off-label-use"; the expert group "off-label" of the Federal Institute for Drugs and Medical Devices (BfArM) has not yet dealt with any substances for use in treatment of psychiatric disorders in children and adolescents.
Key words: psychopharmaceuticals, child and adolescent psychiatry, licensing, off-label-use
Neue Therapieoption mit Levodopa-Mikrotabletten
Levodopa ist die wichtigste medikamentöse Therapie bei der Parkinson-Erkrankung. Die bisherige Zulassung der oralen Applikationsform wurde den Bedürfnissen nicht gerecht. Die Einführung einer 5-mg/1,25-mg-Mikrotablette (Levodopa/Carbidopa) zur Herstellung einer wässrigen Suspension in Verbindung mit einem elektronischen Therapiegerät erweitert unsere therapeutischen Optionen, ermöglicht eine individuellere Dosierung und bietet eine weitere Behandlungsmöglichkeit für Patienten in allen Krankheitsstadien, die eine Feintitration benötigen.
Schlüsselwörter: idiopathisches Parkinson-Syndrom, Levodopa, Mikrotabletten, Therapiegerät
Psychopharmakotherapie 2020;27:53–6.
English abstract
New treatment option with levodopa microtablets
Levodopa is the most important drug therapy for Parkinson's disease. The previously approved oral administration form did not meet all needs. The introduction of a water dispersible 5 mg/1,25 mg microtablet (levodopa/carbidopa) and a corresponding electronic therapeutic device extends our therapeutic options, permits a more individual dosing, and offers another treatment option for patients in all stages of the disease who need a refined dose titration.
Key words: Parkinson's disease, levodopa, microtablets, therapeutic device
Verordnung von Neuro-Psychopharmaka
Wegen methodischer Probleme auch des Arzneiverordnungs-Reports (AVR) 2018 als Quelle pharmakoepidemiologischer Daten rechtfertigen sich Analysen auf Wirkstoffebene nur näherungsweise, dies insbesondere bei den Antidementiva. Seit Jahren imponiert das Wachstum der Verordnungszahlen von Antidepressiva und Antikonvulsiva. Die Gründe für die über die Jahre recht stabile und erhebliche Variabilität insbesondere der Verordnung von Psychopharmaka zwischen den Bundesländern bleiben unklar und warten auf Detailanalysen der – öffentlich nicht zugänglichen – Rohdaten.
Schlüsselwörter: Psychopharmaka, Antidementiva, Antiepileptika, Parkinsonmittel, Pharmakoepidemiologie
Psychopharmakotherapie 2020;27:57–61.
English abstract
Prescribing patterns of psychotropic and neurotropic drugs in Germany
Due to ongoing methodological issues the prescribing data presented by the Drug Prescription Report 2018 allow for only limited pharmacoepidemiological reporting especially on the level of individual active compounds, in particular for antidementia drugs. Prescriptions (DDD) especially of antidepressants and anticonvulsants have again increased. The medical rational of the heterogeneity of prescribing patterns within Germany as revealed by the – although aggregated – reports of GAmSi (reporting by the federal association of sick funds) is unclear where in depth analyses of the raw data are warranted which are not available to the public.
Key words: psychotropic drugs, anti-dementia, anti-epileptic drugs, drugs against Parkinson’s disease, pharmacoepidemiology
Weiterbildungs-Curriculum Psychopharmakologie/Pharmakotherapie
Teil 12: Stimmungsstabilisierer – I: Antiepileptika und atypische Antipsychotika
Psychopharmakotherapie 2020;27:62–75.
„Persistent Genital Arousal Disorder“ nach Absetzen von Sertralin
Kasuistik aus dem Projekt „Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie“ e. V.
Antidepressiva, vor allem aus der Wirkstoffklasse der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), gehören zu den am häufigsten verordneten Psychopharmaka in Deutschland. Während der Behandlung mit Antidepressiva können verschiedene, zahlreiche unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) auftreten. Häufig sind hierunter beispielsweise sexuelle Funktionsstörungen. Neben unerwünschten Arzneimittelwirkungen, zum Beispiel Libidoverlust, die sich während einer Behandlung mit einem Antidepressivum zeigen, erhalten unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die nach dem Absetzen von Antidepressiva auftreten, zunehmend die Aufmerksamkeit von Patienten und Behandlern. Die aktuelle S3-Leitlinie für die Behandlung der unipolaren Depression empfiehlt eine Aufklärung über Absetzphänomene bereits vor Beginn der Behandlung mit Antidepressiva.
In der folgenden Kasuistik wird das Auftreten einer ungewöhnlichen Sexualstörung, das sogenannte „persistent genital arousal disorder“ (PGAD), bei einer Mitte 30-jährigen Patientin vorgestellt sowie über PGAD als Absetzphänomen von Antidepressiva und über Absetzphänomene im Allgemeinen diskutiert. Zudem wird erörtert, wie Absetzphänomene unter Antidepressiva behandelt werden können.
Der vorliegende Fall wurde im Projekt „Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie“ (AMSP) dokumentiert und im Rahmen des Auswertungsprozesses bei regionalen und überregionalen Konferenzen beurteilt. AMSP beobachtet seit 1993 systematisch das Auftreten schwerer, neuer und ungewöhnlicher UAW von Psychopharmaka in der Behandlung stationärer Patienten.
Schlüsselwörter: Persistent genital arousal disorder, Antidepressiva, Absetzphänomene, UAW, AMSP
Psychopharmakotherapie 2020;27:77–80.
English abstract
"Persistent genital arousal disorder" after discontinuation of sertraline
Antidepressants, especially selective serotonin reuptake inhibitors (SSRIs), are among the most commonly prescribed psychotropic drugs in Germany. Adverse drug reactions (ADRs) such as sexual dysfunction that occur during treatment with antidepressant drugs are numerous. In addition to ADRs, for example in the form of loss of libido, which occur during treatment with an antidepressant, symptoms presenting after discontinuation of an antidepressant are gaining increasing interest among patients and practitioners. The current S3 guideline for the treatment of unipolar depressive disorders accordingly recommends informing patients of antidepressant withdrawal symptoms before the start of drug treatment.
First, we will present the case of a patient in her mid-thirties who suffered from "persistent genital arousal disorder" (PGAD) after the discontinuation of sertraline. In the following discussion we will acknowledge the causes of PGAD as a symptom of withdrawal from antidepressants as well as withdrawal symptoms in general. Furthermore, strategies for the management of withdrawal symptoms will be considered.
The presented case has been documented in the project "Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie" (drug safety in psychiatry; AMSP) and it has been evaluated in national conferences. AMSP has been systematically monitoring the occurrence of severe, new and unusual ADRs of psychopharmaceuticals in the treatment of psychiatric inpatients since 1993.
Key words: Persistent genital arousal disorder, antidepressant drugs, antidepressant withdrawal symptoms, ADR, AMSP
Analyse von CYP450-Wechselwirkungen: kleiner Aufwand, große Wirkung
Das Interaktionspotenzial der Hypnotika
Zur kurzzeitigen Behandlung von Schlafstörungen werden primär verschiedene Benzodiazepine und die beiden Z-Substanzen Zolpidem und Zopiclon verwendet. Von den Benzodiazepinen sind besonders bei den kurzwirksamen Hypnotika klinisch relevante Interaktionen mit Modulatoren des Cytochrom-P450(CYP)-Isoenzyms 3A4 in klinischen Studien beschrieben. Zolpidem und Zopiclon können durch CYP3A4-Induktoren einem Wirkungsverlust unterliegen. Melatonin mit einem abweichenden Wirkungsprofil ist als CYP1A2-Substrat nicht frei von pharmakokinetischen Wechselwirkungsrisiken. In der Interaktionstabelle (Tab. 1) wird das Verhalten der Benzodiazepin-Hypnotika sowie der Z-Substanzen und Melatonin zu den CYP-Enzymen zusammengefasst.
Psychopharmakotherapie 2020;27:81–4.
Antipsychotika bei Schizophrenie
Effektstärken vergleichbar, Unterschiede bei den Nebenwirkungen
Eine Netzwerk-Metaanalyse zu 32 älteren und neueren Antipsychotika für die Behandlung akuter Schizophrenie-Episoden ergab bei der Gesamtsymptomatik bessere Effekte als Placebo mit etwas unterschiedlichen Effektstärken. Größer sind die Differenzen bei den Nebenwirkungen.
Schizophrenie
Transdermales Estradiol zusätzlich zu Antipsychotika bei Frauen im gebärfähigen Alter
Die zusätzliche transdermale Applikation von Estradiol zur bestehenden antipsychotischen Therapie hatte einen positiven Effekt auf die Symptomatik bei Frauen mit Schizophrenie und schizoaffektiven Störungen. Allerdings war dieser Effekt auf Frauen über 38 Jahren begrenzt.
Epilepsie
Antiepileptika und Stillen – ein Risiko?
Ärzte sind oft unsicher, ob sie Müttern, die Antiepileptika einnehmen, das Stillen ihrer Säuglinge empfehlen sollen. In einer neuen Studie wurde untersucht, ob und in welchen Mengen die Antiepileptika im Blut der gestillten Kinder nachweisbar sind.
Epilepsie
Behandlung des etablierten Status epilepticus
Mit einem Kommentar des Autors
Bei Patienten mit Status epilepticus, die nicht ausreichend auf eine Therapie mit Benzodiazepinen ansprechen, war die parenterale Gabe von Levetiracetam, Fosphenytoin oder Valproinsäure identisch bezogen auf den primären Endpunkt: Ende der epileptischen Aktivität innerhalb von 60 Minuten oder Ansprechbarkeit des Patienten.
Chronische Migräne
Prophylaxe mit Topiramat oder OnabotulinumtoxinA? Die FORWARD-Studie
Mit einem Kommentar des Autors
In einer offenen, randomisierten Studie war OnabotulinumtoxinA bei Patienten mit chronischer Migräne besser wirksam als Topiramat. Topiramat führte häufiger zu einem vorzeitigen Therapieabbruch wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen als OnabotulinumtoxinA.
Schubförmige multiple Sklerose
Kein Effekt von hoch dosiertem Vitamin D3 zusätzlich zu Interferon beta-1a
Mit einem Kommentar des Autors
In einer randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie ergab bei MS-Patienten mit niedrigem Vitamin-D3-Spiegel die Substitution von hoch dosiertem Vitamin D3 gegenüber Placebo keinen therapeutischen Nutzen.
Sekundär progrediente multiple Sklerose
Therapieoption jetzt auch in der Spätphase der Erkrankung
Patienten mit sekundär progredienter multipler Sklerose (SPMS) haben bislang nicht von den zahlreichen Neuzulassungen in der MS-Therapie profitiert. Seit Anfang 2020 ist jetzt mit Siponimod erstmals eine orale Therapie für erwachsene SPMS-Patienten mit Rest-Krankheitsaktivität EU-weit zugelassen. Eine weitere Neuerung ist die Maßgabe, dass sich die Eindosierung und Erhaltungsdosis von Siponimod nach der individuellen Metabolisierungsfähigkeit richtet. Sie wird durch eine Genotypisierung mittels Wangenabstrich bestimmt.
Sekundär-progrediente multiple Sklerose
Neues Einsatzfeld für bekannte Neuroprotektiva?
Mit einem Kommentar des Verfassers
Die Charakteristika von Amilorid, Fluoxetin und Riluzol sind aus anderen, jeweils eigenen Indikationen bekannt. Wegen eines bekannten neuroprotektiven Potenzials wurden sie nun in einer randomisierten, Placebo-kontrollierte Phase-IIb-Studie in Hinblick auf eine mögliche Wirksamkeit für die Therapie der sekundär-progredienten multiplen Sklerose geprüft.
Morbus Parkinson
Sublinguale Apomorphin-Gabe – ein Ansatz zur Behandlung von Off-Episoden
Mit einem Kommentar des Autors
In einer randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie war ein sublingual applizierter Apomorphin-Film bei Patienten mit fortgeschrittener Parkinson-Krankheit und Off-Phasen wirksam. Allerdings brach fast ein Drittel der Patienten die Behandlung wegen oropharyngealer Nebenwirkungen ab.