Epilepsie

Antiepileptika und Stillen – ein Risiko?


Dr. Miriam Sonnet, Rheinstetten

Ärzte sind oft unsicher, ob sie Müttern, die Antiepileptika einnehmen, das Stillen ihrer Säuglinge empfehlen sollen. In einer neuen Studie wurde untersucht, ob und in welchen Mengen die Antiepileptika im Blut der gestillten Kinder nachweisbar sind.

Stillen in den ersten Lebensmonaten hat zahlreiche Vorteile für den Säugling, darunter ein verringertes Risiko für Asthma bronchiale und Diabetes mellitus. Nehmen stillende Mütter jedoch Arzneimittel ein, könnte das negative Auswirkungen auf den Säugling haben. Gerade im Hinblick auf Frauen unter Antiepileptika-Medikation gibt es nur wenige Daten zur Sicherheit des Stillens.

Die Autoren der MONEAD(Maternal outcomes and neurodevelopmental effects of antiepileptic drugs)-Studie untersuchten nun, welche Mengen der Arzneimittel im Blut der betroffenen Säuglinge nachweisbar waren. Fünf bis 20 Wochen nach der Geburt wurden von Müttern und Kindern Blutproben entnommen. Die untere Bestimmungsgrenze (Lower limits of quantification, LLoQ) war für die Arzneimittel unterschiedlich (Tab. 1).

Tab. 1. Untere Bestimmungsgrenze (LLoQ) der Epilepsie-Arzneimittel im Plasma [Birnbaum et al.]

Arzneimittel

LLoQ

Lamotrigin

0,1 µg/ml

Levetiracetam

1,8 µg/ml

Carbamazepin

0,7 µg/ml

Carbamazepin-10,11-Epoxid

0,1 µg/ml

Topiramat

1,6 µg/ml

Valproinsäure

13,1 µg/ml

Zonisamid

1,0 µg/ml

Oxcarbazepin

0,1 µg/ml

Knapp die Hälfte liegt unter der Nachweisgrenze

Von den 345 in die Studie eingeschlossenen Säuglingen wurden 222 (64,3 %) gestillt und von 146 (42,3 %) waren Daten bezüglich der Antiepileptika-Konzentration im Blut verfügbar. Die meisten Patientinnen erhielten eine Monotherapie. Nach Ausschluss von zwei Frauen, für die keine Daten vorlagen, gab es 164 passende Blutproben von 135 Müttern und ihren 138 Kindern (inklusive drei Zwillingspaaren). Bei 49,3 % der Säuglinge lagen die Konzentrationen der Antiepileptika unter der LLoQ. Die Werte von Carbamazepin, Oxcarbazepin, Valproinsäure und Topiramat waren allesamt niedriger.

Die Konzentrationen von Levetiracetam und Zonisamid lagen bei 71,4 % (45/63) und 60 % (3/5) der Kinder auch unter der LLoQ. Für Lamotrigin wurden bei 88,6 % (62/70) der Säuglinge Werte darüber detektiert. Die Autoren betonen in diesem Zusammenhang, dass die LLoQ für Lamotrigin niedriger war als für die meisten anderen Antiepileptika.

Lamotrigin auch nach vergessener Einnahme nachweisbar

Zwölf Mütter hatten die letzte Einnahme ihres Arzneimittels verpasst, davon sechs Frauen unter Lamotrigin-, drei unter Carbamazepin-, zwei unter Oxcarbazepin- und eine unter Zonisamid-Medikation. Bei allen sechs Kindern, deren Mütter Lamotrigin einnahmen und die letzte Einnahme vergessen hatten, lag die Arzneimittelkonzentration über der LLoQ.

Die Autoren berechneten das Verhältnis der Antiepileptika-Plasmakonzentrationen bei den Säuglingen in Bezug auf die Konzentration bei ihren Müttern. Im Median betrug dieses Konzentrationsverhältnis 28,9 % für Lamotrigin, 5,3 % für Levetiracetam, 44,2 % für Zonisamid, 5,7 % für Carbamazepin, 5,4 % für Carbamazepin-Epoxid, 0,3 % für Oxcarbazepin, 17,2 % für Topiramat und 21,4 % für Valproinsäure.

Für Lamotrigin und Levetiracetam konnte eine lineare Regressionsanalyse durchgeführt werden. Die mütterliche Arzneimittelkonzentration war signifikant mit der Lamotrigin-Konzentration in den Kindern assoziiert (Pearson-Korrelationskoeffizient: 0,58; p < 0,001). Für Levetiracetam gab es diesen Zusammenhang nicht.

Fazit

Verglichen mit den Müttern waren die Antiepileptika-Konzentrationen in den Säuglingen wesentlich geringer, so das Fazit der Studienautoren. Die Ergebnisse sprächen daher für das Stillen von Kindern, deren Mütter Antiepileptika einnehmen. Als eine Limitation der Studie geben die Autoren die fehlenden Daten zu Arzneimittelkonzentrationen in der Muttermilch an. Sie erläutern aber, dass die Konzentration im Blut der Kinder ein direktes Maß der Antiepileptika-Exposition ist. Es sei daher nicht notwendig, die Mengen der Substanzen in der Muttermilch zu kennen.

Quelle

Birnbaum AK, et al. Antiepileptic drug exposure in infants of breastfeeding mothers with epilepsy. JAMA Neurol 2019 Dec 30. doi: 10.1001/jamaneurol.2019.4443.

Psychopharmakotherapie 2020; 27(02):85-95