Chronische Migräne

Prophylaxe mit Topiramat oder OnabotulinumtoxinA? Die FORWARD-Studie


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In einer offenen, randomisierten Studie war OnabotulinumtoxinA bei Patienten mit chronischer Migräne besser wirksam als Topiramat. Topiramat führte häufiger zu einem vorzeitigen Therapieabbruch wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen als OnabotulinumtoxinA.

Die chronische Migräne ist definiert als Kopfschmerzen bei Patienten mit Migräne an mehr als 15 Tagen im Monat, von denen mindestens acht Tage die Kriterien einer Migräne nach der Definition der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft erfüllen müssen. Bei der medikamentösen Migräneprophylaxe gab es bis vor Kurzem nur randomisierte, Placebo-kontrollierte Studien zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von Topiramat [1] und OnabotulinumtoxinA [2] für die Behandlung der chronischen Migräne. Eine direkte Vergleichsstudie der beiden Arzneistoffe wurde bisher nicht durchgeführt.

Studiendesign

Bei der FORWARD-Studie handelte sich um eine randomisierte, offene, prospektive Studie, in die Patienten mit chronischer Migräne eingeschlossen wurden (Tab. 1). Die Patienten wurden entweder mit 155 Einheiten OnabotulinumtoxinA alle 12 Wochen für drei Behandlungszyklen behandelt oder mit Topiramat mit Tagesdosen zwischen 50 und 100 mg bis zur Woche 36.

Tab. 1. Studiendesign FORWARD

Indikation

Prophylaxe der chronischen Migräne

Studientyp/Design

Randomisiert, offen, prospektiv

Patienten

282 aufgenommen

Intervention

  • OnabotulinumtoxinA: 155 Einheiten alle 12 Wochen
  • Topiramat
    (50 bis 100 mg/Tag)

Primärer Endpunkt

Mindestens 50%ige Reduktion der Kopfschmerztage in den Wochen 29 bis 32

Der primäre Endpunkt der Studie war der Prozentsatz der Patienten, der eine mindestens 50%ige Reduktion der Kopfschmerztage in den Wochen 29 bis 32 erreichte. Nach 12 Wochen konnten die Patienten, die initial zu Topiramat randomisiert worden waren, zu einer Therapie mit OnabotulinumtoxinA wechseln. Außerdem wurden unerwünschte Arzneimittelwirkungen erfasst.

Ergebnisse

In die Studie wurden 282 Patienten aufgenommen. Die Patienten waren im Mittel 40 Jahre alt und 85 % waren Frauen. Es bestand eine Komorbidität mit Depressionen in einer Häufigkeit von 24 %; mit Angsterkrankungen von 21 % und mit Schlafstörungen von 17 %. Die Zahl der Kopfschmerztage bei Einschluss in die Studie betrug 22 Tage pro Monat. 148 Patienten behielten die ursprünglich zugewiesene Therapie bis zum Studienende bei, davon 120 Patienten mit OnabotulinumtoxinA und 28 Patienten mit Topiramat.

Die häufigsten Gründe für einen Therapieabbruch waren eine mangelnde Wirkung sowie unerwünschte Ereignisse (Tab. 2). 80 Patienten wechselten nach 12 Wochen von Topiramat zu OnabotulinumtoxinA.

In der primären Analyse wurden fehlende Werte durch eine Fortschreibung der Daten während der Baseline ersetzt. In einer Post-hoc-Analyse werteten die Autoren die tatsächlich beobachteten Daten aus (Tab. 2).

Tab. 2. Ergebnisse der FORWARD-Studie [Rothrock et al.]


OnabotulinumtoxinA

Topiramat

Therapieabbruch wegen mangelnder Wirkung

5 %

19 %

Therapieabbruch wegen UE

4 %

51 %

50%-Responderrate in der primären Analyse *

40 % (56/140)

12 % (17/142)

50%-Responderrate nach 12 Wochen in der
Post-hoc-Auswertung

45,6 %

29,4 %

Unerwünschte Ereignisse

48 %

79 %

UE: Unerwünschtes Ereignis; * Odds-Ratio 4,9; 95%-Konfidenzintervall 2,7 bis 9,1; p < 0,001

Die am häufigsten genannten Nebenwirkungen unter Topiramat waren kognitive Störungen mit 13 %, Benommenheit mit 13 % und Parästhesien mit 31 %.

Kommentar

Die FORWARD-Studie ist die erste große randomisierte, aber offene Studie, bei der Patienten mit chronischer Migräne vergleichend mit OnabotulinumtoxinA oder Topiramat behandelt wurden. Ein Nachteil dieser Studie ist die Option, dass Patienten der Topiramat-Gruppe nach 12 Wochen auf OnabotulinumtoxinA wechseln konnten. Bezüglich der 50%-Responderrate war OnabotulinumtoxinA signifikant wirksamer als Topiramat. Der wesentliche Unterschied lag aber in den Abbruchraten wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen. Wie im klinischen Alltag führt Topiramat häufig zu kognitiven Störungen, Missempfindungen und unsystematischem Schwindel. Ein erwünschter Effekt ist allerdings, dass ein Teil der Patienten Gewicht verliert. Die Datenlage zur Prophylaxe der chronischen Migräne aus randomisierten, Placebo-kontrollierten Studien ist für OnabotulinumtoxinA ungleich besser als für Topiramat. Für die Zukunft ist allerdings wichtig, dass inzwischen auch für alle vier monoklonalen Antikörper gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor Wirksamkeitsstudien bei Patienten mit chronischer Migräne vorliegen [3]. Diese neuen monoklonalen Antikörper sind alle wirksamer als Placebo und in indirekten Vergleichen etwa genauso wirksam wie OnabotulinumtoxinA und Topiramat.

Quelle

Rothrock JF, et al. FORWARD study: Evaluating the comparative effectiveness of onabotulinumtoxinA and topiramate for headache prevention in adults with chronic migraine. Headache 2019;59:1700–13.

Literatur

1. Silberstein SD. Topiramate in migraine prevention: A 2016 perspective. Headache 2017;57:165–78.

2. Dodick DW, et al. OnabotulinumtoxinA for treatment of chronic migraine: pooled results from the double-blind, randomized, placebo-controlled phases of the PREEMPT clinical program. Headache 2010;50:921–36.

3. Dodick DW. CGRP ligand and receptor monoclonal antibodies for migraine prevention: Evidence review and clinical implications. Cephalalgia 2019;39:445–58.

Psychopharmakotherapie 2020; 27(02):85-95