Epilepsie

Behandlung des etablierten Status epilepticus


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Bei Patienten mit Status epilepticus, die nicht ausreichend auf eine Therapie mit Benzodiazepinen ansprechen, war die parenterale Gabe von Levetiracetam, Fosphenytoin oder Valproinsäure identisch bezogen auf den primären Endpunkt: Ende der epileptischen Aktivität innerhalb von 60 Minuten oder Ansprechbarkeit des Patienten.

Die Standardtherapie des Status epilepticus ist die Gabe von Benzodiazepinen. Bei bis zu einem Drittel der Patienten sind diese aber nicht ausreichend wirksam. In diesem Stadium des etablierten Status epilepticus müssen die Patienten mit einem anderen Antiepileptikum parenteral behandelt werden. Verfügbar sind dafür unter anderem Phenytoin (in den USA auch in Form des Prodrugs Fosphenytoin), Levetiracetam und Valproinsäure.

Es stand in der PPT

Pharmakotherapeutische Strategien in der Behandlung des Status epilepticus. Psychopharmakotherapie 2019;26:260–6.

Studiendesign

Die Established-Status-Epilepticus-Treatment-Studie (ESETT) war eine Investigator-initiierte randomisierte, verblindete Studie an Patienten mit etabliertem Status epilepticus in der Notaufnahme in 65 US-amerikanischen Zentren (Tab. 1). Eingeschlossen wurden Patienten ab zwei Jahren, wenn eine kumulative Dosis von Benzodiazepinen fünf Minuten nach der letzten Gabe nicht in der Lage war, den Status epilepticus zu durchbrechen. Die akzeptierten kumulativen Dosen von Benzodiazepinen waren 10 mg Diazepam, 4 mg Lorazepam oder 10 mg Midazolam für Erwachsene. Die Patienten wurden dann zu Levetiracetam, Fosphenytoin und Valproinsäure randomisiert. Der primäre Endpunkt war die Unterbrechung des Status epilepticus innerhalb von 60 Minuten und eine normale Ansprechbarkeit nach 60 Minuten.

Tab. 1. Studiendesign Established-Status Epilepticus Treatment (ESETT)

Erkrankung

Etablierter Status epilepticus

Studientyp/Design

Randomisiert, verblindet

Patienten

384

Intervention

  • Levetiracetam
  • Fosphenytoin
  • Valproinsäure

Primärer Endpunkt

Unterbrechung des Status epilepticus innerhalb von 60 Minuten und eine normale Ansprechbarkeit nach 60 Minuten

Sponsor

University of Virginia

Studienregisternummer

NCT 01960075
(ClinicalTrials.gov)

Ergebnisse

In die Studie wurden 384 Patienten aufgenommen. 145 Patienten erhielten Levetiracetam, 118 Patienten Fosphenytoin und 121 Patienten Valproinsäure. Die Studie wurde vorzeitig beendet, da eine Interimsanalyse keinen Unterschied der drei Therapiegruppen zeigte. 10 % der Patienten hatten funktionelle Anfälle. Die Patienten waren im Schnitt 32 Jahre alt und 40 % waren Kinder und Jugendliche im Alter bis zu 18 Jahren. Der Status epilepticus bestand bis zum Studieneinschluss im Mittel eine Stunde und 60 % der Patienten hatten vor Erreichen der Notaufnahme Benzodiazepine erhalten.

Den primären Endpunkt nach 60 Minuten erreichten 68 Patienten (47 %) in der Levetiracetam-Gruppe, 53 Patienten (44 %) in der Fosphenytoin-Gruppe und 56 Patienten (46 %) in der Gruppe mit Valproinsäure.

Bei Betrachtung der schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen fanden sich unter Fosphenytoin mehr Patienten mit einer bedrohlichen arteriellen Hypotonie (n = 4; 3,2 %). Ein Patient erlitt unter Levetiracetam eine schwerwiegende kardiale Arrhythmie. Zwischen 17 % (Valproinsäure) und 26 % (Fosphenytoin) der Patienten benötigten eine Intubation. Die Mortalität betrug 4,7 % mit Levetiracetam, 2,4 % mit Fosphenytoin und 1,6 % mit Valproinsäure.

Kommentar

Diese Investigator-initiierte Studie, die mit öffentlichen Mitteln in den Vereinigten Staaten finanziert worden war, ergibt wichtige Erkenntnisse zur Behandlung des etablierten Status epilepticus bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Es ist die erste Studie, die eine größere Zahl von Kindern und Jugendlichen einschließt. Die Studie zeigt, dass alle drei parenteral verabreichten Antiepileptika Levetiracetam, Fosphenytoin und Valproinsäure wirksam sind. Auch bei der Analyse aller sekundären Endpunkte ergaben sich keine Unterschiede zwischen den drei Medikamenten. Minimale Unterschiede zeigten sich bei den schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Nachteil von Fosphenytoin ist, dass es bei einem Paravasat zu schwerwiegenden Hautnekrosen kommen kann. Levetiracetam hat die wenigsten Interaktionen mit anderen Arzneimitteln. Mit dieser Studie stehen den Ärzten der Notaufnahme jetzt drei gleich wirksame Therapieoptionen für die Behandlung des etablierten Status epilepticus zur Verfügung.

Zulassungsstatus beachten

Beim Einsatz der genannten Pharmaka ist ihr Zulassungsstatus zu beachten:

  • Nur Phenytoin parenteral ist formal zugelassen zur Behandlung des Status epilepticus (außer Absence-Status).
  • Valproinsäure parenteral ist nur als Mittel der dritten Wahl für den Grand-Mal-Status zugelassen (Mittel der 1. Wahl für den Absence-Status).
  • Levetiracetam ist nicht für die Behandlung des Status epilepticus zugelassen, sodass es sich um Off-Label-Use handelt.

Die verschiedenen Zulassungsinhaber könnten Anpassungen herbeizuführen versuchen.

Quelle

Kapur J, et al. Randomized trial of three anticonvulsant medications for status epilepticus. N Engl J Med 2019;381:2103–13.

Psychopharmakotherapie 2020; 27(02):85-95