Weiterbildungs-Curriculum Psychopharmakologie/Pharmakotherapie


Teil 12: Stimmungsstabilisierer – I: Antiepileptika und atypische Antipsychotika

Heinz Grunze, Schwäbisch Hall/PMU Nürnberg, und Walter E. Müller, Worms

Psychopharmakotherapie 2020;27:62–75.

Dieser und der nachfolgende Artikel des Weiterbildungs-Curriculums behandeln die Gruppe der sogenannten „Stimmungsstabilisierer“, eine etwas holprige Übersetzung des englischen Begriffs „mood stabilizer“. Aufgrund seiner historisch, aber auch evidenzbasierten herausragenden Stellung ist Lithium dabei ein eigener Artikel gewidmet. Zunächst beschäftigt sich aber dieser erste Teil mit denjenigen Antiepileptika und Antipsychotika, die insbesondere bei bipolaren Störungen, gelegentlich aber auch in der Akut- und Erhaltungstherapie unipolarer Depressionen eingesetzt werden.

Zunächst sollte definiert werden, was eigentlich einen Stimmungsstabilisierer ausmacht. Im Idealfall ist es ein Arzneistoff mit evidenzbasierter hoher Wirksamkeit gegen affektive Episoden jeglicher Polarität, sowohl in der Akutbehandlung als auch Prophylaxe, bei gleichzeitiger guter Verträglichkeit und Arzneimittelsicherheit. Diesem Anspruch können mit vielen Abstrichen am ehesten noch Lithium, Quetiapin und Olanzapin gerecht werden. Im Sinne einer symptomorientierten Behandlung, gegebenenfalls auch in Kombinationen, hat sich zunehmend eine abgeschwächte Definition durchgesetzt, die wir auch als Grundlage dieses Artikels wählen (vgl. auch [44]). Demnach ist ein Stimmungsstabilisierer

  • eine Substanz, die in der Akutbehandlung (Manie und/oder Depression) wirksam ist,
  • dabei keinen Umschwung in die jeweils andere Stimmungslage auslöst oder
  • bereits vorhandene Symptome verschlechtert (z. B. in der gemischten Manie),
  • einem Rückfall in eine Krankheitsphase vorbeugt.

Dennoch muss auch diese Definition als unbefriedigend gelten. Sie wird zwar einigen neueren atypischen Antipsychotika gerecht, die den Nachweis antimanischer und Manie-verhütender Wirksamkeit in der Erhaltungstherapie erbracht haben, aber keine gesicherte antidepressive Wirksamkeit aufweisen. Grenzfälle bei konsequenter Anwendung dieser Definition (im Sinne des eindeutigen, evidenzbasierten Wirksamkeitsnachweises) wären aber auch die Antiepileptika; so ist der Nachweis prophylaktischer Wirksamkeit bei Valproinsäure und derjenige akut antidepressiver Wirksamkeit bei Lamotrigin weiterhin unbefriedigend. Da sich der Begriff „Stimmungsstabilisierer“ dennoch in den letzten drei Jahrzehnten für Carbamazepin, Valproinsäure und Lamotrigin etabliert hat und sie weite Anwendung in der Therapie bipolarer Störungen finden, sind sie ebenfalls Bestandteil dieser Übersicht.

Daran knüpft sich auch gleich der nächste, einleitende Hinweis. Wie erwähnt, ist der Einsatz insbesondere von Valproinsäure und Lamotrigin bei bipolaren Störungen außerhalb der zugelassenen Indikation – in diesem Fall die akute Manie bzw. die Prophylaxe bipolar depressiver Episoden – häufig, nicht zuletzt oft bei Unverträglichkeit oder Unwirksamkeit von Arzneimitteln, die in der Indikation zugelassen sind, und in Ermangelung von Alternativen (vgl. [17]). Dieser Artikel behandelt daher auch die Evidenzlage der Stimmungsstabilisierer in nicht zugelassenen Indikationen, soweit sie im klinischen Alltag von Relevanz sind; dies darf aber nicht als Ermutigung zu einem unkritischen „Off-Label“-Gebrauch der Medikamente verstanden werden. Dass Evidenz und Zulassungslage bei Medikamenten zur Behandlung bipolarer Störungen bei weitem nicht deckungsgleich sind, illustriert Tabelle 12-1.

Tab. 12-1. Überblick zu Stimmungsstabilisierern zur evidenzbasierten Behandlung bei bipolaren Störungen und Zulassungssituation in Deutschland

Substanz

Akute Manie

Mischzustand

Bipolare Depression

Erhaltungstherapie und/oder Prophylaxe

Valproinsäure

++ Z

+

+

+/–

Carbamazepin

++

0

+

+ Z

Oxcarbazepin

+

0

0

+

Lamotrigin

0

+

++(D) Z

Aripiprazol

++ Z

++

++(M) Z

Asenapin

++ Z

+

0

++

Cariprazin

++

0

++

0

Clozapin

+

+

0

+

Lurasidon

0

++

++

–*

Olanzapin

++ Z

++

++

++ Z

Paliperidon

++

++*

0

++

Risperidon

++ Z

++

Quetiapin

++ Z

++*

++ Z

++ Z

Ziprasidon

++ Z

+* Z

++*

Lithium

++ Z

+

+/–

++ Z

++ Nachweis der Wirksamkeit in qualitativ guter randomisierter, doppelblinder, Placebo-kontrollierter Studie; bei Erhaltungstherapie: ++(D): Nachweis nur für Verhütung neuer Depressionen; ++(M): Nachweis nur für Verhütung neuer Manien

+ Hinweise auf Wirksamkeit aus Vergleichsstudien, offenen Studien oder Post-hoc-Analysen sowie Metaanalysen kontrollierter Studien minderer Qualität

+/– Widersprüchliche Ergebnisse aus Studien

– Negative Studienergebnisse

0 keine Aussage möglich aufgrund fehlender Studien

* Nur in Kombination mit Valproinsäure, Lithium oder einer anderen medikamentösen Behandlung (Treatment as usual, TAU)

Z Zugelassen in Deutschland in der angegebenen Indikation

Psychopharmakologie

Wie bereits ausgeführt, subsummiert man unter dem Begriff Stimmungsstabilisierer („mood stabilizer“) verschiedene, aus unterschiedlichen Wirkstoffklassen (Antipsychotika, Antidepressiva, Antikonvulsiva) kommende Substanzen, die klinisch in der Behandlung bipolarer Störungen zur Anwendung kommen. Die einzige primär nur als Stimmungsstabilisierer eingesetzte Substanz ist Lithium in Form verschiedener Lithiumsalze. Ausnahmen sind die Verwendung von Lithium zur Augmentation der Wirksamkeit von Antidepressiva bei therapieresistenten Depressionen, als Alternative zu Antidepressiva in der Langzeitbehandlung rezidivierender unipolarer Depressionen und der eher seltene Einsatz bei schweren aggressiven Zuständen.

Die kurzen pharmakologischen Ausführungen beziehen sich daher primär auf die für die einzelnen Substanzen relevanten pharmakologischen Wirkungsmechanismen, die sicher auch als primärer Angriffspunkt ihrer Effektivität bei bipolaren Erkrankungen relevant sind. Wieweit wir allerdings bei den meisten dieser Substanzen von einem gemeinsamen finalen Wirkungsmechanismus (besonders bei der antimanischen und rezidiv-prophylaktischen Wirkung) ausgehen können, wird später diskutiert (Curriculum Stimmungsstabilisierer Teil 12/II).

Pharmakodynamik

Antipsychotika (Neuroleptika) gehörten zu den ersten zur medikamentösen Behandlung der akuten Manie eingesetzten Substanzen. Die antipsychotische Wirkung des eigentlich als Antihistaminikum entwickelten Chlorpromazins (der Muttersubstanz aller Antipsychotika) wurde Anfang der 1950er-Jahre erstmalig bei Patienten mit akuter Manie beschrieben.

Da praktisch alle antipsychotischen Substanzen auch eine antimanische Wirkung aufweisen, kann man davon ausgehen, dass auch in der Maniebehandlung die Dopamin-antagonistische Wirkung (Blockade von D2/D3-Rezeptoren) als primärer Wirkungsmechanismus infrage kommt [34]. Zugelassen sind für die Indikation akute Manie allerdings nur Haloperidol und Benperidol. Allerdings werden aktuell auch in der Maniebehandlung die atypischen Substanzen, ähnlich wie bei der Schizophreniebehandlung, primär empfohlen, da das Risiko für extrapyramidal-motorische Störungen (EPS) bei manischen Patienten eher höher zu sein scheint als bei Patienten mit Schizophrenie. Darüber hinaus wird bei den typischen Antipsychotika ein größeres Risiko für einen Switch in eine Depression (treatment emergent affective switch, TEAS) diskutiert.

Im Gegensatz zur antimanischen Wirkung scheint der Wirkungsmechanismus von Antipsychotika in der Rezidivprophylaxe bzw. der Behandlung der bipolaren Depression (allein oder in Kombination) nicht nur von der antidopaminergen Komponente getragen zu sein, sondern auch von zusätzlichen antidepressiven Eigenschaften (Aripiprazol, Cariprazin, Olanzapin, Quetiapin). Besonders erwähnenswert erscheint hier Quetiapin, dessen Hauptmetabolit potente Noradrenalin-Wiederaufnahme-hemmende Eigenschaften besitzt, also primär antidepressive Eigenschaften aufweist [4].

Antidepressiva wurden früher in der Behandlung der bipolaren und der unipolaren Depression ähnlich verwendet und hatten hier eine vergleichbare Effektivität [4]. Man kann daher davon ausgehen, dass die Mechanismen der antidepressiven Wirksamkeit und der unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) bei beiden Patientengruppen identisch sind [30]. Wegen des Risikos eines Switches in die Manie sollte allerdings die Therapie mit Antidepressiva bei bipolaren Patienten in Kombination mit einem Stimmungsstabilisierer durchgeführt werden. Die alten Trizyklika sind hier wegen des primär höheren Switchrisikos und natürlich auch wegen der allgemein sehr hohen UAW-Rate nicht mehr einzusetzen. Die Verwendung von Antidepressiva bei bipolaren Patienten wird unterschiedlich bewertet, in den USA und Großbritannien sind sie nur als nachgeordnete Wahl bei Nichtansprechen auf Stimmungsstabilisierer empfohlen.

Antiepileptika spielen heute in der Behandlung praktisch aller Stadien der bipolaren Störungen eine dominierende Rolle. Erste Befunde mit Carbamazepin stammen aus Japan, wo in den 1960er-Jahren Lithium zur Maniebehandlung nicht zur Verfügung stand, und man in der Klinik das gerade eingeführte Antiepileptikum Carbamazepin wegen seiner sedierenden Eigenschaften als Alternative zu den Barbituraten testete und bald eine über die Sedierung hinausgehende antimanische Wirkung feststellte [25]. Es dauerte dann noch einige Jahre, bis die Substanz auch nach klinischen Prüfungen als wirksam bei bipolaren Patienten akzeptiert wurde. Ihr Stellenwert ist allerdings wegen des hohen Interaktionspotenzials und der zum Teil schwerwiegenden UAW (hämatologische Veränderungen) deutlich zurückgegangen.

Auch die Entwicklung von Valproinsäure als antimanische Substanz geht auf seinen Einsatz als Antiepileptikum bei psychiatrischen Patienten zurück; dabei zeigte sich ein zunächst unerwarteter deutlicher antimanischer Effekt, der bestätigt und weiter entwickelt wurde und letztlich zur Einführung von Valproinsäure bei bipolaren Patienten führte. Vor diesem Hintergrund stand in der Bewertung des Wirkungsmechanismus beider Substanzen eine Senkung der neuronalen Aktivität bzw. Aktivierbarkeit im Vordergrund sowie die zugrunde liegenden Effekte auf unterschiedliche neuronale Mechanismen, die aber letztlich für Carbamazepin und Valproinsäure, aber auch Lamotrigin nicht sicher identifiziert sind [29].

Dem Konzept der Reduktion neuronaler Aktivierbarkeit folgend wurden auch Antiepileptika späterer Generationen auf eine mögliche Wirksamkeit bei bipolaren Erkrankungen untersucht. Die Ergebnisse waren allerdings für viele Substanzen sehr enttäuschend, was Zweifel aufkommen lässt, ob eine über unterschiedliche Akutmechanismen erreichbare Senkung neuronaler Erregbarkeit direkt mit möglicher antimanischer Wirksamkeit parallel geht. Die einzige Substanz aus der Gruppe der neueren Antiepileptika, die Eingang in die Therapie bipolarer Störungen gefunden hat, ist Lamotrigin, allerdings auch nur bei rezidivierenden depressiven Episoden, und selbst diese Indikation ist auch heute noch umstritten. Inwieweit eine Verbesserung gestörter Mechanismen der Neuroplastizität eine wichtige gemeinsame Endstrecke im Wirkungsmechanismus der klinisch wirksamen antimanischen Substanzen einschließlich Lithium darstellen kann, wird im nächsten Teil des Curriculums mit Schwerpunkt Lithium abgehandelt.

Carbamazepin hemmt verschiedene Mechanismen interzellulärer Signalkaskaden und verschiedene Ionenkanäle der neuronalen Membran, wobei Effekte auf spannungsabhängige Natriumkanäle als besonders relevant diskutiert werden, mit möglicherweise unterschiedlicher Wichtung für antikonvulsive Effekte (Na+-Kanäle) und antimanische bzw. phasenstabilisierende Effekte (Signalkaskaden). Valproinsäure bzw. ihre Salze scheinen über verschiedene Mechanismen die inhibitorische GABAerge Neurotransmission zu verstärken (erhöhte Syntheserate, verlangsamter Abbau). Darüber scheint Valproinsäure hemmend auf Na+-Kanäle und aktivierend auf Kalium-Kanäle zu wirken.

Auch dem Lamotrigin wird ein hemmender Effekt auf präsynaptische Natrium-Kanäle zugeschrieben mit gewisser Selektivität an glutamatergen Nervenendigungen, sodass die Aktivität dieses wichtigen aktivierenden Teils der Neurotransmission herunterreguliert ist.

Die mit diesen Mechanismen aller drei Substanzen verbundene Reduktion der neuronalen Aktivität bzw. Erregbarkeit hat man mit einem Effekt auf das bei Epilepsie vorhandene „Kindling-Phänomen“ in Verbindung gebracht, eine für nachfolgende erregende Effekte erhöhte Sensitivität von Neuronen oder neuronalen Strukturen durch vorbestehende epileptische Phasen. Analoge Mechanismen werden auch bei bipolaren Störungen, besonders bei häufig rezidivierenden Episoden, angenommen.

Pharmakokinetische Aspekte

Im Gegensatz zum molekularen Wirkungsmechanismus hat die unterschiedliche Pharmakokinetik der drei dominierenden Antieleptika eine deutlichere Relevanz für ihre klinische Anwendung.

Carbamazepin wird zwar zu 100 % resorbiert, hat aber wegen präsystemischer Elimination (First-Pass-Metabolismus) nur eine Bioverfügbarkeit von etwa 70 bis 80 %. Der komplexe Metabolismus erfolgt über verschiedene Cytochrom-P450-(CYP-)Enzyme, hauptsächlich CYP3A4. Ein Metabolit (Carbamazepin-10,11-epoxid) ist pharmakologisch aktiv, macht allerdings nur wenige Prozent der Muttersubstanz aus. Die mittlere Halbwertzeit beträgt 36 Stunden, allerdings mit großen interindividuellen Schwankungen. Die Substanz ist ein Multienzyminduzierer; sie induziert hauptsächlich CYP3A4, aber auch andere Phase-I-CYP-Enzyme sowie Phase-II-Enzyme wie Glucuronyltransferase und Epoxidhydrolase, was die lange Liste von Arzneistoffen erklärt, deren Elimination im Sinn einer Arzneimittelinteraktion durch Carbamazepin verändert wird. Durch Enzyminduktion kürzt Carbamazepin seine eigene Eliminationshalbwertszeit (nichtlineare Kinetik) was die sichere Angabe eines Zeitpunkts, zu dem ein „steady-state“ erreicht wird, erschwert. Die dadurch notwendigen Dosisanpassungen sollten unter Plasmaspiegelkontrolle erfolgen, die auch wegen der geringen therapeutischen Breite notwendig sind (empfohlener Bereich 4–12 mg/l).

Valproinsäure (in Deutschland meist als Na-Valproat eingesetzt) wird vollständig resorbiert und mit einer Halbwertszeit von 12 bis 16 Stunden eliminiert, im Wesentlichen durch Glucuronidierung, aber zum Teil auch durch Metabolisierung über verschiedene CYP-Enzyme. Zur Vermeidung von Plasmaspiegelspitzen werden hierzulande meist Retard-Präparate eingesetzt; bei diesen werden maximale Plasmakonzentrationen sechs bis acht Stunden nach Einnahme erreicht. Plasmaspiegelkontrollen werden empfohlen (Bereich 50–100 mg/l, zur Behandlung der akuten Manie sollte man auf alle Fälle Spiegel > 70 mg/l anstreben). Lamotrigin wird schnell und vollständig resorbiert; die Serumspitzenkonzentration wird nach etwa 2,5 Stunden erreicht (tmax). Die mittlere Eliminationshalbwertszeit beträgt 33 Stunden, allerdings mit erheblichen interindividuellen Schwankungen. Darüber hinaus kann Lamotrigin seinen eigenen Metabolismus induzieren mit Reduktionen der Halbwertszeit bis zu 25 %. Die Elimination erfolgt über die Niere nach Glucuronidierung. Induktoren des Enzyms Glucuronyltransferase (Carbamazepin, Phenytoin) können daher die Eliminationshalbwertszeit von Lamotrigin verkürzen. CYP-Enzyme spielen beim Metabolismus von Lamotrigin keine Rolle und werden auch nicht durch die Substanz induziert. Arzneimittelinteraktionen von Lamotrigin über eine Beeinflussung des CYP-Systems sind daher nicht bekannt.

Klinische Anwendung

Hauptanwendungsgebiet von Stimmungsstabilisierern in der Psychiatrie ist die bipolare Störung (ICD-10 F30 und 31) sowie die schizoaffektive Störung (ICD-10 F25). Gelegentlich kommen Stimmungsstabilisierer auch bei der unipolaren Depression zum Einsatz, Ausnahme ist hier Lithium, das als Augmentationstherapie und in der Phasenprophylaxe rezidivierender Depressionen breitere Anwendung findet. Randindikationen im Off-Label-Bereich sind Angststörungen und Alkoholentzugsbehandlung.

Die wesentlichen Verlaufsformen der bipolaren Störung sind:

  • Bipolar I mit Episoden deutlicher Manien und Depressionen (Lebenszeitprävalenz etwa 1 %)
  • Bipolar II mit hypomanen und depressiven Episoden (Lebenszeitprävalenz etwa 2 bis 3 % einschließlich nicht näher bezeichneter Manifestationen, wie z. B. rezidivierende Hypomanien ohne Depressionen)

In der Akutbehandlung ist zwischen manischen, hypomanen, gemischten und depressiven Episoden zu unterscheiden. Im Langzeitverlauf ist zusätzlich ein Rapid-Cycling-Verlauf (vier oder mehr Episoden pro Jahr) abzugrenzen, dessen pharmakologische Behandlung eine besondere Herausforderung darstellt.

Manische Episode der bipolaren Störung

Die antimanische Wirksamkeit der Stimmungsstabilisierer, namentlich Valproinsäure, Carbamazepin und die verschiedenen atypischen Antipsychotika, ist untereinander und zu Lithium im Großen und Ganzen vergleichbar. Dabei werden von diesen Alternativen auch manische Symptome erfasst, die oft nicht hinreichend auf Lithium respondieren, wie beispielsweise psychotische Manien, Mischzustände und Patienten mit Rapid-Cycling. Sie alle zeichnen sich durch eine rasche Aufdosierbarkeit mit schnellem Wirkungseintritt bei gleichzeitiger relativ hoher Arzneimittelsicherheit und relativ weitem therapeutischen Fenster (Ausnahme hier Carbamazepin) aus. Bei der Auswahl eines antimanischen Arzneimittels spielen bei vergleichbarer Wirksamkeit das Nebenwirkungsprofil, die aus der Anamnese oft bekannten Vorerfahrungen und Präferenzen, die individuelle Tolerabilität und die Wirksamkeit bei einer eventuell geplanten Erhaltungs- und Langzeittherapie die entscheidende Rolle.

Antiepileptika

Valproinsäure. Unter dem Sammelbegriff „Valproinsäure“ (so auch der internationale Freiname [INN]) sind in diesem Artikel Valproinsäure, ihre Salze und Derivate zusammenfasst. Der Sammelbegriff „Valproat“ ist ebenfalls verbreitet. Die Blut-Hirn-Schranke wird allein von der Valproinsäure penetriert, die damit für die ZNS-Wirkung ausschlaggebend ist; die verschiedenen Präparationen mögen Unterschiede hinsichtlich der gastrointestinalen Verträglichkeit, aber nicht der ZNS-Aktivität aufweisen. Für die Behandlung der akuten Manie gibt es mittlerweile 25 kontrollierte Therapiestudien gegen Placebo und/oder eine Vergleichssubstanz (Carbamazepin, Lithium, Olanzapin, Risperidon), die den Nutzen von Valproinsäure und weiteren Derivaten, beispielsweise dem Amid-Prodrug Valpromid, belegen (vgl. [22]). Dies gilt sowohl für retardierte als auch nicht-retardierte orale Präparationen. Während der Vergleich mit Carbamazepin, Lithium und Quetiapin keinen Unterschied hinsichtlich der antimanischen Wirksamkeit zeigt, scheint Olanzapin zu einer signifikant größeren Reduktion der Schwere manischer Symptome nach drei Wochen zu führen. Allerdings ist anzumerken, dass in den vier Studien, die dieser Metaanalyse zugrunde liegen, Valproinsäure entweder unterdosiert war und/oder nicht als Dose-Loading-Therapie verabreicht wurde (siehe Empfehlungen zur Dosierung).

Carbamazepin und Derivate. Carbamazepin spielt aufgrund seiner stärkeren Nebenwirkungen sowie der aufgrund der Enzyminduktion schlechteren Kombinierbarkeit mit anderen Medikamenten heutzutage eine nur noch untergeordnete Rolle in der Maniebehandlung. Strikt genommen stellt die Behandlung der akuten Manie mit Carbamazepin auch einen Off-Label-Gebrauch dar, da die arzneimittelrechtliche Zulassung in Deutschland nur die Prophylaxe manisch-depressiver Phasen, wenn die Therapie mit Lithium versagt hat, oder wenn mit Lithium nicht behandelt werden darf, vorsieht. Klinisch eingesetzt wird Carbamazepin dennoch gelegentlich bei Wirkungslosigkeit oder Unverträglichkeit anderer Medikamente, insbesondere wenn eine eher atypische Symptomatik oder ein komplexer Verlauf, beispielsweise ein Rapid-Cycling, vorliegt. In insgesamt 19 kontrollierten Studien, darunter zwei großen, randomisierten und Placebo-kontrollierten, wurde die Wirksamkeit von Carbamazepin in der Akutbehandlung manischer Episoden bestätigt. Netzwerkmetaanalysen zeigten zusätzlich eine vergleichbare antimanische Wirksamkeit zu anderen Standardtherapien [6, 46]. Bei deutlich schwächerer Datenlage erscheint auch das Ketoderivat Oxcarbazepin in seiner antimanischen Wirksamkeit anderen Standards vergleichbar [41]; ein Vorteil des Einsatzes von Oxcarbazepin gegenüber Carbamazepin scheint dabei das günstigere Nebenwirkungsprofil zu sein, da beim Abbau kein Carbamazepin-10,11-Epoxid anfällt. Der Einsatz von Oxcarbazepin wäre ebenfalls ein Off-Label-Gebrauch, eine Zulassung besteht in Deutschland lediglich für die Epilepsiebehandlung.

Als mögliche Prädiktoren für ein gutes Ansprechen auf eine antimanische Behandlung mit Carbamazepin und Oxcarbazepin wird das Vorliegen einer gemischten Manie und das Auftreten der Manie im Rahmen eines Rapid-Cycling-Krankheitsverlaufs diskutiert, aber auch hierzu liegen keine qualitativ guten Studien vor.

Lamotrigin. Lamotrigin ist in Deutschland und vielen anderen Ländern seit etwa 25 Jahren zur Behandlung von Epilepsien zugelassen. Als Stimmungsstabilisierer bei bipolaren Störungen wurde es in kontrollierten Studien in der Indikation Manie, bipolare Depression und prophylaktische Langzeittherapie untersucht. Zwei Placebo- und Lithium-kontrollierte Studien ergaben keinen Nachweis antimanischer Wirksamkeit [37]. Unabhängig davon erscheint aufgrund des langsamen Titrationsschemas für Lamotrigin ein Einsatz bei akuter Manie unpraktikabel.

Atypische Antipsychotika

Antipsychotika werden in der akuten Maniebehandlung seit Jahrzehnten eingesetzt, und einige von ihnen sind in der Indikation akute Manie oder allgemeiner für Erregungszustände ohne nähere Spezifizierung zugelassen. Die Kriterien eines Stimmungsstabilisierers erfüllen die klassischen Antipsychotika allerdings nicht oder höchstens begrenzt: Zwar behandeln sie eine akute Manie, können aber Dysphorie bis hin zu depressiven Zuständen induzieren und haben keinen Wirknachweis in der Prophylaxe zeigen können [21].

Anders ist die Situation bei den neueren, atypischen Antipsychotika: Neben Wirksamkeit gegen mindestens einen affektiven Pol (ohne den anderen zu verschlechtern) zeigen sie auch prophylaktische Wirksamkeit. Praktisch alle in den letzten drei Jahrzehnten entwickelten atypischen Antipsychotika sind in kontrollierten Studien auf ihre Wirksamkeit bei der akuten Manie untersucht worden. Aripiprazol, Asenapin, Cariprazin, Olanzapin, Paliperidon, Quetiapin, Risperidon und Ziprasidon konnten in Placebo-kontrollierten Phase-III-Studien ihre Wirksamkeit in der akuten Manie unter Beweis stellen, und sind in dieser Indikation zugelassen (Ausnahme Cariprazin, hier besteht zurzeit nur eine FDA-, aber keine EMA-Zulassung für die Maniebehandlung). Einige andere (Amisulprid, Clozapin, Iloperidon, Zotepin) ließen in offenen Studien antimanische Wirksamkeit vermuten, ohne dass diese in Phase-III-Studien weiter verfolgt wurde [5, 20]. Als eine der wenigen Ausnahmen konnte Brexpiprazol trotz Erfolg versprechender offener Studien den Nachweis der antimanischen Wirksamkeit in Phase-III-Studien nicht erbringen. Lurasidon hingegen wurde nur in der Indikation bipolare Depression umfangreich untersucht (siehe dort).

Gemischte Episode der bipolaren Störung

Gemischte Episoden, obgleich schon zu Kraepelin’s Zeiten gut beschrieben, haben hinsichtlich der Therapieforschung lange ein Schattendasein geführt. Evidenzbasierte Daten existieren fast ausschließlich nur zu manisch-gemischten Episoden, wobei diese Patienten als Subgruppe in den kontrollierten Maniestudien mitliefen, aber oft in zu geringer Zahl, um eine getrennte Auswertung zu ermöglichen. Dies steht im deutlichen Gegensatz zur Häufigkeit und klinischen Bedeutung von Mischzuständen. Eine große französische Feldstudie, die sogenannte „EPIMAN- und EPIDEP-Studie“ zeigte, dass mindestens 40 % aller manischen Patienten die Kriterien eines Mischzustands im Sinne einer dysphorischen gemischten Manie erfüllen. Umgekehrt sind auch nur etwa ein Drittel aller bipolar depressiven Patienten ohne zeitgleiche Symptome einer Manie; auch hier erfüllen 15 % DSM-IV-Kriterien einer gemischten Episode, bei Anwendung des DSM-5 „Mixed Specifier“ noch deutlich mehr [19].

Antiepileptika

Valproinsäure und Derivate. Auch wenn Valproinsäure oft als Behandlung der ersten Wahl für Mischzustände empfohlen wird, so ist die kontrollierte Evidenz gering. Die Post-hoc-Analyse einer kontrollierten Maniestudie, in der Valproinsäure, Lithium und Placebo verglichen wurden, ergab bei den 103 Patienten mit gleichzeitiger depressiver Symptomatik, ein besseres Ansprechen von Valproinsäure im Vergleich zu Lithium. Allerdings zeigte sich kein signifikanter Vorteil von Valproinsäure gegenüber Placebo in dieser Subgruppe, sodass die Zuverlässigkeit dieses Ergebnis nur schwer einzuordnen ist.

Carbamazepin und Derivate. Eine kombinierte Post-hoc-Analyse zweier randomisierter kontrollierter Studien (RCTs) mit identischem Design untersuchte das Ansprechen auf Carbamazepin vs. Placebo bei 280 manischen und 147 gemischt-manischen Patienten (gemäß DSM IV). Die Gruppe der gemischten Patienten zeigte signifikante Symptomreduktion sowohl für manische als auch depressive Symptome. Ansonsten existieren zur Akutbehandlung von Mischzuständen mit Carbamazepin nur Kasuistiken bzw. offene Untersuchungen an kleinen Fallzahlen, die widersprüchliche Ergebnisse liefern; der oft propagierte Wirkvorteil gegenüber Lithium bei Mischzuständen ließ sich beispielsweise nicht belegen.

Lamotrigin. Kontrollierte Studien zu Lamotrigin bei bipolaren Mischzuständen sind bisher nicht publiziert [19] und auf der Webpage clinicaltrials.org auch nicht hinterlegt, sodass keine Aussage zu einer Wirksamkeit möglich ist.

Atypische Antipsychotika

Frühe Fallberichte zu Clozapin bei zuvor therapieresistenten Patienten mit Mischzuständen berichteten von deutlicher Wirksamkeit. Eine gepoolte Post-hoc-Analyse der beiden Phase-III-Studien zu Olanzapin bei akuter Manie oder Mischzuständen ergab, dass kein Wirkunterschied zwischen Patienten mit typischen Manien und Mischzuständen besteht. Eine spätere kombinierte Post-hoc-Analyse bezog noch eine weitere kontrollierte Studie mit ein. Olanzapin war dabei Placebo sowohl in der Reduktion manischer als auch depressiver Symptomatik signifikant überlegen [39]. Eine weitere prospektive Kombinationsstudie mit Valproinsäure, die ausschließlich an Patienten mit Mischzuständen durchgeführt wurde, bestätigte nochmals diese Ergebnisse.

Im Vergleich zu Olanzapin ist die Evidenz anderer atypischen Antipsychotika bei der Behandlung akuter Mischzustände deutlich geringer [18]. Post hoc ausgewertete, Placebo-kontrollierte Evidenz mit jeweils einer Studie gibt es noch für Aripiprazol, Paliperidon und Quetiapin add-on zu Lithium oder Valproinsäure für manische Mischzustände sowie für Lurasidon und Ziprasidon add-on zu einer Vorbehandlung (TAU = treatment as usual) für depressive Mischzustände [19].

Bipolare Depression

Antiepileptika

Valproinsäure und Derivate. Es existieren vier kleinere Placebo-kontrollierte Studien, die in einer Metaanalyse eine gewisse antidepressive Wirksamkeit von Valproinsäure nahelegen [36]. Drei der vier Studien flossen später in eine weitere Netzwerk-Metaanalyse ein, auch hier zeigte sich ein signifikantes Wirksamkeitssignal für Valproinsäure. Während einige Guidelines Valproinsäure als Monotherapie der bipolaren Depression empfehlen [26], sind andere aufgrund der geringen Qualität der einzelnen Studien zurückhaltender [20, 45], bzw. raten, nicht zuletzt wegen Sicherheitsbedenken, von Valproinsäure ab [9].

Carbamazepin und Derivate. Während ältere Studien zur antidepressiven Wirksamkeit von Carbamazepin bei bipolaren Störungen widersprüchliche Ergebnisse lieferten, konnte eine chinesische Studie, die primär ein naturheilkundliches Präparat untersuchte, quasi als Nebenprodukt einen kontrollierten Wirksamkeitsnachweis erbringen. Insgesamt erscheint die Studienlage jedoch als zu dürftig, um die Empfehlung einer Carbamazepin-Monotherapie bei bipolarer Depression auszusprechen [9].

Lamotrigin. Von den insgesamt fünf Phase-II-Zulassungsstudien konnte nur eine akute Wirksamkeit von Lamotrigin nahelegen, und dies auch nur in einem Sekundärparameter. Eine kombinierte Analyse der Einzeldaten aller Studien zeigte dann zwar statistische Signifikanz auch für den primären Zielparameter (Reduktion des HRDS-Punktwerts), aber mit geringer Effektstärke [13], was zusammen mit der langsamen Auftitrierung Lamotrigin als Monotherapie bei bipolarer Depression klinisch unbedeutend macht. In Kombination mit Lithium scheint Lamotrigin jedoch auch eine gewisse akute Wirksamkeit aufzuweisen [40].

Atypische Antipsychotika

Als erstes Atypikum konnte Olanzapin in der kombinierten Analyse zweier Studien bei bipolarer Depression eine gegenüber Placebo signifikant bessere Wirksamkeit in der Akutbehandlung bipolar depressiver Patienten zeigen. Ein signifikanter Vorteil gegenüber der Placebo-Behandlung zeigte sich allerdings erst ab der vierten Woche, und die Effektstärke von Olanzapin war dabei gering. Erst in der Kombination mit Fluoxetin zeigte sich in den Studien ein deutlicher, auch klinisch relevanter antidepressiver Effekt [37].

Quetiapin wurde in insgesamt fünf doppelblinden und Placebo-kontrollierten Studien in der Indikation bipolare Depression untersucht [35]. Nicht nur in der kombinierten Analyse, sondern auch in allen Einzelstudien zeigte Quetiapin in Dosierungen von 300 und 600 mg/Tag Wirksamkeit im Placebo-Vergleich. Nur in einer weiteren Studie mit Kindern und Jugendlichen fand sich kein Wirksamkeitsnachweis.

Im Jahr 2013 wurde Lurasidon in den USA in der Indikation Monotherapie sowie Add-on-Therapie zu Lithium oder Valproinsäure bei bipolarer Depression zugelassen. In Europa erfolgte nur eine Zulassung zur Behandlung der Schizophrenie. Lurasidon wurde nach einem kurzen Intermezzo in Deutschland 2015 bereits wieder vom Markt genommen, ist aber weiterhin als Import über Apotheken beziehbar. Grundlage der Zulassung zur Behandlung der bipolaren Depression waren zwei Phase-III-Studien, eine in Monotherapie gegen Placebo sowie eine als Add-on-Behandlung zu Valproinsäure oder Lithium. In beiden 6-wöchigen Studien konnte Lurasidon Wirksamkeit zeigen. Die Effektstärke, gemessen als „Number needed to treat“ (NNT), betrug 7 und ist damit vergleichbar mit derjenigen von Quetiapin, besser als diejenige von Olanzapin-Monotherapie (NNT 11), aber geringer als diejenige von Olanzapin-Fluoxetin-Kombinationstherapie (NNT 4).

In insgesamt drei 8-wöchigen, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Phase-II- und III-Studien wurde Cariprazin hinsichtlich seiner Wirksamkeit und Verträglichkeit bei bipolarer Depression untersucht. Dabei schnitt Cariprazin in einer Dosierung von 1,5 mg/Tag gegenüber Placebo signifikant besser ab [33].

In absehbarer Zeit könnte ein weiteres atypisches Antipsychotikum, Lumateperon, in der Indikation bipolare Depression zugelassen werden. Zwei Placebo-kontrollierte, noch nicht vollständig publizierte Studien liegen gegenwärtig vor, von denen eine die Wirksamkeit nachweist. Eine Studie zur Add-on-Therapie ist noch nicht abgeschlossen. Die weitere Entwicklung bleibt daher abzuwarten.

Zusammenfassend haben von den in Deutschland im Handel befindlichen Atypika bis dato Olanzapin, Quetiapin, und Cariprazin Wirksamkeit bei bipolaren Depressionen gezeigt. Eine Netzwerk-Metaanalyse bestätigt die Wirksamkeit der genannten Atypika, nicht hingegen für Aripiprazol und Ziprasidon [32].

Kombinationstherapien mit Antidepressiva

Während verschiedenste Guidelines und Therapiealgorithmen zunächst zu einer Monotherapie mit Lithium, einem stimmungsstabilisierenden Antiepileptikum (Valproinsäure, Lamotrigin) oder atypischen Antipsychotikum (Olanzapin, Quetiapin, Lurasidon) raten (z. B. [16, 45], ist die klinische Realität, dass in den meisten Fällen mittelschwerer und schwerer bipolarer Depression zusätzlich ein Antidepressivum gegeben wird. In der Tat hat die Kombination von Olanzapin und Fluoxetin von allen medikamentösen Behandlungsregimen der bipolaren Depression die höchste Effektstärke [37]. Aufgrund des niedrigeren Risikos der Induktion eines Stimmungsumschwungs (TEAS) in die (Hypo-)Manie sind dabei zunächst SSRI oder Bupropion gegenüber SNRI oder trizyklischen Antidepressiva vorzuziehen. Neuere Untersuchungen zeigen allerdings, dass zumindest bei Bipolar-II-Patienten ohne ein Rapid-Cycling ein zusätzlicher Schutz gegen einen TEAS nicht unbedingt erforderlich ist, sondern auch eine SSRI-Monotherapie vertretbar sein kann [1].

Erhaltungstherapie und Prophylaxe

In der Langzeitbehandlung bipolarer Störungen ist es sinnvoll, zwischen einer Erhaltungstherapie (continuation/maintenance) und einer Phasenprophylaxe de novo zu unterscheiden. Eine Erhaltungstherapie erfolgt mit der Medikation, die sich in der Akutphase als erfolgreich herausgestellt hat, gemäß dem Motto „what gets you well, keeps you well“. Kontrollierte Studien zur Phasenprophylaxe zeigten, dass ein gutes Ansprechen in der Akuttherapie wichtigster Prädiktor auch für die Langzeitwirkung eines Medikaments ist. Studien zur Erhaltungstherapie dauern im Regelfall 26 Wochen bis maximal ein Jahr. Studien zur Phasenprophylaxe hingegen starten in dem symptomfreien Intervall und das zu untersuchende Medikament kann, muss aber nicht, zuvor Wirksamkeit in der Akutbehandlung gezeigt haben. Die Studien zu Lamotrigin in der Langzeittherapie (s. u.) beinhalten Elemente sowohl von Erhaltungstherapie als auch Prophylaxe. Hier erfolgte vor Beginn der Prophylaxe-Behandlung eine Selektion nicht nach Wirksamkeit, sondern nach Verträglichkeit von Lamotrigin im Rahmen einer vorgeschalteten offenen Behandlungsphase. Reine Prophylaxe-Studien existieren eigentlich nur für Lithium und Carbamazepin. Valproinsäure und die atypischen Antipsychotika hingegen wurden primär nur als Erhaltungstherapie untersucht.

Antiepileptika

Valproinsäure und Derivate. Eine Rückfall-verhütende Wirksamkeit von Valproinsäure wurde durch einige nichtkontrollierte Studien nahegelegt [21]. Eine kontrollierte Prophylaxe-Studie über die Dauer eines Jahres verglich Valproinsäure, Lithium und Placebo in der Langzeittherapie. Eingeschlossen wurden Patienten mit einer vorausgegangenen Akutphase, die nach Remissionen einem der drei Arme zugeteilt wurden. Die Studie ist rückwirkend als eine „failed study“ zu betrachten, da sich Valproinsäure, aber auch Lithium, nicht von Placebo in der „Survival“-Analyse hinsichtlich der Zeit bis zu einer neuen Episode unterschieden. Post-hoc-Auswertungen zeigten interessanterweise einen leichten, aber signifikanten Effekt für Valproinsäure in der Verhütung neuer depressiver, aber nicht manischer Episoden. Erst bei Plasmaspiegeln > 75 mg/l war Valproinsäure dem Placebo sowohl in der Verhütung depressiver als auch manischer Phasen überlegen. Eine weitere Studie verglich die Wirksamkeit von Valproinsäure und Olanzapin in der Erhaltungstherapie über 47 Wochen. Olanzapin erwies sich als numerisch, aber nicht statistisch signifikant besser als Valproinsäure hinsichtlich der Zeit bis zur Remission und dem Anteil der Patienten mit einem Rückfall innerhalb der 47 Wochen. Somit kann die Studie auch nur als indirekter Hinweis auf eine Wirksamkeit von Valproinsäure gelten.

Basierend auf diesen beiden Studien sowie weiteren kleineren Untersuchungen und dem häufigen klinischen Gebrauch, erfolgte 2005 eine Zulassung für Valproinsäure zur Langzeittherapie bipolarer Störungen durch das BfArM. In der Folgezeit zeigte jedoch insbesondere die groß angelegte naturalistische Balance-Studie [14], dass Valproinsäure in der Langzeittherapie eine allenfalls beschränkte Wirksamkeit aufweist. In dieser randomisierten Studie erwies sich eine Lithium-Prophylaxe als signifikant besser als eine Prophylaxe mit Valproinsäure in Monotherapie, und auch die Kombination von Lithium und Valproinsäure zeigte keine statistisch signifikante Überlegenheit gegenüber der Lithium-Monotherapie. Aufgrund dieser neueren Studienerkenntnisse wurde die Evidenzlage für eine Erhaltungstherapie/Prophylaxe mit Valproinsäure als insgesamt zu schwach angesehen, um eine Zulassung für die Langzeitbehandlung bipolarer Störungen in Deutschland aufrecht zu erhalten. Hinzu kamen zunehmende Bedenken über die Langzeitnebenwirkungen einer Valproinsäure-Therapie bei schwangeren Frauen, die über die bereits langbekannte Teratogenität und das Syndrom polyzystischer Ovarien (PCOS) hinausgingen (s. Kapitel „Unerwünschte Wirkungen und Gegenanzeigen“). Insgesamt kann also eine primäre Prophylaxe mit Valproinsäure von der Evidenzlage her nicht empfohlen werden, eine Erhaltungstherapie nach erfolgreich behandelter manischer oder depressiver Episode nur mit Einschränkungen [9]. Letztere ist wiederum strenggenommen als eine Off-Label-Behandlung anzusehen, kann aber bei guten Respondern in der Akutbehandlung nach entsprechender Aufklärung erwogen werden (Ausnahme Frauen im gebärfähigen Alter).

Carbamazepin und Derivate. Carbamazepin hat in Deutschland eine arzneimittelrechtliche Zulassung als Prophylaxe bipolarer Störungen bei Patienten, die auf Lithium keine Besserung gezeigt haben bzw. Lithium nicht vertragen haben. Grundlage dieser Zulassung sind frühe Untersuchungen japanischer und europäischer Gruppen, die in kleinen, aber Placebo- oder Lithium-kontrollierten Studien eine Wirksamkeit von Carbamazepin als Phasenprophylaxe zeigten [21]. Eine weitere Studie, in der Lithium und Carbamazepin doppelblind über zwei Jahre verglichen wurden, zeigte eine bessere Wirkung für Carbamazepin in den ersten acht Monaten der Behandlung. Im weiteren Verlauf ließ die prophylaktische Wirksamkeit von Carbamazepin jedoch stetig nach, sodass in dieser Studie am Ende Lithium erfolgreicher war. Unterstützt wird dies von einer weiteren größeren Untersuchung in einem randomisierten, aber offenen Design, der sogenannten MAP-Studie. Während in dieser Studie Lithium gegenüber Carbamazepin bei typischen Verläufen von Bipolar-I-Störungen signifikant besser in der Rezidivprophylaxe abschnitt, erschien Carbamazepin tendenziell besser wirksam (aber nicht signifikant) bei Patienten mit atypischen Verläufen inklusive gemischter Indexepisode. Dies ist auch der Bereich, in dem Carbamazepin klinisch am häufigsten eingesetzt wird. Insgesamt spielt es jedoch aufgrund seiner Verträglichkeitsprobleme sowie seines hohen Interaktionspotenzials nur noch eine untergeordnete Rolle in der Langzeittherapie bipolarer Störungen mit einem geringen Empfehlungsgrad [9].

Zu Oxcarbazepin als Langzeittherapie existieren keine RCTs, die beste Evidenz ist eine kleine, offene Studie gegen Lithium, die vergleichbare Wirksamkeit suggeriert.

Lamotrigin. Seit Oktober 2003 ist Lamotrigin in Deutschland zur Prävention depressiver Episoden bei Patienten mit bipolaren Störungen zugelassen, in anderen Staaten, so den USA, auch generell zur Verhütung neuer bipolarer Episoden. Die Zulassungsstudien zeigten allerdings, dass Lamotrigin hauptsächlich vor neuen depressiven Episoden schützt; die Manie-prophylaktische Wirksamkeit scheint eher ein Epiphänomen zu sein – dadurch, dass man Depressionen verhütet, vermindert man bei manchen Patienten auch die Anzahl möglicher (hypo)manischer Nachschwankungen. In der Kombinationstherapie mit Lithium scheint Lamotrigin zusätzliche prophylaktische Wirksamkeit zu haben. Eine Wirksamkeit von Lamotrigin ließ sich auch in einer randomisierten, Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie über 26 Wochen bei Patienten mit Bipolar-I- und Bipolar-II-Störungen mit Rapid-Cycling belegen. Der Verbleib in der Studie, der primäre Zielparameter, war dabei bei Bipolar-II-Rapid-Cycling-Patienten höher als bei Bipolar-I-Patienten.

Atypische Antipsychotika

Fast alle atypischen Antipsychotika, die in der Indikation akute Manie oder bipolare Depression untersucht wurden, sind mittlerweile in der Erhaltungstherapie nach einer akuten Episode in kontrollierten Studien getestet worden. Im Placebo-Vergleich konnte dabei Olanzapin bei Patienten, die zuvor in der akuten Manie oder einem Mischzustand auf Olanzapin ansprachen, in drei Studien Wirksamkeit in der Rückfallverhütung nachweisen. Zusätzlich konnte es im direkten Vergleich mit Valproinsäure sowie Lithium gleiche Wirksamkeit hinsichtlich der Verhütung von Rückfällen bzw. Zeit bis zu einem Rückfall nachweisen. Auch als Add-on-Therapie zu Lithium oder Valproinsäure traten unter Olanzapin signifikant weniger Rückfälle als unter Placebo auf [21].

Quetiapin in Monotherapie sowie in Kombination mit einem Stimmungsstabilisierer (Lithium oder Valproinsäure) konnte in insgesamt vier kontrollierten Studien ebenfalls Überlegenheit gegenüber der Placebo-Behandlung hinsichtlich einer Rückfallverhütung, sowohl für manische als auch depressive Episoden, nachweisen [3].

Auch Aripiprazol, Asenapin, Risperidon und Paliperidon wurden in Monotherapie, teils auch in Kombination mit Lithium oder Valproinsäure hinsichtlich einer rückfallprophylaktischen Wirksamkeit gegen Placebo untersucht, zum Teil allerdings mit sehr kurzer Studiendauer (26 Wochen). Zu Ziprasidon hingegen gibt es kontrollierte, positive Langzeitdaten nur in Kombination mit Valproinsäure oder Lithium. In den Studien konnte eine Wirksamkeit in der Verhinderung eines Rückfalls in die manische Episode gezeigt werden. Ein Einfluss auf das Auftreten neuer depressiver Episoden konnte von den zuletzt Genannten allerdings nur für Asenapin nachgewiesen werden. Zu Lurasidon-Monotherapie gibt es nur eine offene Verlaufsuntersuchung nach einer akuten Episode, die in erster Linie dem Nachweis der Sicherheit des Medikaments diente; eine kontrollierte Add-on-Studie zu Valproinsäure oder Lithium konnte keinen signifikanten Vorteil von Lurasidon gegenüber Placebo nachweisen [3, 12, 21].

Bei allen genannten Studien handelt es sich um Erhaltungstherapie-Studien, das heißt, es wurden nur Patienten untersucht, die zuvor auf das entsprechende Medikament eine akute Response gezeigt haben. Phasenprophylaktische De-novo-Wirksamkeit wurde bei den Antipsychotika nicht untersucht, mit einer Ausnahme, nämlich Olanzapin [43]. Hier konnte für Olanzapin auch eine phasenprophylaktische Wirksamkeit bei bipolaren Patienten nachgewiesen werden.

Für den klinischen Alltag bedeutet dies zunächst, dass die Fortführung eines akut wirksamen Arzneimittels zumindest in den ersten Monaten einen gewissen Rückfallschutz in eine Episode gleicher Polarität bietet. Inwiefern ein langfristiger Schutz auch gegen Episoden der jeweils anderen Polarität besteht, lässt sich nicht für alle Antipsychotika eindeutig beantworten. Da aber die Polarität der Indexepisode statistisch überdurchschnittlich häufig auch die Polarität der nächsten Episode ist, ist es sicher zunächst sinnvoll, die weitere Behandlung über die Akutphase hinaus mit dem jeweiligen Medikament zu führen. Für die Langzeitprophylaxe aber ist es wichtig, sich die Polarität des Gesamtverlaufs (eher manisch oder eher depressiv) anzuschauen, um eine entsprechend langfristige Phasenprophylaxe gegebenenfalls überlappend einzuleiten.

Therapieresistenz bei unipolarer Depression

Offene Studien zeigten einen milden antidepressiven Effekt von Carbamazepin bei unipolaren Depressionen. Eine kleine, offene Studie beschreibt eine gute Wirksamkeit einer Augmentationsbehandlung mit Valproinsäure bei behandlungsresistenter unipolarer Depression (Treatment-resistant depression, TRD) [15], kontrollierte Studien gibt es aber bis dato nicht.

Von den atypischen Antipsychotika wurden als Augmentationsbehandlung bei TRD Aripiprazol (drei RCTs), Olanzapin und Quetiapin (je sieben RCTs) und Risperidon (zwei RCTs) in kontrollierten Studien getestet [23]. Alle genannten Antipsychotika zeigten Wirksamkeit, aber auch die jeweils substanzspezifischen Nebenwirkungen, sodass Nutzen und Risiken gut miteinander abgewogen werden sollten. Ein aktueller Cochrane-Review mit anderen Selektionskriterien berichtet über insgesamt elf Augmentationsstudien mit atypischen Antipsychotika (Cariprazin, Olanzapin, Quetiapin – je drei RCTs – und Ziprasidon – zwei RCTs). Auch hier ergab sich ein signifikanter Wirkunterschied für alle Atypika im Vergleich zur Placebo-Augmentation, allerdings wiederum auf Kosten vermehrter Nebenwirkungen und höherer Therapieabbruchraten [7].

Schizoaffektive Störung

Während zu Lamotrigin, Valproinsäure und Oxcarbazepin nur offene Untersuchungen existieren, wurde Carbamazepin auch in einer kontrollierten Studie in der Indikation schizoaffektive Störungen untersucht. Die bereits zitierte MAP-Studie schloss auch 90 Patienten mit schizoaffektiven Störungen ein. Eine Subgruppenanalyse ergab, dass Carbamazepin im Vergleich zu Lithium eine tendenziell, aber nicht statistisch signifikant bessere Wirksamkeit bei schizodepressiven und mehr Schizophrenie-typischen Patienten in der Prophylaxe neuer Episoden aufweist. Lithium war umgekehrt tendenziell besser bei schizomanischer Indexepisode und affektiv bipolaren Verläufen.

Auch in den Akut- und Erhaltungstherapiestudien mit atypischen Antipsychotika wurden Patienten mit schizoaffektiven Störungen eingeschlossen, wenn die psychotische Symptomatik im Vordergrund stand. Sofern Subgruppenanalysen durchgeführt wurden (oft scheiterte dies an einer zu geringen Fallzahl), ergab sich, dass eine vergleichbare Wirksamkeit in der Akut- und Langzeitbehandlung bei schizoaffektiven Störungen vorliegt. Allein Olanzapin wurde in einer eigenständigen kontrollierten Studie in der Indikation schizoaffektive Störung untersucht. Hinsichtlich der Wirksamkeit auf akute psychotische und manische Symptomatik sowie in der anschließenden Erhaltungstherapie zur Rückfallprophylaxe war dabei Olanzapin der Haloperidol-Behandlung statistisch signifikant überlegen.

Guideline-Empfehlungen zur Behandlung schizoaffektiver Störungen sind vage; es besteht dabei eine Tendenz, bei eher affektiv gefärbten schizoaffektiven Episoden mit Carbamazepin oder Valproinsäure zu behandeln, wohingegen bei vordergründiger psychotischer Symptomatik eine Behandlung mit atypischen Antipsychotika als Mittel der ersten Wahl angeraten wird.

Sonstiger Einsatz von Stimmungsstabilisierern in Off-Label-Indikationen

Valproinsäure hat außerhalb den ursprünglichen Indikationen Epilepsie und bipolare Störungen einen weit verbreiteten Off-Label-Gebrauch, der durch die Datenlage meist nur sehr unzureichend unterstützt wird. Drei Studien, darunter eine Placebo-kontrollierte sowie zwei offene Studien, scheinen einen prophylaktischen Effekt von Valproinsäure bei Panikstörungen nahezulegen. Offene Studien zeigen bei Demenzerkrankungen eine Abnahme motorischer Unruhe, Ängstlichkeit und des daraus entspringenden enthemmt-aggressiven Verhaltens unter Valproinsäure-Therapie. Dabei sollten aber die im Alter meist herabgesetzte renale Clearance und der höhere Anteil nicht-proteingebundener Valproinsäure bedacht werden, daher ist eine langsame Titration zu empfehlen.

Erstmals 1988 wurden von Sörensen Erfahrungen mit Valproinsäure in der Migräneprophylaxe beschrieben. Daran haben sich verschiedene doppelblind-kontrollierte Studien angeschlossen. Obgleich in der Indikation Migräne in Deutschland nicht zugelassen, wird Valproinsäure aufgrund der Evidenz dennoch als Mittel der nachgeordneten Wahl zur Migräneprophylaxe von der Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e. V. (DMKG) empfohlen [10].

Die Koinzidenz von bipolaren Störungen mit Abhängigkeitserkrankungen wird je nach Untersuchung zwischen 25 bis 60 % angegeben. In einer Placebo-kontrollierten Studie konnte gezeigt werden, dass Valproinsäure bei komorbider bipolarer Störung und Alkoholmissbrauch zu einer Reduktion der Trinkmenge führt. Ob Antiepileptika ähnliche Effekte bei Suchtkranken ohne Komorbidität haben, ist unzureichend untersucht. Carbamazepin wird seit mehreren Jahrzehnten beim Alkoholentzug eingesetzt. Im klinischen Bereich wurde die Wirksamkeit von Carbamazepin beim Alkoholentzug nicht nur gegen Placebo, sondern auch gegen Clomethiazol, Tiaprid, Barbiturat, oder Oxazepam getestet. Alle diese Studien sind jedoch von minderer Qualität, sodass zwei Cochrane-Reviews zu der Schlussfolgerung kamen, dass der Nutzen von Antiepileptika sowohl im akuten Entzug als auch der Entwöhnungstherapie nur sehr begrenzt ist. Ähnliches gilt für den Nutzen von Carbamazepin und Valproinsäure beim Benzodiazepin- bzw. Kokain-Entzug [28].

Insbesondere sedierende atypische Antipsychotika werden auch häufig off Label eingesetzt, so bei Schlafstörungen, Angststörungen oder aggressivem Verhalten und Impulskontrollstörungen. Auch hier ist der Einsatz meist nur unzureichend evidenzbasiert und kann in Einzelfällen zu schweren Komplikationen führen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an das erhöhte Mortalitätsrisiko dementer Patienten unter Antipsychotika.

Spezielle Patientengruppen

Kinder und Jugendliche

Bipolare Erkrankungen manifestieren sich bereits in der Adoleszenz, wenn auch zumeist nicht mit dem in der Erwachsenen-Psychiatrie typischen Verlauf und Symptomkomplexen. Oft werden die Verhaltensauffälligkeiten auch als Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) verkannt, wobei die Komorbiditätsrate zwischen beiden Erkrankungen selbst im Erwachsenenalter noch hoch ist. Valproinsäure hat in der Metaanalyse kontrollierter Studien nur fragliche Wirksamkeit bei Kindern und Jugendlichen mit akuter Manie zeigen können, die schwächer als für Risperidon einzustufen ist [22]. Gute Evidenz besteht auch für eine Wirksamkeit von Aripiprazol und Olanzapin, wohingegen Oxcarbazepin sich nicht von Placebo unterscheidet [41].

Die medikamentöse Behandlung bipolarer Störungen bei Kindern bewegt sich in Deutschland fast ausschließlich im Off-Label-Bereich. Lithium kann ab dem 12. Lebensjahr eingesetzt werden, Aripiprazol ab dem 13. Lebensjahr, wohingegen die Zulassung bei den Antiepileptika und anderen atypischen Antipsychotika erst mit dem 18. Lebensjahr gegeben ist. Eine Zulassung zur Behandlung von Kindern besteht in Deutschland nur für Risperidon, allerdings nur für aggressive Verhaltensauffälligkeiten. Ein Einsatz bei bipolaren Störungen wird explizit nicht empfohlen. Wird Valproinsäure off Label eingesetzt, so sollte zur Vermeidung von Nebenwirkungen ein langsameres Aufdosierungsschema, nämlich eine Loading-Dose von nur 10 mg/kg Körpergewicht/Tag gewählt werden. Bezüglich der endgültigen Dosierung ist zu bedenken, dass bei Kindern unter zehn Jahren die Clearance von Valproinsäure etwa 50 % höher als bei Erwachsenen liegt, sodass höhere gewichtsbezogene Dosen und damit oft ähnliche Tagesdosen wie in der Erwachsenenpsychiatrie verabreicht werden müssen.

Alterspatienten

Metaanalysen von zumeist kleinen und wenig kontrollierten Studien zeigen, dass – neben Lithium – Valproinsäure, Carbamazepin, Lamotrigin und verschiedene atypische Antipsychotika gleiche Wirksamkeit auch bei älteren bipolaren Patienten zeigen, zumeist aber auch mehr Nebenwirkungen, weswegen langsame Titration und Beachtung von Interaktionen wichtig sind. Höhere Dosierungen können daher problematisch sein, so erscheint beispielsweise Valproinsäure dem Lithium in der Wirksamkeit nur dann ebenbürtig, wenn Blutspiegel > 65 mg/l erreicht werden. Weiter ist zu beachten, dass aufgrund der geringeren renalen Elimination sowie der verminderten Plasmaproteinbindung Valproinsäure zu etwa 67 % als freie Valproinsäure vorliegt. Ein Resultat hieraus können stärkere Nebenwirkungen, insbesondere Benommenheit und Schwindel sein. Deswegen ist im Alter oft eine Dosisanpassung notwendig, die die Nebenwirkungen (aber dann oft auch die Wirkung) limitiert. Gegen eine primäre Behandlung mit Carbamazepin sprechen die bereits erwähnten vielfältigen Interaktionen mit anderen Arzneimitteln, insbesondere auch Internistika, die im Alter oft unumgänglich sind. Bei den atypischen Antipsychotika ist bei Alterspatienten mit gleichzeitiger demenzieller Erkrankung an das erhöhte Mortalitätsrisiko zu denken.

Schwangerschaft und Stillzeit

Eine Behandlung mit Valproinsäure oder Carbamazepin bei Frauen im gebärfähigen Alter sollte heutzutage eigentlich nicht mehr erfolgen, Studien zeigen allerdings, dass dies in einigen Ländern noch weit verbreitet ist. Bei Carbamazepin und Valproinsäure ist der häufigste teratogene Effekt ein Neuralrohrdefekt. Eine Spina bifida wird unter Valproinsäure-Therapie mit einer Häufigkeit von 2 bis 3 % beschrieben. Kleinere, in der Regel bis zum Schulalter nicht mehr auffallende Fehlbildungen, sowohl unter Carbamazepin als auch Valproinsäure-Therapie, können ein anomal großer Augenabstand (Hypertelorismus), tiefsitzende Ohrmuscheln oder auch eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte sein. Erniedrigte Folsäure-Konzentrationen im Serum der Schwangeren können die Häufigkeit solcher Fehlbildungen ansteigen lassen, weswegen bei Patientinnen mit anderweitig therapierefraktärer Epilepsie die prophylaktische Folsäure-Gabe mit 5 mg/Tag möglichst schon vor Schwangerschaftsbeginn empfohlen und eingeleitet wird. Bei bipolaren Patientinnen sollte gemäß der EMA-Richtlinie [11] gehandelt werden und Valproinsäure zugunsten einer weniger risikobehafteten Behandlung abgesetzt werden. Sollte eine Patientin trotzdem aus sehr speziellen Gründen eine Valproinsäure-Therapie in der Schwangerschaft fortgeführt haben, so ist vom Stillen unter Valproinsäure abzuraten. Zwar beträgt die Valproinsäure Konzentration der Muttermilch nur 1/50 der mütterlichen Serumkonzentration, jedoch kann die Substanz beim Neugeborenen aufgrund der geringeren Exkretionsleistung der Leber akkumulieren. So können in Einzelfällen durchaus „therapeutische“ Plasmaspiegel bei Kindern von Valproinsäure-behandelten stillenden Müttern erreicht werden, mit dem Risiko des in dieser Altersgruppe auftretenden letalen Leberversagens. Zudem ist unklar, ob das Stillen von Müttern unter Valproinsäure-Therapie auch einen Einfluss auf die beschriebene Entwicklungsverzögerung haben kann [27].

Für die verschiedenen atypischen Antipsychotika gelten ebenfalls Warnhinweise, meist aufgrund einer unzureichenden Datenlage für eine abschließende Beurteilung. Da aber für viele Frauen eine Schwangerschaft ohne einen medikamentösen Schutz mit einem hohen Rückfallrisiko, vor allen perinatal, einhergeht, kann ihr Einsatz nach entsprechender Aufklärung und mit Einverständnis der Patientin erfolgen. Auf Aripiprazol und niederpotente Neuroleptika sollte verzichtet werden. Für Details sei auf Teil 9 des Weiterbildungs-Curriculums („Antipsychotika“) verwiesen [34].

Unerwünschte Wirkungen und Gegenanzeigen

Antiepileptika

Einen Überblick zu dosisabhängigen, reversiblen unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) der hier besprochenen Antiepileptika gibt Tabelle 12-2. Diese treten in der Regel passager zu Therapiebeginn und gehäuft bei schneller Dosissteigerung auf. Ein Absetzen und Wechsel der Medikation ist nicht immer erforderlich, meist sind eine Dosisreduktion und ein langsameres Titrationsschema ausreichend. Dies gilt selbstverständlich nicht für die schweren, potenziell letalen UAW, wie sie bei den einzelnen Medikamenten beschrieben sind.

Tab. 12-2. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) von stimmungsstabilisierenden Antiepileptika (für die atypischen Antipsychotika sei auf Teil 9 dieses Weiterbildungs-Curriculums verwiesen [70]). Gelistet sind nur reversible UAW, die bei zumindest einem der Medikamente wiederholt beschrieben wurden. Mit Ausnahme der Störung der Hämatopoese sind die UAW in der Regel dosisabhängig und treten insbesondere zu Therapiebeginn auf. Die Tabelle enthält nicht schwerwiegende, seltene, aber potenziell letale UAW, hierzu sei auf den Text verwiesen.

UAW

Valproinsäure

Carbamazepin

Oxcarbazepin

Lamotrigin

ZNS

Sedierung

+

++

++

+

Insomnie

+

Tremor

+

(+)

+

-

Ataxie

(+)

+

+

(+)

Kopfschmerz

+

+

+

+

Kardiovaskuläre UAW

Überleitungsstörungen

(+)

(+)

Arterielle Hypotonie

(+)

(+)

Metabolische UAW

Gewichtszunahme

+

+

(+)

Hypertriglyzeridämie

+

+

Hypercholesterinämie

+

(+)

Zyklus-Unregelmäßigkeiten

+

(+)

(+)

Gastrointestinale Nebenwirkungen

Appetitverlust

(+)

(+)

(+)

(+)

Übelkeit und/oder Erbrechen

+

+

+

(+)

Obstipation

(+)

(+)

(+)

Diarrhö

+

(+)

(+)

Labor

Hyponatriämie

(+)

+

Hypokaliämie

(+)

+

Transaminasenanstieg

(+)

+

+

(+)

Störung des Blutbilds

++ (1)

(+) (1) (2) (3)

(+) (1) (2) (3)

– (3)

++ Häufig; + gelegentlich; (+) selten; – nicht oder nur in Einzelfällen beschrieben; (1): Thrombozytopenie; (2): aplastische Anämie; (3): Leukopenie

Valproinsäure

Für gewöhnlich wird Valproinsäure gut vertragen, dünndarmlösliche Produkte sind dabei vorzuziehen. Mögliche dosisabhängige akute Nebenwirkungen können neurologische Symptome wie ein Tremor oder leichte Sedierung sein; eine Thrombo- oder Leukopenie, sowie eine asymptomatische Erhöhung der Leberenzyme können kurzfristig auftreten. Diese Nebenwirkungen sind nach Absetzen von Valproinsäure reversibel. Mittel- bis längerfristig kann ein Haarausfall oder eine Veränderung der Beschaffenheit der Haare auftreten, auch dies ist reversibel. Ein Problem in der langfristigen Anwendung von Valproinsäure ist die Gewichtszunahme, die zumeist langsam, aber stetig verläuft und über die Dauer eines Jahres derjenigen von Olanzapin kaum nachsteht. Eine geschlechtsspezifische schwere Nebenwirkung bei Frauen ist das vermehrte Auftreten des Syndroms der polyzystischen Ovarien (PCOS). Zusammen mit der seit Langem bekannten erhöhten Teratogenität von Valproinsäure und der damit verbundenen hohen Rate an Missbildungen (6 % bis 16 %) [31] führte dies zur Empfehlung der EMA, auf Valproinsäure bei Frauen mit bipolaren Störungen im gebärfähigen Alter in jedem Fall zu verzichten [11]. Weiterhin ist bei Kindern von Valproinsäure-behandelten Müttern eine deutliche Entwicklungsverzögerung beobachtet worden.

Eine seltene, aber akut lebensbedrohliche Nebenwirkung unter Valproinsäure ist das idiosynkratische Leberversagen. Es ereignet sich in ungefähr 1 von 50 000 Valproinsäure-behandelten Patienten, fast ausschließlich im Kindesalter, und ist ebenfalls dosisabhängig. Eine weitere schwerwiegende und lebensgefährliche Komplikation ist die hämorrhagische Pankreatitis, die in Einzelfällen beschrieben wurde und zumeist während der ersten drei Monate der Behandlung auftritt. Schließlich sind in der Epilepsiebehandlung Einzelfälle einer reversiblen Valproinsäure-induzierten Enzephalopathie beschrieben. Regelmäßige Laborkontrollen (insbesondere Blutbild, Leberenzyme, Pankreasenzyme und Valproinsäure- sowie Ammoniak-Spiegel bei neurologischer Symptomatik) sollten daher durchgeführt werden. Kardial wird Valproinsäure in der Regel gut vertragen, bei Überdosierungen können jedoch Tachyarrhythmie, Schenkelblockbilder sowie eine Verlängerung der QTc-Zeit auftreten.

Carbamazepin und Derivate

Verträglichkeitsprobleme sind bei Carbamazepin nicht selten und das therapeutische Fenster ist kleiner als bei den anderen Stimmungsstabilisierern. Häufige Nebenwirkungen sind ZNS-Symptome, Ataxie, Übelkeit, Schwindel, Benommenheit, Erbrechen, verschwommenes Sehen und Doppelbilder. Seltener auftretende Nebenwirkungen sind Haarverlust, Photosensibilität, Polyurie, Erektionsstörungen, Kopfschmerzen, Ohrgeräusche, Mundtrockenheit und Verstopfungen. Als schwere und potenziell lebensgefährliche Nebenwirkungen können auftreten: allergische Reaktionen (Stevens-Johnson-Syndrom), Hyponatriämie, Leberversagen, Agranulozytose oder andere Blutbildungsstörungen mit erhöhtem Risiko von Blutungen. Carbamazepin ist teratogen, das geschätzte Risiko für Neuralrohrdefekte liegt zwischen 0,5 und 1 %. Daher sollte Carbamazepin während Schwangerschaften vermieden werden. Oxcarbazepin-Einnahme während der Schwangerschaft scheint zusätzlich mit einer erhöhten Autismus-Rate bei Kindern zu korrelieren [42].

Lamotrigin

Die subjektiv gute Verträglichkeit von Lamotrigin sowie ein relativer Mangel an metabolischen Nebenwirkungen (insbesondere Gewichtszunahme) machen Lamotrigin zu einer von vielen Patienten bevorzugten Wahl für die Langzeittherapie. Während der Aufdosierungsphase beschriebene Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Übelkeit und Diarrhö, die jedoch alle nicht häufiger als unter Placebo-Behandlung auftraten. Ein Hautausschlag hingegen fand sich in kombinierter Analyse der beiden randomisierten Phase-III-Langzeitstudien bei 11 % der Patienten. Dieser ist jedoch im Regelfall gutartig und selbstlimitierend. Schwere allergische Hautreaktionen, inklusive Stevens-Johnson-Syndrom, traten in den klinischen Studien bei 0,08 % der Teilnehmer bei Monotherapie und in 0,13 % bei Teilnehmern mit Kombinationstherapien auf. Über 90 % der schwerwiegenden allergischen Reaktionen wie das Stevens-Johnson-Syndrom und die toxische epidermale Nekrolyse ereignen sich in den ersten zwei Monaten der Einnahme. Hinweise für eine schwerwiegende allergische Hautreaktion sind eine Beteiligung der Schleimhäute, eine Betonung des Nackens und Oberkörpers, konfluierende rötliche geschwollene Hautausschläge, teils violett verfärbte Hautoberfläche und verhärtete Hautpartien, die auf Fingerdruck nicht weiß werden, und schließlich Allgemeinsymptome wie Fieber, grippeähnliche Symptome und Appetitverlust [24].

Während Lamotrigin in der Schwangerschaft in Dosen unter 200 mg/Tag für lange Zeit zunächst als unbedenklich angesehen wurde, zeigt sich nun, dass zumindest für Dosierungen über 200 mg/Tag und insbesondere in Kombinationstherapie mit anderen Antiepileptika ein erhöhtes teratogenes Risiko besteht. So ist beispielsweise das Risiko einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte 10- bis 24-fach erhöht, weswegen auch für Lamotrigin die Empfehlung einer zusätzlichen Folsäure-Therapie in der Schwangerschaft, wenn ein Absetzen nicht möglich ist, besteht. Auch für Lamotrigin wurde eine erhöhte Rate autistischer Kinder bei Einnahme in der Schwangerschaft beobachtet [42].

Atypische Antipsychotika

Empfehlungen zur Dosierung

Die angegebenen Dosierungen beziehen sich im Regelfall auf Monotherapien. Bei Kombinationstherapien sind zum einen additive oder sich potenzierende Nebenwirkungen, beispielsweise Sedierung, zu beachten, die eine Dosisanpassung bzw. langsamere Titration erforderlich machen können, zum anderen aber pharmakokinetische und pharmakodynamische Wechselwirkungen [8]. So beeinflussen alle drei genannten Stimmungsstabilisierer aus der Gruppe der Antiepileptika Abbau und/oder Ausscheidung der jeweils anderen Substanzen. Insbesondere Carbamazepin induziert aber auch den Abbau verschiedener Arzneistoffe einschließlich Antipsychotika und Antidepressiva, deren Metabolismus über CYP1A2, CYP2B6, CYP2C9 oder CYP3A4 abläuft. Valproinsäure interagiert über die Glucuronidierung mittels der UDP-Glucuronosyltransferase mit anderen Antiepileptika, darunter auch Lamotrigin und Carbamazepin, sowie mit Olanzapin und Clozapin, wobei das Ausmaß hier aber meist nicht klinisch relevant ist. Ebenfalls beeinflusst Lamotrigin die Serumspiegel von Carbamazepin und Valproinsäure, und vice versa, über den UDP-Glucuronosyltransferase-Abbauweg. Wichtig ist für alle drei Antiepileptika, dass sie außerdem mit hormonellen Antikonzeptiva interagieren, was zu deren Wirkungslosigkeit führen kann.

Antiepileptika

Valproinsäure

Valproinsäure ist in verschiedenen Darreichungsformen auf dem Markt: in Tablettenform, als Injektionslösung zur i. v. Applikation sowie als Tropfen und als Saft.

Am häufigsten kommen, auch aufgrund der besseren Magenverträglichkeit, retardierte Darreichungsformen von Valproinsäure zum Einsatz. Die Produktpalette umfasst hier Dragees, Kapseln und Tabletten, sowohl in magenlöslicher als auch in dünndarmlöslicher Form. Im Regelfall ist eine 2-mal tägliche Einnahme erforderlich. Retard-Formulierungen sind Mittel der Wahl in der Erhaltungstherapie und langfristigen Prophylaxe, nachdem eine entsprechende Dosisfindung mit nicht retardierten Tabletten vorausgegangen ist.

Wichtig in der Akuttherapie der Manie ist die rasche Aufdosierung von Valproinsäure: 20 bis 30 mg pro Kilogramm Körpergewicht als Tagesdosis werden empfohlen [20]. Der für die Maniebehandlung als optimal angesehene Serumspiegel liegt bei 90 bis 110 mg/l und wird so bereits am zweiten Tag der Therapie meist erreicht. Langsamere Auftitrierung von Valproinsäure in der akuten Manie scheint mit einem Wirkverlust einherzugehen.

In der Erhaltungstherapie bipolarer Störungen werden heutzutage Serumspiegelkonzentrationen im mittleren therapeutischen Bereich (70 bis 100 mg/l) empfohlen; frühere Empfehlungen von > 45 mg/l, die aus der Epilepsiebehandlung übernommen wurden, sind wahrscheinlich insuffizient.

Carbamazepin

Carbamazepin ist in Tablettenform (einschließlich Retardtabletten) und als Suspension (Saft) verfügbar. Ähnlich wie bei Valproinsäure scheint der Behandlungserfolg mit Carbamazepin bei der Manie von einem schnellen Titrationsschema abzuhängen. Empfohlene Startdosis in der stationären Maniebehandlung ist 800 bis 1000 mg/Tag, verteilt auf drei bis vier Dosen. Die für eine Maniebehandlung wichtige schnelle Aufdosierung von Carbamazepin kann durch den Einsatz von Carbamazepin-Suspension erreicht werden. Die in Studien beschriebene tägliche Maximaldosis betrug 2600 mg/Tag, hier ist aber schon mit deutlichen Nebenwirkungen zu rechnen. Nachteil der Behandlung mit Carbamazepin ist, ähnlich wie bei Lithium, das relativ enge therapeutische Fenster. Ob die in der Epilepsiebehandlung empfohlenen therapeutischen Serumspiegel von 4 bis 12 mg/l auch mit einer Wirksamkeit bei bipolaren Störungen korrelieren, wurde nie systematisch untersucht. Aufgrund der Enzyminduktion kann es zum Wirkverlust anderer (Psycho-)Pharmaka, einschließlich Carbamazepin selbst, kommen, weswegen in der weiteren Behandlung Dosisanpassungen meist erforderlich werden. Weiterhin sind Wechselwirkungen mit Valproinsäure und Lamotrigin durch Verdrängung aus der Eiweißbindung und damit einer Erhöhung der Konzentration des freien Wirkstoffs zu beachten. Insbesondere Valproinsäure kann Carbamazepin aus der Proteinbindung verdrängen, sodass bei Kombinationsbehandlung mit Valproinsäure und Carbamazepin toxische Wirkungen therapeutischer Carbamazepin-Dosierungen möglich sind.

Oxcarbazepin

Oxcarbazepin ist als Filmtablette und als Suspension erhältlich. Ähnlich wie bei Carbamazepin sollte in der Maniebehandlung eine schnelle Aufdosierung erfolgen, wobei etablierte Serumspiegel bei bipolaren Störungen nicht existieren, das heißt, der klinische Eindruck zur Wirksamkeit in Relation zu Nebenwirkungen ist allein ausschlaggebend. Serumspiegel > 35 mg/l sind in der Epilepsiebehandlung mit toxischen Nebenwirkungen assoziiert.

Lamotrigin

Sowohl in Mono- als auch bei einer Zusatztherapie soll Lamotrigin mit einer täglichen Einmaldosis von 25 mg für die ersten zwei Wochen begonnen werden. In der dritten und vierten Woche wird die Dosis auf 50 mg und in der fünften auf 100 mg/Tag gesteigert. Ab der sechsten Woche kann dann die empfohlene Zieldosis von 200 mg täglich (als Einmal- oder Zweimalgabe) verabreicht werden. Bei gleichzeitiger Gabe von Valproinsäure sind die Dosierungen jeweils zu halbieren, bei zusätzlicher Therapie mit Carbamazepin oder anderen Induktoren der Glucuronidierung zu verdoppeln. Bei Auftreten eines Hautausschlags wird empfohlen, Lamotrigin sofort abzusetzen (außer der Hautausschlag steht eindeutig nicht mit der Lamotrigin-Therapie im Zusammenhang). Hinsichtlich therapeutischer Plasmaspiegel gibt es für die Prophylaxe bipolarer Störungen keine eindeutigen Empfehlungen; der in der Epilepsiebehandlung angegebene Referenzbereich von zumeist 2 bis 10 mg/l ist wohl nicht übertragbar. Allerdings gibt es Hinweise, dass bei Rapid-Cycling-Patienten höhere Lamotrigin-Spiegel (> 10 mg/l) mit besserer Wirksamkeit korrelieren.

Atypische Antipsychotika

Die Dosierung atypischer Antipsychotika ist bei der akuten Manie weitgehend analog zur akuten schizophrenen Episode (siehe Teil 9 dieser Serie). Die empfohlenen bzw. getesteten Dosierungen bei der Behandlung bipolarer Depressionen hingegen variieren, im Schnitt sind sie geringer bzw. es erfolgt eine langsamere Titration. So war die primäre Zieldosis einer Studie zur Olanzapin-Monotherapie bipolarer Depressionen 10 mg, allerdings mit der Möglichkeit einer Dosissteigerung auf 20 mg oder Absenkung auf 5 mg/Tag [38]. Olanzapin hat allerdings in Deutschland keine Zulassung für die Indikation bipolare Depression. Die empfohlene Behandlungsdosis für das zugelassene Quetiapin beträgt bei bipolarer Depression 300 mg/Tag. Für das in Deutschland seit 2015 nicht mehr auf dem Markt befindliche, aber durch die EMA zugelassene Lurasidon wird eine Dosierung von 20 bis 80 mg/Tag bei bipolarer Depression empfohlen, also eine geringere Dosis als bei der Schizophrenie.

Interessenkonflikterklärung

HG erhielt in den letzten drei Jahren Forschungsunterstützung oder Honorare für Beratung oder Vorträge von folgenden Firmen oder Institutionen: Desitin, Gedeon-Richter, Janssen-Cilag, Recordati, Sage und Servier.

WEM: Keine Interessenkonflikte

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Priv.-Doz. Dr. med. Heinz Grunze, Zentrum für Psychiatrie, Klinikum am Weissenhof, Klinik für Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie Ost, 74189 Weinsberg, E-Mail: h.grunze@klinikum-weissenhof.de)

Univ.-Prof. Dr. Walter E. Müller, Höhenstraße 49a, 67550 Worms

Psychopharmakotherapie 2020; 27(02)