Therapeutisches Drug-Monitoring von Depot-Antipsychotika
Die Verordnungszahlen von Depot-Antipsychotika (long-acting injectable antipsychotics, LAI) sind in den letzten Jahren beständig gestiegen. Anders als bei den meisten oralen Antipsychotika, deren Anwendung oft hinsichtlich erwünschter Therapieeffektivität und Arzneimitteltherapiesicherheit durch den Einsatz von therapeutischem Drug-Monitoring (TDM) optimiert wird, ist die Bedeutung von TDM bei Depot-Antipsychotika nach wie vor unklar. Diskutiert wird eine wirkstoffspiegelgesteuerte Therapieoptimierung vor allem in der Um- und Einststellungsphase, aber auch während der Erhaltungstherapie mit einem Depot-Antipsychotikum. In einer Übersichtsdarstellung beleuchteten Schoretsanitis und Mitarbeiter mannigfaltige Aspekte von TDM bei Depot-Antipsychotika und lieferten dadurch einen praxisorientierten Leitfaden für die Anwendung von TDM als wichtigem Baustein in der Arzneimitteltherapiesicherheit bei einer Behandlung mit Depot-Antipsychotika.
Mit einem besonderen Fokus auf die Anwendung von TDM zur Therapiesteuerung und Therapiesicherheit widmet sich der vorliegende Beitrag den wesentlichen im klinischen Alltag eingesetzten Depot-Antipsychotika und verschafft einen praxisrelevanten Überblick. Dabei zeigt sich vor allem eins: Im Vergleich zu den mittlerweile gut etablierten therapeutischen Referenzbereichen oral verabreichter Antipsychotika scheinen die erwünschten klinischen Wirkungen von Depot-Antipsychotika bereits in niedrigeren Wirkstoffkonzentrationsbereichen erzielt zu werden. Dies lässt annehmen, dass grundsätzlich für Depot-Antipsychotika niedrigere therapeutische Referenzbereiche zu empfehlen sein könnten. Die bisherigen Erkenntnisse reichen aber meist noch nicht aus für eine abschließende Festlegung therapeutischer Referenzbereiche, die von denen für orale Applikationsformen abweichen. Dennoch kann TDM bei der Umstellung eines Antipsychotikums von der oralen auf die Depotformulierung helfen, weil es hierdurch besser gelingt, patientenindividuelle pharmakokinetische Eigenschaften und Einflussfaktoren bei der Einstellung und bei der Dauertherapie mit einem Depot-Antipsychotikum zu kontrollieren.
Schlüsselwörter: therapeutisches Drug-Monitoring (TDM), Antipsychotika, Depot-Antipsychotika, Arzneimitteltherapiesicherheit
Psychopharmakotherapie 2022;29:2–16.
English abstract
Clinical routine therapeutic drug monitoring for long-acting injectable antipsychotics
Originally developed for chemical restraint, long-acting injectable antipsychotics (LAIs) received over the years a completely different role in modern psychopharmacology with various benefits in the treatment of patients with schizophrenia spectrum disorders and other severe mental illnesses. Accordingly, prescription rates for LAIs grow constantly pointing out the strong need for tools to improve LAI-based treatment safety and efficacy outcomes in clinical practice. Therapeutic drug monitoring (TDM) is a clinical tool with long tradition consisting of the measurement and the interpretation of drug levels in the blood of patients; TDM evidence is quite robust in the treatment with oral antipsychotics, whereas for LAIs current knowledge is less advanced. A recent review work focusing on TDM as regular part of LAI-treatment assessed available literature to provide suggestions for the efficient TDM integration in clinical practice with LAIs. Ultimate goal of establishing TDM in the treatment with LAIs is to improve everyday aspects of efficacy, e.g. LAI dose selection optimization and safety, e.g. assessment/management of LAI-associated adverse reactions. A common principle in TDM for LAIs is the adoption of the therapeutic reference ranges that have been suggested for their oral counterparts. However, there are hints that in some cases lower antipsychotic levels in LAI-treated patients may be associated with therapeutic efficacy. Future research should address the need for more precise LAI therapeutic reference ranges, which might slightly differ from reference ranges for oral antipsychotics. Despite the need for TDM science advances, TDM remains a unique tool to account for individual patients’ characteristics and their impact on drug bioavailability in titration and long-term treatment with LAIs.
Key words: Long-acting injectable antipsychotics (LAIs); therapeutic drug monitoring (TDM); schizophrenia spectrum disorders; psychopharmacology; personalized medicine
Pharmakokinetische Interaktionen in der Psychopharmakotherapie: die Relevanz ist eine Frage des …
Pharmakogenetik zu Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit
Genetische Polymorphismen beeinflussen die Wirkstoffkonzentration von Psychopharmaka, was bereits vor mehr als 15 Jahren sorgfältig für Antidepressiva untersucht und publiziert wurde. Das Zusammenspiel aus genetischem Polymorphismus und Arzneimittelinteraktion (Drug-drug-gene interactions) wird erst seit wenigen Jahren beachtet, Ergebnisse zeigen jedoch, wie bedeutsam sich der Genotyp auf die Relevanz der Arzneimittelinteraktion auswirken kann. Das Thema wird durch Arzneimittel-Gen-Gen-Interaktionen (Drug-gene-gene interactions) noch komplexer, kann aber die hohe interindividuelle Streuung von Serumkonzentrationen gut erklären. Durch die Beachtung dieser Interaktionen ist eine präzisere Vorhersage der Serumkonzentration eines Patienten möglich. Abweichungen von dem erwarteten Ergebnis lassen dann eine bessere Suche nach exogenen und endogenen Ursachen zu, die auch zu Veränderungen der Wirkstoffkonzentration führen können. So kann die Arzneimitteltherapiesicherheit des Patienten maßgeblich erhöht werden.
Schlüsselwörter: Pharmakogenetik, Drug-Gene-Interactions, Drug-Gene-Gene-Interactions
Psychopharmakotherapie 2022;29:17–26.
English abstract
Pharmacokinetic drug interaction in the field of psychopharmacotherapy – the relevance is depending on the genotype
Drug interactions are a well-known cause of adverse drug events. Drug interaction databases can help the clinician to recognize and at the same time avoid such interactions and adverse events. However, not every interaction leads to an adverse drug event. The concentration of the drug is depending on other factors like inflammation, age, gender, pregnancy, renal or liver dysfunction AND pharmacogenetic polymorphisms. Also, if inhibitors or inducers of drug metabolizing enzymes (e. g. CYP, UGT) are added to drug therapy, phenoconversion can occur and lead to a genetic phenotype that mismatches the observable phenotype. Drug-drug-gene and drug-gene-gene interactions influence the concentration of the drug and its metabolites. To date there have been few studies published on the impact of genetic variations on drug-drug interactions. This article shows examples and evidence of drug-drug-gene interactions, as well as drug-gene-gene interactions. Phenoconversion is explained and methods to calculate the phenotype are described. Clinical recommendations are given regarding the integration of pharmacogenetic results in the assessment of the relevance of drug interactions in the future.
Key words: pharmacogenetic testing, drug-drug-gene-interactions, drug-gene-gene interactions
Das Ende der Pathologisierung des Suizids
Konsequenzen dieser Auffassung für die ärztliche/psychiatrische Praxis
Psychopharmakotherapie 2022;29:27–30.
Indikation zur Elektrokonvulsionstherapie bei Schizophrenie
Stellungnahme zu den BGH-Beschlüssen zur Elektrokonvulsionstherapie vom 15. Januar 2020 und 30. Juni 2021
Diroximelfumarat zur Therapie der RRMS
Weiterentwicklung mit verbesserter gastrointestinaler Verträglichkeit
Der seit Anfang 2022 verfügbare Wirkstoff Diroximelfumarat (DRF) zur oralen Behandlung von Erwachsenen mit schubförmig remittierender multipler Sklerose (RRMS) ist eine Weiterentwicklung von Dimethylfumarat (DMF) mit einem verbesserten Nebenwirkungsprofil zugunsten einer geringeren Rate gastrointestinaler Nebenwirkungen. Dies führt zu weniger Beeinträchtigungen der Alltagsfunktionen, weniger beruflichen Fehlzeiten sowie weniger Therapieabbrüchen. Verträglichkeits- und Wirksamkeitssdaten wurden bei einer virtuellen Pressekonferenz der Firma Biogen vorgestellt.
Multiple Sklerose
Hydroxychloroquin zur Therapie der primär progredienten multiplen Sklerose (PPMS)
Mit einem Kommentar des Autors
In einer offenen Studie mit 35 Patienten mit primär progredienter multipler Sklerose hatte eine Therapie mit Hydroxychloroquin möglicherweise einen positiven Effekt auf die Zunahme der Behinderung. Hydroxychloroquin sollte daher in randomisierten Placebo-kontrollierten klinischen Studien weiter untersucht werden.
Multiple Sklerose
Etablierte und neue Strategien bei der schubförmigen MS
Die Behandlung der multiplen Sklerose (MS) entwickelt sich weiterhin dynamisch. Dabei weitet sich auch die therapeutische Perspektive, wie in einem von Sanofi Genzyme organisierten Symposium bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie deutlich wurde. Es wird absehbar, dass etablierte Therapiekonzepte durch neue ZNS-gängige Wirkstoffe ergänzt werden. Hoffnungsträger sind die oralen Inhibitoren der Bruton-Tyrosinkinase (BTK), die zurzeit in einem Phase-II/III-Studienprogramm bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen wie der MS untersucht werden.
TOP-PRO-Studie
Propranolol versus Topiramat zur prophylaktischen Therapie der chronischen Migräne
Mit einem Kommentar des Autors
Propranolol (160 mg/Tag) war in der prophylaktischen Behandlung der chronischen Migräne ähnlich wirksam wie eine Therapie mit Topiramat (100 mg/Tag). Das wurde in einer randomisierten Studie in Indien beobachet. Das Verträglichkeitsprofil von Propranolol war dabei mit dem von Topiramat vergleichbar.
Alzheimer-Krankheit
Methylphenidat bessert die Apathie
Mit einem Kommentar des Autors
Eine randomisierte Placebo-kontrollierte Studie an 200 Patienten mit M. Alzheimer und Antriebsstörungen zeigte, dass Methylphenidat im Vergleich zu Placebo den Schweregrad der Apathie verringert.
Schizophrenie
Erfolgreiche Symptomkontrolle von der Akut- bis zur Spätphase
Aufgrund seiner pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Eigenschaften und der breiten Wirksamkeit ermöglicht das atypische Antipsychotikum Cariprazin eine umfassende Kontrolle aller relevanten Symptombereiche der Schizophrenie: von der Reduktion der Positivsymptomatik und der primären Negativsymptomatik im stationären Setting über die Verbesserung residualer Symptome, der psychosozialen Funktionalität und der Lebensqualität in der ambulanten Rezidivprophylaxe. Einen Überblick über die Einsatzbereiche gaben Experten in einem von Recordati veranstalteten Symposium im Rahmen des DGPPN-Kongresses 2021.