Multiple Sklerose

Hydroxychloroquin zur Therapie der primär progredienten multiplen Sklerose (PPMS)


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In einer offenen Studie mit 35 Patienten mit primär progredienter multipler Sklerose hatte eine Therapie mit Hydroxychloroquin möglicherweise einen positiven Effekt auf die Zunahme der Behinderung. Hydroxychloroquin sollte daher in randomisierten Placebo-kontrollierten klinischen Studien weiter untersucht werden.

Die primär progrediente multiple Sklerose (PPMS) spricht nicht gut auf immunmodulatorische oder immunsuppressive Behandlungen an. Pathophysiologisch wird eine chronische Aktivierung der Mikroglia vermutet. Das Antimalariamittel Hydroxychloroquin reduziert die Aktivität menschlicher Mikroglia und hat in vitro bei entzündlichen Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) neuroprotektive Wirkungen gezeigt.

Studiendesign

Es handelt sich um eine einarmige Phase-II-Studie, in der die Wirksamkeit von Hydroxychloroquin in einer Dosierung von 200 mg zweimal täglich über 18 Monate untersucht wurde. Ziel der Studie war es, eine Zunahme der Behinderung durch die multiple Sklerose (MS) zu reduzieren. Eingeschlossen wurden 49 Patienten mit primär progredienter MS, bei denen im Magnetresonanztomogramm keine Kontrastmittel-aufnehmenden Läsionen erkennbar waren. Der primäre Endpunkt war eine ≥ 20%ige Verschlechterung beim 25-Foot-Walk-Test, gemessen jeweils nach sechs und 18 Monaten nach Beginn der Nachbeobachtung. Auf der Grundlage früherer Studiendaten wurde bei 40 % der eingeschlossenen Patienten eine Verschlechterung der MS erwartet. Bei einer Fehlerquote von 5 % und einer Power von 80 % würde die Hydroxychloroquin-Behandlung als erfolgreich gelten, wenn bei weniger als 10 von 35 Teilnehmern eine klinisch signifikante Verschlechterung eintritt.

Ergebnisse

Von den ursprünglich 49 Patienten wurden protokollgemäß die ersten 35 mit vollständigen Daten aus der 18-monatigen Nachbeobachtung zur Endauswertung herangezogen. Es handelte sich um 22 Männer und 13 Frauen mit einem mittleren Alter von 56 Jahren. Die MS bestand im Mittel seit 9,8 Jahren und der mittlere Wert der Expanded Disability Status Scale (EDSS) betrug 5,6.

Der primäre Endpunkt der Studie wurde erreicht, da sich nur bei 8 von 35 Teilnehmern die MS innerhalb des Follow-ups verschlechterte. Bei 82 % der Studienteilnehmer wurden unerwünschte Arzneimittelwirkungen registriert. Am häufigsten waren dies Stürze, Infektionen der oberen Atemwege und Schlafstörungen. Bei sechs Patienten (12 %) kam es zu schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen.

Kommentar

Es ist immer wieder erstaunlich, dass auch schlechte Studien Eingang in hochrangige Zeitschriften finden. Es ist nachzuvollziehen, dass dringend eine Therapie für die primär progrediente MS benötigt wird. Bisher stehen nur Rituximab und Ocrelizumab zur Verfügung. In der Vergangenheit hat sich vielfach gezeigt, dass offene Studien nicht in der Lage sind, die Wirksamkeit einer neuen Therapie bei der MS zu belegen. Es ist auch nicht verständlich, warum die Studienautoren Hydroxychloroquin nicht mit Placebo verglichen haben. Es bleibt aber zu hoffen, dass zukünftig weitere, größere Placebo-kontrollierte Studien durchgeführt werden.

Quelle

Koch MW, et al. Hydroxychloroquine for primary progressive multiple sclerosis. Ann Neurol 2021;00:1–9; doi: 10.1002/ana.26239.

Psychopharmakotherapie 2022; 29(01):33-39