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EditorialProf. Dr. Hans-Jürgen Möller, München

Rückblick auf ein Vierteljahrhundert PPT

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ÜbersichtGerd Laux, Soyen/Waldkraiburg/München

25 Jahre Psychopharmaka in Deutschland

1994–2018: Welche Substanzen wurden neu zugelassen – welche sind noch verfügbar? Eine Übersicht

Das 25-jährige Jubiläum der PPT bietet Anlass zu einem Rückblick auf die in den zurückliegenden 25 Jahren (1994–2018) in Deutschland zugelassenen und in den Handel gebrachten Psychopharmaka. Insgesamt waren dies über 30 Substanzen, darunter 13 Antidepressiva und 12 Neuroleptika/Antipsychotika. Von diesen sind drei nicht mehr auf dem Markt, der Rückzug erfolgte wegen Erlöschen der Zulassung aufgrund von unerwünschten Arzneimittelwirkungen aber auch aus wirtschaftlichen Gründen (Preisfestsetzung durch AMNOG/G-BA). Wissenschaftlich wird diskutiert, wie hoch der Anteil „echter Innovationen“ und der „Me-too-Präparate“ ist. In den 90er-Jahren wurde die Entwicklung selektiv wirkender Substanzen verfolgt (SSRI, SNRI, SSNRI), zuletzt standen wieder „multimodal“ wirkende „dirty drugs“ im Zentrum. Neu eingeführt wurden transdermale, inhalative und Depot-Applikationsformen lang wirksamer atypischer Antipsychotika, aktuell wird die Gruppe von partiellen Dopaminagonisten erweitert, und in Kürze wird intranasales Esketamin zur Verfügung stehen. Weitere Substanzen mit den bekannten Wirkungsmechanismen (Neurotransmission Dopamin, Serotonin etc.) lassen keinen Fortschritt erwarten. Die Entwicklung neuer Wirkungsansätze (Immunsystem, Antikörper) impliziert angesichts fehlender valider Tiermodelle, aufwendiger Forschungsstrategien bedingt durch die Komplexität des menschlichen Gehirns und langwieriger Studien- und Zulassungsverfahren einen längeren Zyklus, sodass in absehbarer Zeit nicht mit der Einführung neuer Psychopharmaka zu rechnen sein dürfte.
Schlüsselwörter: Rückblick, Geschichte Psychopharmaka, Innovationen
Psychopharmakotherapie 2019;26:3–15.

FlaggeEnglish abstract

25 years of psychotropics in Germany. Which substances were newly approved and which are still available? An overview

To mark 25 years of PPT, an overview of psychotropic medications in Germany has been compiled. Between 1994 and 2018 a total of 30 substances were approved and put on the market, among them 13 antidepressants and 12 neuroleptic/antipsychotic drugs. Of these 30 substances three are no longer available due to approval expiration related to adverse side effects and also for economic reasons (price regulations by AMNOG/G-BA). Scientific debate argues how many of those drugs are “real innovations” and “me-too compounds”. While in the 1990s the focus was on the development of selective substances (SSRIs, SNRIs, SSNRIs) it has shifted lately to multimodal “dirty drugs”. Newly approved were medications with transdermal or inhalation application or depot delivery of long-acting atypical antipsychotics. At the moment partial dopamine agonists are being expanded and intranasal esketamine will soon be available. No further advances are expected regarding other substances with well-known mechanisms such as dopamine or serotonin neurotransmission. Developing new mechanisms (immune system, antibodies) takes longer because there are no valid animal models and the complexity of the human brain and lengthy approval procedures also require extensive research methods. Therefore, an introduction of new psychotropic substances is not expected in the foreseeable future.

Key words: retrospect, psychotropic history, innovations

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ÜbersichtRoland Wörz, Bad Schönborn

Antidepressiva bei chronischem Schmerz

Verabreichung im Rahmen personaler Medizin

Der analgetische Wert trizyklischer Antidepressiva (TCA) ist seit den 60er-Jahren bekannt. Ihre Wirkung wurde durch später entwickelte Substanzen nicht verbessert, doch ermöglichen verschiedene Wirkungs-Nebenwirkungs-Profile eine gezieltere und risikoärmere Behandlung. Bei komplexen Schmerzsyndromen mit somatischen, psychischen und sozialen Faktoren, Auswirkungen und assoziierten anderen Störungen und Erkrankungen können Antidepressiva im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts nützlich und notwendig sein. Welche Vorgehensweisen erscheinen Erfolg versprechend?
Schlüsselwörter: Schmerz, trizyklische Antidepressiva, duale Antidepressiva, SSRI, personale Schmerzmedizin
Psychopharmakotherapie 2019;26:16–23.

FlaggeEnglish abstract

Antidepressants in chronic pain – Administration in the frame of personalized medicine

Antidepressants play an important role in the treatment of chronic pain patients. In a part of them, there is a monocausal etiopathogenesis due to trauma, disease or operation. In the majority however, a complex of somatic, mental, social or job-related factors is found. Numerous chronifying processes and mal-adaptive coping-mechanisms may interact.

In the analgesic, antidepressant and anxiolytic management with antidepressants, the contingency principle is to consider: Efficacy and side effects can occur or not. Due to these facts, regular controls of the treatment course with assessment of signs and symptoms, of psychopathological features and functioning in family and job are necessary. The complexity of chronic pain syndromes in association with other disorders and diseases requires a multidimensional diagnostic procedure respecting ethical values and situational characteristics, with thorough history and careful examination, with assessing special situational influences, and reflecting possible efficacy and risk profiles.

At present, a great number of antidepressant drugs may be administered in pain syndromes, especially in association with insomnia, anxiety, depression, post-traumatic stress and other mental disorders. However, according to scientific evidence, the dual-acting pharmaceutic drugs duloxetine and milnacipran have significant advantages in the treatment of chronic pain patients.

Key words: Pain, tricyclic antidepressants, dual antidepressants, specific serotonin reuptake-inhibitors, personalized pain medicine

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OriginalarbeitSven Ulrich, Berlin, Alina Dimboiu, Kiedrich im Rheingau, Thomas Messer, Pfaffenhofen an der Ilm, und Joachim Röschke, Kiedrich im Rheingau

Behandlung therapieresistenter Depression nach Non-Response auf Tranylcypromin

Tranylcypromin (TCP) wird zur Behandlung therapieresistenter Depression (TRD) verordnet. Entsprechend gängiger Bewertungen sah man den irreversiblen Monoaminoxidase-(MAO-)A/B-Hemmer dabei häufig als eine Art „Ultima Ratio“ der pharmakologischen Depressionsbehandlung an, was vor allem auf Abschätzungen zum Nutzen-Risiko-Verhältnis, aber auch durch die früher begrenzte Zahl von Therapieoptionen begründet ist. Bei im Durchschnitt 58 % Respondern einer TCP-Behandlung in kontrollierten Studien bei TRD stellt sich die Frage, welche therapeutischen Möglichkeiten eigentlich für die Nonresponder von TCP (TCP-NR) bestehen. In einer Übersicht kontrollierter und unkontrollierter klinischer Studien von TCP bei Depression sowie Fallberichten der Fachliteratur wurde die Vorgehensweise bei TCP-NR systematisch untersucht. Im Follow-up von TCP-Studien wurden 63 und in Fallberichten 30 Behandlungen von TCP-NR gefunden. Studien speziell zu TCP-NR gibt es nicht. Die Sicht der Fachliteratur auf die Therapie von TCP-NR ist also sehr begrenzt und vor allem mit den Fallberichten auch sehr selektiv. Hervorzuheben ist eine unkontrollierte Studie mit sequenzieller TCP-Monotherapie, Augmentation von TCP und nachfolgenden Therapieschritten ohne TCP. Bei 48 Therapien von TCP-NR war augmentiertes oder kombiniertes TCP selbst weiter eingeschlossen.
Im Ergebnis der insgesamt 93 Therapien von TCP-NR wurde zu 51,6 % (n = 48) eine Response erreicht und zwar bei 36 von 48 Therapien mit TCP-Augmentationen/Kombinationen (75 %) und bei 12 von 45 Therapien ohne weiteres TCP (26,7 %). Die höhere Zahl von Respondern bei Augmentation und Kombination ist aber auf die Selektivität der Fallberichte zurückzuführen. Für die Lithium-Augmentation von TCP ist die Datenlage aber trotzdem solide, da eine gute Response auch im Follow-up von Studien gefunden wurde. In Übereinstimmung mit der Fachliteratur zu anderen Antidepressiva erscheint die Augmentation von TCP mit Antipsychotika der zweiten Generation ebenfalls als sinnvolle Option zur Behandlung von TCP-NR. Für die Therapie von TCP-NR ohne weiteres TCP kommen alle üblichen Therapieverfahren bei TRD infrage, eventuell verdient entsprechend der sequenziellen TCP-Studie die Lithium-Augmentation trizyklischer Antidepressiva (TCA) besondere Aufmerksamkeit. Es wird geschlussfolgert, dass auch nach TCP-Non-Response noch gute Therapiemöglichkeiten für Patienten mit TRD bestehen. Dabei ist es überlegenswert, die Anwendung von TCP generell nicht zu lange hinauszuzögern. Angesichts der heutzutage vielfältigen Therapiemöglichkeiten von TRD erscheint eine Einordnung des MAO-Hemmers als „Ultima Ratio“ der Depressionsbehandlung nicht mehr zweckmäßig.
Schlüsselwörter: Tranylcypromin, Depression, MAO-Inhibitor, therapieresistente Depression
Psychopharmakotherapie 2019;26:24–38.

FlaggeEnglish abstract

Therapy of treatment resistant depression after nonresponse to tranylcypromine

Tranylcypromine (TCP) is prescribed for treatment resistant depression (TRD). Often, the irreversible monoamine oxidase (MAO)-A/B inhibitor has been classified as a last resort” in the pharmacological treatment of depression according to conventional evaluations of benefit-risk ratio, perhaps partly because of a limited number of treatment options in the past. With a mean of 58 % responders of TCP-treatment of TRD in controlled studies, the question arises which therapeutic options actually occur in non-responders of TCP (TCP-NR). Therefore, the therapy of TCP-NR was investigated systematically in a review of controlled and non-controlled clinical studies of TCP in depression as well as in case reports of medical-scientific literature. Accordingly, 93 therapies of TCP-NR have been found, 63 in the follow-up of clinical studies and 30 in case reports. There are no studies designed specifically for TCP-NR. The view of medical-scientific literature to the therapy of TCP-NR is therefore limited and case reports are expected to be very selective. Special attention should be directed to a non-controlled study of sequential treatment with TCP-monotherapy and augmentation of TCP followed by treatment steps without TCP. Continuing TCP itself was included in 48 trials of TCP-NR, i. e. as an augmentation or combination of TCP. In the result of the 93 trials of TCP-NR, response was achieved in 51.6 % (n = 48), namely in 36 of 48 therapies with TCP-augmentation/combination (75 %) and 12 of 45 therapies without continuing TCP (26.7 %). The higher number of responders in augmentation and combination of TCP is explained by the selectivity of case reports. For lithium-augmentation, however, data are considered as less selective because results of the follow-up of TCP-studies are also included. Lithium-augmentation of TCP is therefore considered as a valuable option for TCP-NR. The augmentation of TCP with second generation antipsychotics for the therapy of TCP-NR also seems to be a reasonable option which is in agreement with medical-scientific literature of other antidepressants. All usual therapies of TRD may be considered for the therapy of TCP-NR without continuing TCP. Lithium augmentation of tricyclic antidepressants (TCA) may merit special attention according to the study of sequential TCP-treatment. It is concluded that there exist good chances of treatment response for the therapy of TCP-NR in TRD. It may be advised, however, not to wait too long with the application of TCP. A definition of the MAO-inhibitor as a “last resort” in the treatment of depression seems to be misguiding today because of the manifold treatment options in TRD.

Key words: tranylcypromine, depression, MAO inhibitor, treatment resistant depression

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DiskussionsforumJürgen Fritze, Pulheim

Verordnung von Neuro-Psychopharmaka

Anmerkungen zum Arzneiverordnungsreport 2018

Auch der Arzneiverordnungsreport 2018 birgt als Quelle pharmakoepidemiologischer Daten methodische Probleme, sodass sich Analysen auf Wirkstoffebene insbesondere bei den Antidementiva nicht mehr rechtfertigen. Seit Jahren imponiert das Wachstum der Verordnungen von Antidepressiva und Antikonvulsiva. Über die Jahre recht stabil zeigt sich bei der Verordnung von Psychopharmaka eine erhebliche Variabilität zwischen den Bundesländern Die Gründe bleiben unklar und warten auf Detailanalysen der – öffentlich nicht zugänglichen – Rohdaten.
Schlüsselwörter: Psychopharmaka, Antidementiva, Antiepileptika, Parkinsonmittel, Pharmakoepidemiologie
Psychopharmakotherapie 2019;26:39–41.

FlaggeEnglish abstract

Prescribing patterns of psychotropic and neurotropic drugs in Germany

Methodological concerns question the justification to base pharmacoepidemiological analyses on the Drug Prescription Report 2018 at least for antidementia drugs. The medical rational of the heterogeneity of prescribing patterns within Germany is unclear and requires in depth analyses of the raw data which are not available to the public.

Key words: psychotropic drugs, antidementive drugs, anticonvulsants, anti-Parkinson drugs, pharmacoepidemiology

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GESENT-ForumWalter Schwerdtfeger, Königswinter, Manfred Gerlach, Würzburg, Gerd Laux, Soyen, Thomas Müller, Berlin, und Peter Riederer, Würzburg

GESENT e. V.: Plädoyer für eine Neuausrichtung neuropsychiatrischer Arzneimitteltherapie

Psychopharmakotherapie 2019;26:43–4.

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Weiterbildungs-CurriculumHans-Jürgen Möller und Stefan Leucht, München

Weiterbildungs-Curriculum Psychopharmakologie/Pharmakotherapie der Psychopharmaka-Therapie in der …

Teil 6: Evidenzbasierung und Leitlinien in der Psychopharmaka-Therapie in der Psychiatrie

Konzepte und Methoden der evidenzbasierten Medizin werden in Hinblick auf die Psychopharmakotherapie vorgestellt. Möglichkeiten und Grenzen werden kritisch erörtert, unter anderem Aspekte der Definition der Evidenz und der Graduierung von Evidenz. Grundzüge und Standards der Entwicklung von Leitlinien werden beschrieben. Wichtige Leitlinien zur Psychopharmakotherapie werden erwähnt. Das Spannungsfeld zwischen EbM-orientierten Leitlinien und der Komplexität der klinischen Entscheidungsfindung wird erläutert.
Schlüsselwörter: Evidenz, Evidenzgraduierung, Leitlinien, Psychopharmakotherapie, systematisches Review
Psychopharmakotherapie 2019;26:45–56.

FlaggeEnglish abstract

Evidence-based approach and guidelines in treatment with psychopharmaceuticals in psychiatry

Concepts and methods of evidence-based medicine are presented with regard to psychopharmacotherapy. Possibilities and limitations are critically discussed, including aspects of defining and grading evidence. Principles and standards of guideline development are described. Important guidelines for psychopharmacotherapy are mentioned. The interplay between EbM-oriented guidelines and the complexity of clinical decision-making is outlined.

Key words: evidence, evidence grading, guidelines, psychopharmacotherapy, systematic review

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Arzneimittelsicherheit/AMSPHolger Petri, Bad Wildungen*

Analyse von CYP450-Wechselwirkungen: kleiner Aufwand, große Wirkung

Das Interaktionspotenzial der Stimulanzien und Nichtstimulanzien

Psychostimulanzien und die Nichtstimulanzien Atomoxetin und Guanfacin können mit Enzymen des Cytochrom-P450(CYP)-Systems interagieren (Tab. 1). Hierdurch ergeben sich Risiken für klinisch relevante Wechselwirkungen.
Psychopharmakotherapie 2019;26:57–61.

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Referiert & kommentiertMartin Wiehl, Königstein-Falkenstein

Multiple Sklerose

Selektive Immun-Rekonstitutions-Therapie mit Cladribin-Tabletten

Die Behandlung der multiplen Sklerose (MS) ist seit Herbst 2017 um einen neuen Therapieansatz bereichert worden. Mit der europäischen Zulassung von Cladribin-Tabletten (Mavenclad®) bei hochaktiven Verlaufsformen der schubförmigen MS (RMS) steht ein Behandlungsweg zur Verfügung, der gezielt, selektiv und nachhaltig in den pathologischen Autoimmunprozess eingreift. Beim 5. MS-Presseclub von Merck nahm Prof. Dr. Aiden Haghikia eine Einordnung vor und ging dabei auch auf das Thema Familienplanung von MS-Patienten ein.

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Referiert & kommentiertProf. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Amyotrophe Lateralsklerose

Zusatztherapie mit Rasagilin ohne Nutzen

Mit einem Kommentar des Autors
Bei Patienten mit amyotropher Lateralsklerose (ALS), die mit Riluzol behandelt werden, ist die zusätzliche Behandlung mit Rasagilin einer Therapie mit Placebo nicht überlegen. Das ergab eine randomisierte Phase-II-Studie, die in Deutschland durchgeführt wurde.

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Referiert & kommentiertDr. Anja Schäfer, Heppenheim

Alzheimer-Krankheit

Neue Ansätze für Diagnose und Therapie

Die Erkenntnisse zur Pathogenese der Alzheimer-Krankheit legen einen möglichst frühzeitigen Therapiebeginn nahe. An welchen Diagnose- und Therapiemöglichkeiten die Firma Roche in diesem Zusammenhang forscht, wurde bei einem Pressegespräch im Rahmen des DGN-Kongresses 2018 präsentiert.

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Referiert & kommentiertProf. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Ischämischer Schlaganfall

Keine neuronale Funktionsverbesserung durch frühe Therapie mit Citalopram

Mit einem Kommentar des Autors
Eine innerhalb von sieben Tagen nach einem ischämischen Insult beginnende Therapie mit Citalopram bei nichtdepressiven Patienten hat keinen Einfluss auf die funktionelle Erholung innerhalb von sechs Monaten. Auch auf die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse zeigte sich in der randomisierten, Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie kein Effekt.