FKBP5-Liganden: potenzielle Antidepressiva und mehr?
FKBP51-Inhibitoren
Der offenkundige Bedarf an verbesserten Therapiemöglichkeiten für die Depression kontrastiert mit dem Mangel an neuen Antidepressiva. Das Potenzial für die Arzneimittelentwicklung auf der Basis der Monoaminmangelhypothese scheint weitgehend ausgeschöpft. Das „Stressprotein“ FKBP51 hat sich in den letzten Jahren als vielversprechender Kandidat für die gezielte Entwicklung neuer Antidepressiva herausgestellt. Herausforderungen ergeben sich aus der Art der Bindungsstelle an FKBP51 und den vielfältigen Funktionen des Proteins. Letzteres könnte gleichzeitig auch eine Chance für die Entwicklung breit einsetzbarer Liganden sein.
Schlüsselwörter: Depression, FKBP5, Antidepressiva, Arzneimittelentwicklung, FKBP51, Stresserkrankungen
Psychopharmakotherapie 2022;29:78–83.
English abstract
FKBP5 ligands: potential antidepressants and more?
The obvious need for improved therapeutic option for depression contrasts the lack of new antidepressants. The potential of drug development on the basis of the monoamine deficiency hypothesis appears largely exhausted. The stress protein FKBP51 emerged in the recent years as promising candidate for the targeted development of new antidepressants. Challenges arise from the nature of the binding site on FKBP51 and the multiple functions of the protein. At the same time, the latter might be a chance for the development of ligands of versatile use.
Key words: depression, FKBP5, antidepressants, drug development, FKBP51, stress-related diseases
Absetzen von Psychopharmaka
Schwerpunkt Tranquilizer und Gabapentinoide
Der langfristige Einsatz von Tranquilizern wie Benzodiazepinen und Hypnotika wie den Z-Substanzen Zopiclon und Zolpidem wird sehr kritisch gesehen, insbesondere auch im höheren Patientenalter. Zu groß ist das Risiko für Stürze und Frakturen und auch ein möglicher kognitiver Abbau wird mit einer Dauereinnahme von Tranquilizern in Verbindung gebracht. Die Verordnungszahlen sinken erfreulicherweise seit Jahren.
Der zahlenmäßig zurückgehenden Verordnung von Benzodiazepinen und Z-Substanzen hingegen stehen stetig wachsende Verordnungszahlen der Gabapentinoide Gabapentin und Pregabalin gegenüber, für die eine missbräuchliche Anwendung vornehmlich im Falle von Pregabalin in den letzten Jahren zunehmend diskutiert wird.
Fakt ist, dass es neben dem indikationsgerechten Einsatz der hier behandelten Substanzgruppen der Benzodiazepine und Z-Substanzen sowie der Gabapentinoide bei zahlreichen Patienten zu einem nicht mehr indikationsgerechten Dauergebrauch oder zu einem missbräuchlichen Konsum bis hin zu einer Abhängigkeit kommt. Der Beitrag adressiert daher als Fortsetzung der Reihe „Absetzen von Psychopharmaka“ schwerpunktmäßig das Absetzen von Tranquilizern und Gabapentinoiden. Dabei sollte das Thema Absetzen von Psychopharmaka zunehmend in den Fokus der klinischen Psychiatrie rücken, denn nach wie vor wird zu oft aus einer eigentlichen Kurzzeitverordnung von Psychopharmaka eine teilweise langjährige Dauereinnahme.
Schlüsselwörter: Anxiolytika, Tranquilizer, Benzodiazepine, Gabapentinoide, Absetzen von Psychopharmaka, Entzugssyndrom
Psychopharmakotherapie 2022;29:84–95.
English abstract
Withdrawal of psychotropic drugs. Focus on tranquilizers and gabapentinoids
The long-term use of tranquilizers such as benzodiazepines and hypnotics such as the Z-drugs zopiclone and zolpidem is viewed very critically, especially in elderly patients. The risk of falls and fractures is too great, and possible cognitive decline is also associated with long-term use, even though the number of prescriptions has fortunately been falling for years.
In contrast to the declining prescription of benzodiazepines and Z-drugs, the number of prescriptions for the gabapentinoids gabapentin and pregabalin has been steadily increasing, and in recent years there has been an increasing discussion bout misuse, particularly in the case of pregabalin.
In addition to the on-label use of benzodiazepines, Z-drugs and gabapentinoids discussed here, the focus is on those patients who are extending the use of the drugs towards abusing them and even becoming addicted. As a continuation of the series “Discontinuation of Psychotropic Drugs”, this article focuses on the discontinuation of tranquilizers and gabapentinoids. The topic of discontinuation of psychotropic drugs should increasingly be focused in clinical psychiatry, because all too often a short-term prescription of psychotropic drugs turns into a long-term use.
Key words: anxiolytics, tranquilizers, benzodiazepines, gabapentinoids, discontinuation of psychotropic drugs, withdrawal syndromes
Psychopharmakotherapie bei Menschen mit intellektueller Entwicklungsstörung
Die Sicht von Betreuungspersonal aus stationären Wohneinrichtungen
Hintergrund: Die Psychopharmakotherapie von Menschen mit intellektueller Entwicklungsstörung (IE) wird speziell mit Blick auf die Versorgung von in institutionalisierten Wohnformen lebenden Menschen mit IE kritisch bewertet. Ziel der vorliegenden Untersuchung war die Bewertung der Qualität der Psychopharmakotherapie sowie die Identifizierung einrichtungsspezifischer Rahmenbedingungen und Faktoren, die das Ausmaß der Leitlinienadhärenz beeinflussen können. Zudem sollten aus der Versorgungspraxis heraus Anregungen zur Verbesserung der Psychopharmakotherapie erhoben werden.
Methoden: Mitarbeiter von Wohnheimen für Menschen mit IE wurden im Rahmen einer anonymen Onlinebefragung mittels selbst entwickeltem Erhebungsbogen befragt.
Ergebnisse: Die Studienteilnehmer (n = 350) beurteilten die Qualität der Psychopharmakotherapie differenziert und zum Teil sehr kritisch. Es fand sich der Hinweis, dass die Leitlinienadhärenz vielfach bereits durch die Modifikation spezifischer Rahmenbedingungen verbessert werden kann. Ergänzend wurden folgende Verbesserungsvorschläge hinsichtlich der Psychopharmakotherapie genannt: Schließen bestehender Versorgungslücken, Verbesserung des Wissensstands, stärkere Patientenzentrierung und Einbezug des Umfelds, Gewährleistung einer umfassenden Diagnostik und regelhafter Kontrollen sowie kritischer Umgang mit Psychopharmaka und Einsatz von Alternativen bzw. Ergänzungen zu Psychopharmaka.
Schlussfolgerung: Die Psychopharmakotherapie von in institutionalisierten Wohnformen lebenden Menschen mit IE kann durch die Etablierung im Rahmen aufsuchender Arztvisiten stattfindender Fallkonferenzen verbessert werden. Es bedarf darüber hinaus aber umfassender struktureller Veränderungen, um die von den Studienteilnehmern identifizierten Versorgungslücken zu schließen.
Schlüsselwörter: Intellektuelle Entwicklungsstörung, Psychopharmakotherapie, Leitlinienadhärenz, Wohnbetreuung, Onlinebefragung
Psychopharmakotherapie 2022;29:96–105.
English abstract
Psychotropic medication in adults with intellectual disability. The view of caregivers from residential facilities
Background: Psychopharmacotherapy for adults with disorders of intellectual development (ID) is subject to criticism, particularly with regard to the treatment of individuals living in residential accommodation. The aim of the present study was to assess the quality of the psychotropic medication and to identify factors that may affect adherence to existing guidelines for prescribing these drugs to adults with ID. Moreover, suggestions for the improvement of psychotropic medication were to be gathered.
Methods: We interviewed staff of residential accommodation for adults with ID using an anonymous online survey based on a self-developed questionnaire.
Results: Study participants (n = 350) assessed the quality of psychopharmacotherapy differentially and in part very critically. An improvement of psychotropic prescription was indicated through the adjustment of specific parameters. In addition, the following suggestions for improvement of psychopharmacotherapy were mentioned: Closing of existing gaps in care, improvement of knowledge, stronger patient-centeredness and inclusion of the environment, guarantee of comprehensive diagnostics and regular controls as well as critical handling of psychopharmaceuticals and the use of alternatives or supplements to psychopharmaceuticals.
Conclusion: Psychopharmacotherapy of adults with ID living in residential accommodations might be improved by establishing case conferences during outreach visits. However, comprehensive structural changes are needed to close the gaps in care identified by the study participants.
Key words: intellectual developmental disorder, psychopharmacotherapy, guideline adherence, supported accommodation, online-survey
Aducanumab – Aduhelm®: Einsatz nach negativem Votum der EMA?
Addendum: Biogen hat Zulassungsantrag zurückgezogen
Korrektur/Ergänzung in einer Tabelle
Psychopharmakotherapie 2022;29:106–7.
Zum Beitrag „Therapeutisches Drug-Monitoring von Depot-Antipsychotika“ von Michael Paulzen, Claus Liebe, Christoph Hiemke und Georgios Schoretsanitis (Psychopharmakotherapie 2022;29(1):2–16; Erratum in Psychopharmakotherapie 2022;29(2):70)
Verbessern Antidepressiva die Lebensqualität bei an Depressionen erkrankten Patienten?
Psychopharmakotherapie 2022;29:108–9.
Ausschreibung
Kritische Lektüre notwendig!
Erste Netzwerk-Metaanalyse zur medikamentösen Therapie der Panikstörung bestätigt Wirksamkeit der von den meisten Leitlinien empfohlenen Arzneimittel
Psychopharmakotherapie 2022;29:110–1.
Systematischer Review und Netzwerk-Metaanalyse
Medikamentöse Therapie von Panikstörungen
In einer Netzwerk-Metaanalyse wurden erstmals gleichzeitig Effektivität und Sicherheit verschiedener Arzneistoffklassen bei Panikstörungen untersucht. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) zeigten das günstigste Nutzen-Risiko-Profil. Innerhalb dieser Wirkstoffklasse erwiesen sich Sertralin und Escitalopram als am besten geeignet.
Trisomie 21
Fördert Memantin die kognitive Leistung bei Heranwachsenden mit Down-Syndrom?
Mit einem Kommentar des Autors
In einer randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie wurde Memantin bei 160 Jugendlichen mit Down-Syndrom untersucht. Memantin wurde gut vertragen. In einer Dosis von 20 mg/Tag wurden keine kognitionsfördernden Wirkungen festgestellt.
Morbus Parkinson
Inhalatives Levodopa verbessert Off-Phasen
Ab Mitte 2022 wird in Deutschland das erste inhalative Levodopa verfügbar sein. Es kann Patienten mit Morbus Parkinson helfen, Off-Phasen zu umgehen. Auf dem Kongress für Parkinson und Bewegungsstörungen im März 2022 stellten Experten die Ergebnisse der Zulassungsstudie vor.
Depot-Therapie ohne Latenzphase
Evolution in der Schizophrenie-Therapie
Zu den vielfältigen Gründen für den Nicht-Einsatz von Depot-Antipsychotika gehören auch Vorbehalte wegen einer zu komplexen Umstellung auf eine Depot-Therapie, bei der eine orale Begleittherapie oder zusätzliche initiale Injektionen bis zum Erreichen eines Wirkstoff-Steady-States unter dem Depot-Antipsychotikum notwendig sind. Mit Risperidon ISM® gibt es jetzt eine Option für antipsychotische Depot-Therapie, die diese Bedenken berücksichtigt.
Multiple Sklerose
Serum-Neurofilament ermöglicht Vorhersage des Krankheitsverlaufs
In der vorliegenden Studie untersuchten die Autoren, ob Serum-Neurofilament light chain (sNfL) auf Patientenebene als Biomarker für eine Langzeitvorhersage des Krankheitsverlaufs fungieren könnte. Dazu entwickelten sie eine Referenz-Datenbank und evaluierten diese im Anschluss in einer Kohortenstudie.
Multiple Sklerose
Mit Teriflunomid auch gegen die Hirnatrophie
Der Wirkstoff Teriflunomid zeichnet sich durch Wirksamkeit bei der leichten bis moderaten, schubförmig-remittierenden multiplen Sklerose (RRMS) aus. Er senkt signifikant die Schubrate und hemmt langfristig die Behinderungsprogression. Teriflunomid wirkt zugleich der bei der MS forcierten Hirnatrophie entgegen, was sich positiv auf den Erhalt der kognitiven Fähigkeiten auswirken dürfte. Die Wirkungen von Teriflunomid beleuchteten drei Experten in einer virtuellen Fachpressekonferenz von Sanofi Genzyme.