Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung

Lisdexamfetamin: Eine effektive Therapieoption ebenso für Erwachsene


Dr. rer. nat. Christine Willen, Köln

Zum fünfjährigen Jubiläum von Lisdexamfetamin (LDX; Elvanse®) diskutierten Experten aktuelle Studienergebnisse und Herausforderungen innerhalb der Therapie der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), insbesondere bei Patienten in der Übergangsphase zum Erwachsenenalter. Kinder und Jugendliche ab sechs Jahren sowie Erwachsene mit ADHS, bei denen sich eine Therapie mit Methylphenidat als unzureichend herausgestellt hat, können von Lisdexamfetamin profitieren.

Stärkste Reduktion der ADHS-Kernsymptomatik

Im Jahr der Einführung von LDX wurde eine Metaanalyse veröffentlicht, in der die Wirksamkeit und Sicherheit von verschiedenen Wirkstoffen zur ADHS-Therapie anhand von 36 randomisierten klinischen Studien mit insgesamt 3500 Patienten (Kinder und Jugendliche) analysiert worden war [1]. Verglichen wurden Monotherapien mit LDX, Methylphenidat (MPH, in unretardierter [MPH-IR] und retardierter Form [MPH-ER]), Guanfacin retard (GXR) und Atomoxetin (ATX). Innerhalb der Metaanalyse erreicht LDX über alle ausgewerteten Studien hinweg im Mittel die stärkste Reduktion der ADHS-Kernsymptomatik (ADHD-RS-IV) mit –14,98 (MPH-ER: –9,33, GXR: –8,68 und ATX: –6,88) [1].

Präferenzielles Ansprechen auf unterschiedliche Stimulanzien

Für eine individuelle und erfolgreiche Therapie ist es sehr wichtig, verschiedene Therapieoptionen zur Auswahl zu haben, wie Prof. Dr. Benno Schimmelmann betonte. Denn Patienten mit ADHS zeigen ein unterschiedliches Ansprechen auf unterschiedliche Stimulanzien wie MPH und Amfetamin (AMF). Das verdeutlichte er anhand eines vergleichenden Reviews von sechs Cross-over-Studien, die insgesamt 174 ADHS-Patienten einschlossen [2]. Des Weiteren bestätigen Langzeitdaten die Wirksamkeit und das Verträglichkeitsprofil von LDX über einen Zeitraum von zwei Jahren [3]. Als Nebenwirkungen bei Kindern und Jugendlichen werden sehr häufig verminderter Appetit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Oberbauchschmerzen und Gewichtsabnahme berichtet [4]. Rebound-Effekte werden unter LDX nur vereinzelt beobachtet [5].

Das Prodrug-Stimulans LDX wird primär in den Erythrozyten durch enzymatische Hydrolyse aktiviert. Durch Abspaltung von Lysin entsteht der aktive Wirkstoff Dexamfetamin. Die damit einhergehende, allmähliche Wirkstofffreisetzung bewirkt einen gleichmäßigen, über den Tag anhaltenden Plasmaspiegel.

Veränderte Therapiebedürfnisse in der Übergangsphase

In der Übergangsphase ins Erwachsenenalter verändern sich die Bedürfnisse und Erwartungen der Patienten an die ADHS-Therapie. So wird unter Umständen die Motivation des jugendlichen Patienten geringer oder wechselhafter, eine multimodale Therapie aus Psychoedukation, verhaltenstherapeutischen Interventionen (z. B. Verhaltenstherapie) und medikamentöser Therapie in Anspruch zu nehmen. Daher ist es besonders wichtig, Patienten in dieser Lebensphase die bewährte Unterstützung zu bieten, so Prof. Peter Greven. Das Aufgreifen altersspezifischer Anliegen an die medikamentöse Therapie, wie beispielsweise eine erwünschte längere Wirkdauer und/oder Dosisanpassungen, kann für eine kontinuierliche gute Adhärenz förderlich sein.

Der Wirkstoff LDX bietet Patienten in der Übergangsphase ins Erwachsenenalter die erforderliche Therapiestabilität und kann zu besseren Zukunftsperspektiven beitragen. Das stellte Dr. Klaus-Ulrich Oehler an einem Patientenbeispiel dar: Durch die Umstellung der Medikation von unretardiertem MPH auf LDX im Alter von 16 Jahren konnte bei dem beschriebenen, heute 19-jährigen Patienten eine Verbesserung der Kernsymptomatik und eine Stabilisierung seiner emotionalen Situation erreicht werden, sodass sein schulischer und beruflicher Werdegang nach seinen individuellen Vorstellungen verläuft.

Gemäß der Fachinformation [4] ist eine Weiterverordnung von Elvanse® nach Vollendung des 18. Lebensjahres möglich, wenn:

  • die ADHS-Symptome des Patienten im Erwachsenenalter fortbestehen.
  • Betroffene eindeutig von der Therapie mit LDX profitiert haben.
  • LDX nach Vollendung des 18. Lebensjahrs nicht erfolgreich abgesetzt werden konnte.
  • der behandelnde Arzt jährlich überprüft, ob die Weiterbehandlung tatsächlich notwendig ist.

Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können Patienten auch über das 18. Lebensjahr hinaus zulassungskonform von Elvanse® profitieren.

Weitere Informationen zur ADHS-Therapie

… finden Sie im Beitrag über Stimulanzien im Rahmen der Serie Weiterbildungs-Curriculum Psychopharmakologie/Pharmakotherapie.

Quelle

Prof. Dr. med. Benno Schimmelmann, Hamburg, Prof. Dr. med. Peter Greven, Berlin, Dr. med. Klaus-Ulrich Oehler, Würzburg, Pressekonferenz: „5 Jahre Elvanse® bei ADHS: Bilanz und Perspektiven für die Praxis“, Frankfurt a. M., 16. März 2018, veranstaltet von Shire Deutschland GmbH.

Literatur

1. Alain J, et al. Eur Child Adolesc Psychiatry 2013;26:875–97.

2. Arnold LE, et al. J Atten Disord 2000;3:200–11.

3. Coghill D, et al. CNS Drugs 2017;31:625–38.

4. Fachinformation Elvanse®; Stand: Dezember 2017.

5. López FA, et al. J Atten Disord 2017;21:52–6.

Psychopharmakotherapie 2018; 25(04):219-228