Es tut sich was!


Prof. Dr. Heinz Reichmann, Dresden

[Foto: privat]

Diese Ausgabe der Psychopharmakotherapie ist sicherlich für Neurologen und Psychiater gleichermaßen von hoher Relevanz, da sie hochaktuelle Aspekte der schnell wirkenden Antidepressiva, die Therapie der Alzheimer-Erkrankung mit monoklonalen Antikörpern sowie eine Übersicht über die Verordnung von Neuropsychopharmaka in Deutschland enthält. Ergänzt wird dies durch Rezensionen von neulich publizierten Forschungsergebnissen und Wiedergabe von Expertenmeetings.

Insbesondere auf die Zulassung monoklonaler Antikörper in der Therapie der Alzheimer-Erkrankung warten viele unserer Patienten. Nach anfänglichen Misserfolgen gibt es nun mit Lecanemab und Donanemab zwei Substanzen, die zu einer signifikanten Verlangsamung der Krankheitsprogression geführt haben. Allgemein akzeptiert wird, dass die Alzheimer-Erkrankung weitgehend mit einer Amyloid- und Tau-Pathologie erklärt werden kann. Aktuell werden Antikörper gegen Tau auf ihre Effektivität untersucht. Weiter ist die Forschung für Antikörper gegen Amyloid. In den USA wurde Aducanumab bereits zugelassen. Die Studienergebnisse wurden aber auch dort sehr kontrovers diskutiert, weil sich die Ergebnisse nicht sehr signifikant zwischen Kontrollgruppe und Therapierten unterschieden. In Europa wurde die Zulassung dieser Substanz letztlich abgelehnt. Zur Zulassung eingereicht sind nunmehr in Europa Donanemab und Lecanemab. Diener und Dodel beschreiben die Epitope und Zielstrukturen dieser beiden Substanzen neben dem noch in der Forschung befindlichen Remternetug. Die Übersichtsarbeit zeigt sehr gut nachvollziehbar den Ansatzpunkt dieser Antikörper und diskutiert die wichtigen Studien zu Aducanumab (für Europa nicht weiter relevant) sowie Lecanemab und Donanemab. Für letztere Substanzen gibt es doppelblinde Studien mit mehreren tausend Probanden, die 1 : 1 randomisiert Lecanemab i. v., Donanemab i. v. bzw. Placebo appliziert erhielten. In der Dosisfindungsstudie für Lecanemab wurde nach 12 Monaten kein signifikanter Unterschied gesehen, Glücklicherweise wurden aber auch Analysen nach 18 Monaten durchgeführt, die dann doch eine dosis- und zeitabhängige Clearance von Amyloid unter Lecanemab im PET-CT und eine geringere klinische Verschlechterung bei einigen Demenzmesswerten, verglichen mit Placebo, erbrachten. Daraufhin wurde eine 18-monatige, multizentrische, doppelblinde Phase-III-Studie durchgeführt, die ebenfalls zeigte, dass Amyloid im PET abnahm und im Liquor anstieg und sich insbesondere der primäre Endpunkt, die Veränderung der Punktzahl des CDR-SB (Clinical Dementia Rating Sum of Boxes), verbesserte. Wichtig scheint mir darauf hinzuweisen, dass 26 % der Teilnehmer infusionsbedingte Reaktionen und etwa 13 % Anomalien im MRT, d. h. Ödeme und Mikroangiopathien aufwiesen. Auch für Donanemab gibt es Studien, die bei Patienten im Frühstadium der Alzheimer-Erkrankung durchgeführt wurden. Die Substanz wurde bei 860 Patienten einmal pro Monat i. v. appliziert und mit 876 Placebo-Therapierten verglichen. Auch für Donanemab konnten eine signifikante Verlangsamung der Progression, aber auch die oben genannten Nebenwirkungen nachgewiesen werden. Es ist davon auszugehen, dass die Zulassung in Europa für Lecanemab und Donanemab ausschließlich für Patienten mit beginnender Alzheimer-Erkrankung erfolgen wird, so dass viele manifeste Alzheimer-Patienten wohl diese Therapie nicht erhalten werden. Es ergeben sich somit viele, auch ethisch kritische, Fragen, nämlich ob das Gesundheitssystem für alle Patienten mit beginnender Demenz hochpreisige Therapien anbieten kann, ob es ausreichend viele qualifizierte Infusionszentren geben wird, warum Patienten in einem etwas fortgeschrittenen Stadium nicht behandelt werden sollen und ob es ausreicht, sich auf die Amyloid-Pathologie zu konzentrieren, wo doch Tau einen mindestens ebenso wichtigen pathologischen Stellenwert für die Entwicklung einer Alzheimer-Erkrankung aufweist. Auf die Tau-Antikörpertherapie gehen die beiden Autoren dankenswerterweise ebenfalls in der noch notwendigen Kürze ein.

Ein zweites Highlight der aktuellen PPT-Ausgabe ist die Übersicht von J. Fritze über die Verordnung von Neuropsychopharmaka. Unter Bezugnahme auf den Arzneiverordnungsreport werden Verordnungsspektren, zum Beispiel die verordneten Tagesdosen an Antidepressiva oder Lithium, um einige Beispiele zu nennen, detailliert aufgeführt. Auch die Verordnungen von Psychopharmaka, die zwischen 2005 und 2015 jährlich stiegen, werden gewürdigt. Dazu kommt die Diskussion von Antidementiva, Entwöhnungsmitteln, Psychostimulanzien oder Parkinsonmitteln. Auch die Betrachtung von regionalen Unterschieden zwischen den Bundesländern wird von Fritze ausführlich dargestellt und gewürdigt. Somit können aus dieser Übersichtsarbeit sehr wertvolle Einblicke in das deutsche Therapieverhalten von Neurologen und Psychiatern gewonnen werden.

In einer Übersicht von Reif-Leonhard et al. werden schnell wirkende Antidepressiva vorgestellt. Die Notwendigkeit der Entwicklung von schnell wirkenden Antidepressiva erschließt sich aus der Tatsache, dass konventionelle Antidepressiva mehrere Wochen bis zu ihrem Wirkeintritt benötigen. 2019 wurde mit dem intranasal applizierten Es-Ketamin eine Substanz mit neuer Wirkweise, nämlich mit NMDA-Rezeptor-Antagonismus, zugelassen. Nachdem die Autoren in der PPT 2/2024 neuartige rasch wirksame Antidepressiva mit Angriff am glutamatergen System besprochen haben, gehen sie nun auf Substanzklassen wie Psychedelika, Ayahuasca, GABAerge Substanzen und opioide Substanzen ein, sodass der Leser aus dieser hervorragenden Übersichtsarbeit wertvolle Einblicke in die Fortschritte der Forschung schnell wirksamer Antidepressiva gewinnen kann.

Zusammenfassend ist sowohl für Psychiater als auch für Neurologen vieles Wertvolles aus dieser aktuellen Ausgabe der PPT zu gewinnen, sodass ich allen Lesenden eine aufregende Lektüre versprechen kann.

Liebe Leserin, lieber Leser, dieser Artikel ist nur für Abonnenten der PPT zugänglich.

Sie haben noch keine Zugangsdaten, sind aber PPT-Abonnent?

Registrieren Sie sich jetzt:
Nach erfolgreicher Registrierung können Sie sich mit Ihrer E-Mail Adresse und Ihrem gewählten Passwort anmelden.

Jetzt registrieren