Schizophrenie

Xanomelin-Trospium erfolgreich in erster Phase-III-Prüfung


Tabea Krause, Stuttgart

Als neue Therapieoption zur Behandlung der Schizophrenie wurde in der EMERGENT-2-Studie eine Wirkstoffkombination aus Xanomelin und Trospium auf ihre Effektivität und Sicherheit untersucht. Xanomelin ist der erste Vertreter einer neuen Wirkstoffgruppe und wirkt agonistisch an M1- und M4-Rezeptoren.

Die meisten bisher zugelassenen Antipsychotika wirken vorrangig über Antagonismus an Dopamin-D2-Rezeptoren und verbessern vorwiegend die Positivsymptome der Schizophrenie. Sie wirken außerdem je nach Substanz in unterschiedlichem Ausmaß antagonistisch an Muskarin-, Histamin-, Serotonin- oder/und adrenergen Rezeptoren. Dieses Rezeptorprofil trägt vor allem zu den Nebenwirkungen bei.

Inzwischen ist bekannt, dass muskarinerge Acetylcholin-Rezeptoren mit der Pathophysiologie der Schizophrenie assoziiert werden können, wodurch ein neue Zielstruktur in der Behandlung der Schizophrenie adressiert werden kann. Xanomelin ist ein oral verfügbarer Muskarin-Rezeptoragonist mit erhöhter Affinität zum M1- und M4-Rezeptor. Eine direkte Wirkung auf den D2-Rezeptor ist nicht bekannt. In zwei vorherigen, Placebo-kontrollierten klinischen Studien zur Alzheimer-Erkrankung und Schizophrenie zeigte Xanomelin bereits eine Reduktion der psychotischen Symptome und eine Verbesserung der Kognition. An Nebenwirkungen zeigten sich hauptsächlich gastrointestinale Störungen.

Zur Verminderung der peripheren muskarinergen (Neben-)Wirkungen wurde Xanomelin mit Trospium als ausschließlich peripher wirksamem Anticholinergikum kombiniert. In einer Phase-I-Studie zeigte die Kombination bereits eine 50 % niedrigere Inzidenz an Nebenwirkungen und in einer Phase-II-Studie antipsychotische Wirkung (Kasten). In der Phase-III-Studie EMERGENT-2 wurde nun die Wirksamkeit und Verträglichkeit dieser Wirkstoffkombination bei Patienten mit Schizophrenie und akuter Psychose untersucht.

Es stand in der PPT

Schizophrenie: Muskarin-Agonist Xanomelin in Kombination mit Trospium als neuer Therapieansatz? Psychopharmakotherapie 2021;28:131–2.

Studiendesign

Eingeschlossen wurden 252 an Schizophrenie erkrankte Patienten zwischen 18 und 65 Jahren, die aufgrund einer Verschlechterung der psychotischen Symptome stationär behandelt werden mussten. Die Patienten wiesen dabei einen PANSS(Positive and negative syndrome scale)-Score von 80 oder mehr Punkten auf. Ihr Clinical-Global-Impression-Severity-Score (CGI-S) lag bei vier oder mehr Punkten. Die Patienten wurden für einen Zeitraum von fünf Wochen zweimal täglich entweder mit Xanomelin-Trospium oder Placebo behandelt (Tab. 1). Die Dosis des Xanomelin-Trospium pro Gabe wurde dabei von 50 mg/20 mg an den ersten beiden Tagen auf 100 mg/20 mg an Tag 3 bis 7 erhöht. Ab Tag 8 konnte die Einzeldosis je nach Ansprechen und Verträglichkeit auf 125 mg Xanomelin und 30 mg Trospium erhöht werden.

Der primäre Endpunkt war die Änderung im PANSS-Score nach Woche 5. Die Auswertung der Behandlung erfolgte mittels modifizierter Intention-to-treat-Analyse.

Tab. 1. Studiendesign von EMERGENT-2 [nach Kaul et al.]

Erkrankung

Schizophrenie

Studienziel

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Xanomelin-Trospium bei erwachsenen Patienten mit akuter Verschlechterung der Psychose

Studientyp/-phase

Interventionsstudie, Phase III

Studiendesign

Multizentrisch, randomisiert, doppelblind, Placebo-kontrolliert

Intervention

  • Xanomelin-Trospium (n = 126)
  • Placebo (n = 126)

Primäre Endpunkte

Änderung im PANSS-Scale-Gesamtscore nach Woche 5

Sekundäre Endpunkte

  • Änderung im PANSS-Positivscore nach Woche 5
  • Änderung im PANSS-Negativscore nach Woche 5
  • Änderung im PANSS-Marder-Negativfaktor-Score nach Woche 5
  • Änderung im CGI-S-Score nach Woche 5
  • Prozentsatz der Responder auf der PANSS (≥ 30 % Verbesserung) nach Woche 5

Sponsor

Karuna Therapeutics

Studienregisternummer

NCT04659161 (ClinicalTrials.gov)

PANSS: Positive and Negative Syndrome Scale; CGI-S: Clinical Global Impression-Severity


Ergebnisse

In die modifizierte Intention-to-treat-(mITT-)Analyse gingen Daten von 117 Patienten aus der Verum-Gruppe und 119 Patienten aus der Placebo-Gruppe ein. Zu Beginn lag der PANSS-Score in der Verum-Gruppe bei 98,2 Punkten und in der Placebo-Gruppe bei 97,7 Punkten. Nach den fünf Wochen zeigte die Wirkstoffkombination eine Senkung des Scores um 21,2 Punkte, während es bei Placebo 11,6 Punkte waren. Damit zeigt sich ein signifikanter Unterschied im primären Endpunkt, der einer Effektstärke (Cohen’s d) von 0,61 entsprach. Auch hinsichtlich der sekundären Endpunkte zeigte Xanomelin-Trospium eine Überlegenheit gegenüber Placebo (Tab. 2).

Tab. 2. Ergebnisse von EMERGENT-2 mittels mITT [nach Kaul et al.]

Xanomelin-Trospium (n = 117)

Placebo (n = 119)

Unterschied
(95%-KI)

p-Wert

Primärer Endpunkt

PANSS-Score

–21,2 (1,7 %)

–11,6 (1,6 %)

–9,6 (–13,9 bis –5,2)

< 0,0001

Sekundärer Endpunkt

PANSS-Positiv-Subscore

–6,8 (0,5 %)

–3,9 (0,5 %)

–2,9 (–4,3 bis –1,5)

< 0,0001

PANSS-Negativ-Subscore

–3,4 (0,5 %)

–1,6 (0,5 %)

–1,8 (–3,1 bis –0,5)

0,0055

PANSS-Marder-Negativfaktor-Score

–4,2 (0,2 %)

–2,0 (0,5 %)

–2,2 (–3,6 bis –0,8)

0,0022

CGI-S-Score

–1,2 (0,1)

–0,7 (0,1 %)

–0,6 (–0,9 bis –0,3)

< 0,0001

PANSS-Responder

51/93 (55 %)

28/99 (28 %)

27 % (13 bis 39)

< 0,0001

mITT: modified intention-to-treat; PANSS: Positive and Negative Syndrome Scale; CGI-S: Clinical Global Impression-Severity; KI: Konfidenzintervall

Mindestens ein unerwünschtes Ereignis trat in der Verum-Gruppe bei 75 % der Patienten auf und in der Placebo-Gruppe bei 58 %. Die häufigste Nebenwirkung war Obstipation mit 21 % und 10 %, gefolgt von Dyspepsie (19 % und 8 %), Kopfschmerzen (14 % und 12 %), Übelkeit (19 % und 6 %), Erbrechen (14 % und 1 %) und erhöhtem Blutdruck (10 % und 1 %). Die meisten Nebenwirkungen traten dabei in den ersten zwei bis drei Wochen der Behandlung auf und nahmen zum Ende des Untersuchungszeitraums wieder ab.

Fazit der Autoren

In der Studie zeigte Xanomelin-Trospium gegenüber Placebo eine signifikante Verbesserung der Positiv- und Negativsymptome bei den Patienten mit akuter Psychose. Typische Nebenwirkungen zugelassener Antipsychotika traten unter der Therapie mit Xanomelin-Trospium nicht auf. Laut den Autoren hat Xanomelin-Trospium damit das Potenzial, der erste Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse in der Behandlung der Schizophrenie zu sein. Zur Bestätigung dieser These müssen die Ergebnisse der gleichartigen Studie EMERGENT-3 und der offenen EMERGENT-4 und -5 (Therapiedauer bis 52 Wochen) sowie der ARISE-Studie (Xanomelin-Trospium als Zusatztherapie bei Menschen mit unzureichendem Ansprechen auf antipsychotische Therapie) abgewartet werden.

Quelle

Kaul I, et al. Efficacy and safety of the muscarinic receptor agonist KarXT (xanomeline-trospium) in schizophrenia (EMERGENT-2) in the USA: results from a randomised, double-blind, placebo-controlled, flexible-dose phase 3 trial. Lancet 2023 Dec 14:S0140–6736(23)02190–6.

Psychopharmakotherapie 2024; 31(01):23-33