Prof. Hans-Christoph Diener, Essen
Ubrogepant ist ein oraler Calcitonin-Gene-related-Peptide(CGRP)-Rezeptor-Antagonist, der für die Behandlung von Migräneattacken in den USA zugelassen ist [1, 3]. Das Prodromalstadium ist die früheste Phase eines Migräneanfalls und zeichnet sich durch Symptome aus, die dem Auftreten der Kopfschmerzen vorausgehen. Typische Symptome der Prodromalphase sind Irritabilität, gedrückte Stimmung oder Stimmungsschwankungen, Gähnen, Müdigkeit, Schlafstörungen, erhöhter Harndrang, Verlangen nach Essen, Übelkeit, Empfindlichkeit gegenüber Licht oder Geräuschen, Konzentrationsschwierigkeiten, Schwierigkeiten beim Sprechen oder Lesen, Nackenschmerzen oder Muskelsteifheit und Hyperaktivität.
Ziel der Studie war die Untersuchung der Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von Ubrogepant 100 mg im Vergleich zu Placebo zur Verhinderung von Migräneattacken, wenn die Gabe im Prodromalstadium der Migräneattacke erfolgt.
Studiendesign
Die PRODROME-Studie war eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Cross-over-Studie an 75 Forschungszentren und Kopfschmerzkliniken in den USA. Studienteilnehmer waren Erwachsene im Alter von 18 bis 75 Jahren, die seit mindestens einem Jahr an Migräne mit oder ohne Aura litten und bei denen in der Vergangenheit zwei bis acht Migräneattacken pro Monat mit mäßigen bis starken Kopfschmerzen auftraten. Die Studienteilnehmer erhielten nach dem Zufallsprinzip entweder Placebo oder Ubrogepant 100 mg zur Behandlung des ersten Prodromalereignisses und – nach einer mindestens siebentägigen Auswaschphase – Ubrogepant oder Placebo zur Behandlung des zweiten Prodromalereignisses (Cross-over-Design). Die Teilnehmer wurden angewiesen, zu Beginn der jeweiligen Prodromalphase zwei Tabletten des Studienmedikaments einzunehmen und während der folgenden 48 Stunden auftretende Kopfschmerzen in einem elektronischen Tagebuch zu dokumentieren.
Der primäre Endpunkt war das Ausbleiben von Kopfschmerzen mittlerer oder starker Intensität innerhalb von 24 Stunden nach Einnahme des Studienmedikaments. Die Wirksamkeitsanalysen wurden mit der modifizierten Intention-to-treat-Population (mITT) durchgeführt; diese umfasste alle Teilnehmer, die innerhalb von 24 Stunden nach der Einnahme des Studienmedikaments mindestens eine Kopfschmerzbeurteilung abgegeben hatten. Die Sicherheitspopulation umfasste alle behandelten Teilnehmer, die mindestens eine Dosis des Studienmedikaments einnahmen.
Die Übergabe der Studienmedikation und die Ermittlung der individuellen Ergebnisse erfolgten verblindet. Die Personen, die die Datenanalyse nach Abschluss der Studie durchführten, waren nicht verblindet.
Ergebnisse
Zwischen August 2020 und April 2022 wurden 518 Teilnehmer für die Studie randomisiert. Die mITT-Population umfasste 477 Teilnehmer, die Sicherheitspopulation 480 Teilnehmer (421 [88 %] weiblich und 59 [12 %] männlich). Das Ausbleiben von mittelschweren oder schweren Kopfschmerzen innerhalb 24 Stunden nach einer Dosis der Studienmedikation wurde
- bei 190 (46 %) von 418 Prodromalereignissen nach Behandlung mit Ubrogepant und
- bei 121 (29 %) von 423 Prodromalereignissen nach Behandlung mit Placebo
registriert (Odds-Ratio 2,09; 95%-Konfidenzintervall 1,63–2,69; p < 0,0001).
Unerwünschte Ereignisse innerhalb von 48 Stunden nach Verabreichung des Studienmedikaments wurden nach 77 (17 %) von 456 mit Ubrogepant behandelten Prodromalereignissen berichtet und nach 55 (12 %) von 462 Ereignissen, die mit Placebo behandelt worden waren.
Kommentar
Es handelt sich hier um die erste große randomisierte und Placebo-kontrollierte Studie zu der Frage, ob das Auftreten von mittelschweren oder schweren Kopfschmerzen innerhalb der kommenden 24 Stunden verhindert werden kann, indem ein Medikament, das zur Behandlung akuter Migräneattacken dient, bereits während der Prodromalphase gegeben wird. Die Studie, die 477 Teilnehmer einschloss und die im Cross-over-Design durchgeführt wurde zeigt, dass nach der Einnahme von 100 mg Ubrogepant bei 46 % der Patienten keine mittelschweren und schweren Kopfschmerzen innerhalb der nächsten 24 Stunden auftraten. Der entsprechende Wert unter Placebo betrug 29 %. Dieser Unterschied war statistisch signifikant. Voraussetzung für die Teilnahme an der Studie war, dass die Patienten Prodromalsymptome relativ zuverlässig erkannten; dafür mussten die Patienten in einer zweimonatigen Screeningphase 3 bis 16 Prodromalphasen dokumentieren, die in mindestens 75 % der Fälle innerhalb von einer bis sechs Stunden Kopfschmerzen zur Folge hatten.
Im Moment ist allerdings völlig ungeklärt, ob sich die Ergebnisse dieser Studie auch auf andere Medikamente zur Akuttherapie der Migräne übertragen lassen, wie Triptane, die anderen Gepante oder Lasmiditan. Es gab eine kleine Studie, die nahelegte, dass Naratriptan wirksam sein könnte, wenn es während der Prodromalphase gegeben wird [2].
Quelle
Dodick DW, et al. Ubrogepant for the treatment of migraine attacks during the prodrome: a phase 3, multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, crossover trial in the USA. Lancet 2023;402:2307–16, https://doi.org/10.1016/S0140-6736(23)01683-5.
Literatur
1. Dodick DW, et al. Ubrogepant for the Treatment of Migraine. N Engl J Med 2019;381:2230–41.
2. Luciani R, et al. Prevention of migraine during prodrome with naratriptan. Cephalalgia 2000;20:122–6.
3. Voss T, et al. A phase IIb randomized, double-blind, placebo-controlled trial of ubrogepant for the acute treatment of migraine. Cephalalgia 2016;36:887–98.
Psychopharmakotherapie 2024; 31(01):23-33