Sind Tierversuche für die Psychopharmaka-Entwicklung noch zeitgemäß?


Georg Juckel und Nadja Freund, Bochum

Die stetige Entwicklung von neuen Forschungsmethoden zum Beispiel im Bereich der Zellkultur und das grundsätzlich stärker werdende Interesse der Gesellschaft am Tierwohl stellen den Einsatz von Tierversuchen zur Entwicklung von Medikamenten, speziell von Psychopharmaka, in Frage. Tierversuche haben Vor- und Nachteile, die auch bei kritischer Diskussion nie vollständig zufriedenstellend miteinander abgewogen werden können. In diesem Artikel werden Alternativen zum Tierversuch aufgezeigt, jedoch auch deren Einschränkungen diskutiert. Fortschritte in den Neurowissenschaften allgemein und speziell die der Therapie von psychischen Erkrankungen, die oftmals durch den Einsatz von Tierversuchen erlangt wurden, werden vorgestellt. Außerdem sollen drei Beispiele aus der aktuellen Forschung Einblicke in die Methoden und den Nutzen von tierexperimenteller Forschung in der Psychiatrie geben. Vor diesem Hintergrund kann abwägend eine Einschätzung getroffen werden, wann, warum und unter welchen Voraussetzungen Tierversuche in der Psychopharmaka-Entwicklung noch zeitgemäß sind.
Schlüsselwörter: Nager, Alternativen, Medikamente
Psychopharmakotherapie 2024;31:15–22.

Der Fortschritt in der Methodenentwicklung der letzten Jahrzehnte hat auch die Entwicklung von Psychopharmaka beeinflusst. Hierbei ist die Arbeit mit Tiermodellen, insbesondere an großen Säugetieren rückläufig und teilweise sogar nicht mehr gestattet. Durch den Gebrauch von Zellkulturen, Computermodellen und humanen Omics-Daten soll die Verwendung von Nagetieren wie Ratten und Mäusen reduziert werden [15]. Grundsätzlich stehen Tierversuche unter starker Beobachtung entsprechender Behörden, aber auch der Öffentlichkeit, zum Beispiel durch Initiativen gegen Tierversuche. Zudem ist bei der Durchführung von Tierversuchen zwischen akademischen Fragestellungen und der Entwicklung eines Produkts, zum Beispiel eines Medikaments, zu unterscheiden. Ähnlich wie bei Kosmetikartikeln, die in der Europäischen Union nicht mehr vertrieben werden dürfen, wenn sie im Tierversuch getestet wurden, wird der Einsatz von Tierversuchen bei der Entwicklung von Pharmaka hinterfragt. Jedoch muss hierbei bedacht werden, dass neben den akademischen Tierversuchen zur Klärung grundsätzlicher wissenschaftlicher Fragestellungen auch gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche zur Untersuchung der Verträglichkeit von Medikamenten durchgeführt werden. Kritisch stellt sich auch die Frage, inwiefern die Verlagerung der präklinischen Entwicklung von Medikamenten ins Ausland bzw. Drittländer, in denen die Gesetzgebung möglicherweise weniger restriktiv ist, dem gewünschten Ziel eines abgewogenen Verwendens von Tierversuchen entspricht.

Vorgehen bei der Entwicklung von Psychopharmaka

Bei der Entwicklung von Psychopharmaka werden zunächst – und das ist sicherlich weiterhin sinnvoll – Methoden der organischen Chemie und Informatik angewendet. Dafür gibt es entsprechende chemische Datenbanken [1] und sogenanntes „In-silico-Modelling“ [24], bei dem aussichtsreiche Moleküle digital modelliert werden. In dann folgenden Zellkultur-Experimenten können die möglicherweise aussichtsreichen Substanzen näher untersucht werden. Hier finden entweder einzelne Zelllinien, die zum Beispiel von pluripotenten Stammzellen ausgehen, oder Gewebeschnitte, die Tieren entnommen wurden, Anwendung. An diesen Modellen können Rezeptorprofile und Wirkungsmechanismen einschließlich der nachgeschalteten Signalwege (sekundäre/tertiäre Messenger) untersucht werden. Darüber hinaus werden hier bereits Toxizitätsaspekte näher geprüft. Allein in diesen Schritten werden zahlreiche Moleküle für die weitere Betrachtung als neues Psychopharmakon verworfen.

In den letzten Jahren hat sich eine weitere Stufe der näheren Charakterisierung von Substanzen herausgebildet, nämlich deren Untersuchung in sogenannten Organoiden [36]. Organoide sind Organ- und Teilorgansysteme. Diese können zum Beispiel aus Gewebezellen von Organen wie Herz, Darm, Gehirn oder Haut als organähnliche Mikrostruktur mit Methoden der Zellkultur gezüchtet werden. Ihr großer Vorteil besteht in der Beobachtung der Wirkung von Substanzen auf gewachsene Zellverbände, sodass damit schon erste Einschätzungen zu den systemischen Auswirkungen eines potenziellen Medikaments auf ein Organ getroffen werden können. Zusätzlich können in Organoiden noch besser Verträglichkeitsaspekte geprüft werden. Organoide stellen heute die höchste Stufe der „Simulation“ der Realbedingungen in einem Organismus dar. Weiter gehende Untersuchungen zum Beispiel hinsichtlich von Effekten auf den ganzen Körper oder das Verhalten sind mit den aktuell vorhandenen Methoden nicht möglich.

Dementsprechend kann in der Regel bei der Entwicklung von Psychopharmaka oder wissenschaftlichen Fragestellungen nur der „große Sprung“ in den Ganzkörperorganismus, sei es in vivo oder ex vivo, folgen. Gerade im Ganzkörperorganismus ist die Interaktion eines Organs mit den anderen Organen und im gesamten Körper besonders gut zu untersuchen. Natürlich steht in Bezug auf psychotrope Substanzen die Wirkung auf das Gehirn im Vordergrund. Diese Substanzen wirken jedoch auch am peripheren Nervensystem, an den Blutgefäßen bis hin zum sogenannten „Darmgehirn“. Insofern kann das Gehirn in seiner Gesamtheit und damit bezüglich seiner biologischen systemischen Effekte im gesamten Körper nur in einem lebenden Organismus untersucht werden. Hier spielen Aspekte der Anatomie, der Physiologie, der Biochemie sowie die Veränderungen in verschiedenen Hirnkreisläufen eine Rolle. Dabei wird eine hohe Komplexität erreicht, in der Regel mehr, als man durch Erkenntnis und Rechenleistung eigentlich verarbeiten kann. Sehr gezielte, minimale Interventionen in einem ganz bestimmten Untersuchungsgebiet vorzunehmen, ist die Kunst in der Durchführung von Tierversuchen.

Beim Schritt in den Gesamtorganismus stellt sich natürlich das Problem der Übertragbarkeit der Ergebnisse aus dem Tierversuch auf den Menschen, in der Regel einen Menschen mit einer spezifischen Erkrankung. Denn wir haben nach dem „Sprung“ vom Gehirn in den ganzen Körper nun auch noch einen großen Schritt in Richtung mentaler Funktionen zu tun, die die Grundlage für Verhaltensweisen und damit psychische Störungen bilden. Die Veränderungen der mentalen Funktionen stehen bei psychiatrischen Erkrankungen wie der Depression und der Schizophrenie im Vordergrund. Bei solchen Erkrankungen finden sich veränderte emotionale, motivationale und kognitive Funktionen, aber es finden sich auch Symptome der Erkrankung in der Motorik und in anderen Verhaltensweisen. Solche definierten Veränderungen lassen sich mittels selektiver Verhaltenstests im Tiermodell untersuchen. In gleicher Weise lassen sich dann auch die Wirkungen einer bestimmten Substanz auf genau dieses Verhalten ermitteln. Mentale Funktionen im direkten Sinne oder gar Bewusstsein oder komplexe subjektive Abläufe und Interaktionen lassen sich im Tierversuch in der Regel jedoch nicht untersuchen.

Tierversuche: akademisch und zur Substanzentdeckung

Über die Jahre wurden viele Forderungen laut, dass Tierversuche bezüglich psychiatrischer Grundsatzfragen, aber auch in der Psychopharmaka-Entwicklung zu beenden seien. Dabei wird jedoch häufig übersehen, dass Grundsatzfragen neuro- und molekularbiologischer Natur bei psychiatrischen Erkrankungen oftmals nur mithilfe solcher Versuche, angefangen von der Zellkultur bis hin zum Ganztierversuch, geklärt werden können. Es ist sicherlich eine wichtige ethische Frage, inwiefern man Tiere für solche Versuche herstellen oder züchten darf. Ähnliche Fragen stellen sich jedoch auch beispielsweise bei der Fleischproduktion für den menschlichen Verzehr. Man muss sich auch darüber klarwerden, dass es viele Medikamente nicht gäbe, wenn nicht entsprechende Tierversuche stattgefunden hätten. Das betrifft Krankheiten wie Lepra, Diabetes mellitus, spinale Muskelatrophie, Parkinson-Krankheit, Brustkrebs, HIV-Infektion, Asthma bronchiale, Depression usw. Als ein weiterer Anhalt lässt sich die „Ahnenreihe“ der Nobelpreisträger für Medizin anführen, die, angefangen von Emil von Behring bis zum jüngst verstorbenen Harald zur Hausen, zahlreiche Untersuchungen primär in Tierversuchen durchgeführt haben und damit wichtige Aspekte der großen den Menschen belastenden Erkrankungen aufgeklärt und entsprechende wirksame Medikamente wie Antibiotika, Insulin usw. entwickelt haben. Ähnliches gilt für Nobelpreise speziell in den Neurowissenschaften und somit unseren Erkenntnisgewinn in Bezug auf psychische Erkrankungen (Abb. 1).

Abb. 1. Nobelpreise im Bereich der Neurowissenschaften, die auf Tierversuchen beruhen

Relevante Ergebnisse für die Psychiatrie wurden auch durch die tierexperimentelle Forschung erzielt. So ist die „beruhigende Wirkung“ von Lithium zunächst in Meerschweinchen beobachtet worden [11]. Die ersten Wirkungen der Benzodiazepine bezüglich Sedierung, Muskelrelaxation und Antikonvulsion wurden erstmals in Nagetieren wie Mäusen nachgewiesen [42]. Auch in größeren Tieren wie Affen und Löwen hat man dann den entsprechenden beruhigenden und sedierenden Effekt beobachten können. Die Toleranzentwicklung der Benzodiazepine und damit die Gefahr der Abhängigkeit wurde ebenfalls zunächst im Tierversuch beobachtet [17]. Die Elektrokrampftherapie wurde im Schwein und Hund etabliert, bevor dann in den 30er-Jahren begonnen wurde, sie – am Anfang durchaus recht „archaisch“ – bei psychiatrischen Patienten anzuwenden [34]; heutzutage wird diese Therapie bekanntlich viel schonender unter Vollnarkose und Muskelrelaxation durchgeführt. Auch ein wesentlicher Mechanismus der Psychotherapie, nämlich die „Extinktion“, basiert im Wesentlichen auf Erkenntnissen aus dem Tierexperiment, das dann entsprechende Grundlagen für die Entwicklung weiterer differenzierter Psychotherapietechniken lieferte [45]. Extinktion ist eine wichtige Methode insbesondere der kognitiven Verhaltenstherapie. Ohne die durch die Tierversuche gewonnenen grundlegenden Erkenntnisse über Lernen, Gedächtnis und Angst hätte die Verhaltenstherapie vermutlich nie so stark an Wirkung und Bedeutung gewonnen.

Die Simulation psychiatrischer Erkrankungen im Tiermodell kann auf verschiedene Arten erfolgen. Vorwiegend werden genetische oder pharmakologische Manipulationen, aber auch eine Veränderung der Umfeldbedingungen oder eine direkte Beeinflussung des Gehirns durch Läsionen oder Stimulationen eingesetzt [32] (Tab. 1). Dieses breite Spektrum an Methoden bietet eine große Auswahl, unterschiedliche Aspekte einer bestimmten psychiatrischen Erkrankung zu untersuchen. Gleichzeitig bringt jedoch jede dieser Methoden auch ihre eigenen Schwächen und Nachteile mit sich. Das Beispiel transgener Tiere zeigt, dass sie einerseits doch eine recht spezifische Möglichkeit bieten, den genetischen Hintergrund für eine mögliche psychiatrischen Erkrankung zu variieren. Andererseits wird hierbei in der Regel nur ein Gen manipuliert, wohingegen es sich bei psychiatrischen Erkrankungen eher um polygenetische Störungen handelt [40]. Auch spielen hier die variable Penetranz der genetischen Abnormalität und der Einfluss des manipulierten Gens auf die Entwicklung, die gegebenenfalls beim Tier anders sind als beim Menschen, eine Rolle. Die Übertragbarkeit des Tiermodells auf die menschlichen Verhältnisse insbesondere psychiatrische Erkrankungen ist somit immer kritisch zu betrachten.

Tab. 1. Induktion von psychischen Erkrankungen im Tiermodell

Manipulation

Beispiel

Umwelt

  • Stress
  • Tag-Nacht-Rhythmus
  • Sozialpartner
  • Infektion (im Mutterleib)

Genetik

  • Transgene Tiere
  • Selektives Züchten
  • Virale Expressionsregulation

Pharmakologie

  • Agonist
  • Antagonist

Gehirn

  • Läsion
  • Stimulation

Validität von Tiermodellen

Ein valides Tiermodell sollte also immer bestimmte Kriterien erfüllen. Die sogenannte „face validity“ (Abbildungsvalidität) besagt, dass die gleichen Reize sowohl beim Menschen als auch im Tiermodell zur gleichen Reaktion führen. Die prädiktive Validität besagt, dass eine klinisch wirksame Medikation zu einer Veränderung des Verhaltens des Versuchstiers analog zu seiner Wirkung im Menschen führt. Die Konstrukt-Validität bedeutet, dass neuropathologische Konstrukte, die man für die Entstehung der spezifischen Krankheitssymptome verantwortlich macht, auch im Tiermodell durch entsprechende Interventionen abgebildet werden können. Alle drei Aspekte der Validität können vor allem in einfachen Verhaltenstests im Versuchstier im Hinblick auf eine Erkrankung oder eine Intervention wie die Gabe eines Psychopharmakons überprüft werden. Ein Beispiel für einen solchen eher einfachen Verhaltenstest ist die sogenannte akustische Startle-Response (prepulse inhibition; PPI), die klassischerweise hinsichtlich psychotischer Störungen sowie der Wirkungsweise von Neuroleptika eingesetzt wird. Die PPI besitzt eine gute Abbildvalidität, weil sie bei vielen Säugetieren verlässlich auslösbar ist. Darüber hinaus besteht eine gute Konstrukt-Validität, da verschiedene experimentelle Eingriffe – sei es pharmakologisch durch NMDA(N-Methyl-D-aspartat)-Antagonisten, seien es Läsionen im kortiko-limbisch-striatalen Netzwerk oder das Aufwachsen in sozialer Isolation – dazu führen, dass die PPI ähnlich wie bei schizophrenen Patienten reduziert zu finden ist. Darüber hinaus besteht eine prädiktive Validität, da sowohl typische als auch atypische Neuroleptika die Normalisierung der PPI herbeiführen können. Inwiefern dies auch bei Tierentwicklungsmodellen psychiatrischer Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis der Fall ist, ist derzeit nicht vollständig bekannt. In dem von uns eingesetzten Schizophreniemodell, dem sogenannten Poly-I:C-Tierentwicklungsmodell mit einer entzündlichen Genese dieser Erkrankung (s. u.), konnten diese drei Aspekte gut bestätigt werden [18].

Man muss sich jedoch auch die Frage stellen, was genau die Aussagekraft von Tierversuchen für die Verhältnisse beim Menschen begrenzt. Speziell bei Tiermodellen für psychiatrische Erkrankungen ist zu beachten, dass wichtige Aspekte, die zur Diagnose der Erkrankung beim Menschen führen, nicht näher untersucht werden können. So ist es zum Beispiel schwierig, im Tier ein Gefühl der Wertlosigkeit, Suizidalität oder eine Form von Ich-Störungen zu evaluieren. Auch wichtige Faktoren der Krankheitsentwicklung wie soziale, familiäre und gesellschaftliche Einflüsse und Normen sind hier schwer nachzubilden. Des Weiteren besteht oft eine teilweise unklare Abhängigkeit der Ergebnisse von dem jeweils untersuchten Tierstamm, dem Alter, Geschlecht, Haltungsbedingungen usw. Insbesondere haben wir auch trotz eingehender Kenntnisse der evolutionären Psychiatrie [7] kaum Kenntnis darüber, inwiefern überhaupt psychiatrische Erkrankungen wie Demenz, Sucht, Schizophrenie, Persönlichkeitsstörung, Depression, Bipolarstörung oder Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) von Säugetieren, hier speziell Nagern wie Ratten und Mäusen, in freier Wildbahn, also nicht künstlich durch uns Menschen induziert, ausgebildet werden. Aus den genannten Gründen ist die Übertragbarkeit auf den Menschen also nie vollständig gegeben. Auch die Vorhersagbarkeit von unerwünschten Wirkungen der Medikation kann nicht vollständig getroffen werden. Zudem gibt es bei psychiatrischen Erkrankungen ein großes Kontinuum und keine starke und eindeutige Dichotomie zwischen gesund und krank. Auch wird man, wenn man an die Endophänotypen denkt, die verschiedenen latenten Prozesse, die Bandbreite und die Komplexität psychiatrischer Erkrankungen niemals 1 : 1 abbilden können. Aber gleichzeitig sind grundsätzlich unsere Erkenntnismöglichkeiten im Hinblick auf psychiatrische Erkrankungen recht begrenzt [22] und deswegen ist jede zusätzliche Möglichkeit zur Gewinnung von Wissen in Bezug auf Entstehung, Verlauf und Therapiemöglichkeit dieser Erkrankungen dringend erforderlich.

Alternativen möglich? Sind Tierversuche noch zeitgemäß?

Alternativen zu den klassischen Tierversuchen wurden eingangs erwähnt. Diese sind als zusätzliche Möglichkeiten des Erkenntnisgewinns sinnvoll und können mit fortschreitenden technischen Entwicklungen sicherlich weiter zur Reduktion von Tierversuchen führen. Bestimmte Verhaltensaspekte, das Zusammenspiel mehrerer Organe, Körper-Umwelt-Interaktionen und Aspekte der Entwicklungsneurobiologie können momentan jedoch nur im Tierversuch näher erforscht werden. Ebenso bleiben die Testreihen zur Verträglichkeit und Nebenwirkungen (UAW) eines neuen Pharmakons im Ganztier nach wie vor unabdingbar.

Insofern kann die Frage nach dem Zeitgemäßen von Tierversuchen für die Psychopharmaka-Entwicklung zurzeit vielleicht so beantwortet werden: Sie sind im engeren Sinne nicht mehr notwendig, wenn es nur um die pharmakologische Charakterisierung der Prüfsubstanz geht, also zum Beispiel um Rezeptorbesetzung und Toxizität. All dies kann an Zellkulturen und mit vergleichbaren Techniken heutzutage gut untersucht werden. Aber sie sind auf jeden Fall noch zeitgemäß, wenn es um die nähere Charakterisierung von Krankheiten, speziell von pathologischem Verhalten in ganzen Organismen geht. Hier geht es um das Miteinander verschiedener Organsysteme; es geht um die Interaktion des Organismus mit der Umwelt, also um genetisch geprägte neurobiologische Mechanismen im Wechselspiel mit aktuellen sensorischen, motorischen und vermutlich auch „psychischen“ Prozessen sowie ihrer Beeinflussung durch Maßnahmen wie Psychopharmaka, aber auch körperliche bzw. emotional-kognitive Interventionen. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, die 3R (Replacement, Reduction und Refinement) im Auge zu behalten [9]. Das Replacement, der Einsatz von alternativen Methoden, wurde bereits hier angeführt. Des Weiteren ist eine Reduktion der Anzahl der eingesetzten Tiere durch geschickte Versuchsplanung zwingendes Ziel. Bei der Versuchsplanung muss stets auch bedacht werden, ob weniger belastende oder weniger invasive Methoden das gleiche Ergebnis liefern könnten und wie insgesamt für das bestmögliche Wohlergehen der Tiere gesorgt werden kann. Diese Aspekte werden Refinement genannt.

Beispiele für den Nutzen von Tierversuchen im psychiatrischen Kontext

Der Nutzen von Tierversuchen soll nun im Folgenden in drei Beispielen kurz näher erläutert werden. Es geht zum einen um die nähere Untersuchung von neuronalen Kreisläufen, die bei psychiatrischen Erkrankungen eine wichtige Rolle spielen, zum Beispiel mithilfe der Methode der Mikrodialyse. Zum anderen wird das Thema der Bandbreite von Verhaltenstests bei gesunden und Knock-out-Tieren angesprochen, also die Möglichkeit einer genauen Untersuchung von selektiven „Symptomen“. Und zum Dritten geht es um die Möglichkeit der Entwicklung von Tierentwicklungsmodellen, die am ehesten für psychiatrische Krankheiten wie Depression, Bipolarstörung und Schizophrenie relevant sind, also Erkrankungen quer durch die Lebensspanne, deren erste Weichen vermutlich früh gestellt werden und die sich zu bestimmten Zeiten später im „Erwachsenenleben“ anhand charakteristischer Veränderungen bei Betroffenen zeigen.

Beispiel 1: In-vivo-Mikrodialyse

Die In-vivo-Mikrodialyse ist eine Methode, die es ermöglicht, Neurotransmitter und Moleküle nicht nur, wie in einem Homogenisat, ubiquitär im Gehirn zu bestimmen, sondern in vivo in physiologischen oder pathophysiologischen Zuständen eines Versuchstiers spezifisch in definierten Zielregionen [27]. Mit einem sogenannten „artifiziellen Liquor“ und mit einer in eine Zielregion eingebrachten Sonde, die durch eine semipermeable Membran ausgezeichnet ist, werden durch Diffusion je nach angelegtem Gradienten die für die Untersuchung bestimmten Stoffe aus dem Extrazellulärraum in das Dialysat ausgeschwemmt. Diese können anschließend zum Beispiel mittels Hochdruckflüssig-Chromatographie (HPLC) genauer ausgemessen werden. Dadurch kann man Aufschluss über tatsächlich im Regelfall synaptisch ausgeschüttete Moleküle, z. B. Neurotransmitter, erhalten. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, mit mehreren Sonden gleichzeitig zu arbeiten und die Sonde gegebenenfalls auch zur Perfusion mit einer externen Substanz, z. B. einem Medikament, zu nutzen. Der Nachteil ist, dass aufgrund der geringen Mengen der zu bestimmenden Moleküle im Dialysat teilweise Sammelperioden von rund 20 Minuten nötig sind. Diese Zeitspanne dürfte über den jeweils mit einem neuronalen Ereignis gekoppelten synaptischen Molekülausstoß hinausgehen. Im Humanbereich wird die Mikrodialyse aufgrund des invasiven Charakters vorwiegend nur auf neurologischen Intensivstationen, zum Beispiel bei Epilepsiepatienten, angewandt [6].

Insgesamt bietet die Mikrodialyse jedoch eine einzigartige Chance, näher an das neurochemische Geschehen bezüglich der involvierten Transmitter auf lokaler Ebene heranzukommen, dies jedoch fast ausschließlich nur in entsprechenden Tiermodellen. Als Beispiel haben Juckel und Kollegen (1999) [23] In-vivo-Mikrodialyse im ventralen Hippocampus und der Amygdala nach elektrischer Stimulation verschiedener kortikaler Areale bei Ratten durchgeführt. Dosisabhängig konnte hier in beiden Regionen eine Serotoninerhöhung festgestellt werden, allerdings nur bei der Stimulation des medialen präfrontalen Cortex. Der Hintergrund für diesen Befund dürfte die monosynaptische Projektionsbahn aus dem medialen präfrontalen Cortex direkt in die Raphe dorsalis sein, was konsekutiv zu der erhöhten synaptischen Ausschüttung von Serotonin im Hippocampus führte. Translational ist diese Projektionsbahn für viele antidepressive Effekte ausgesprochen wichtig. So dürfte der mediale Präfrontalcortex viel stärker als der dorsolaterale präfrontale Cortex bei der Pathophysiologie der Depression eine Rolle spielen. Klinisch relevant ist es also, dass bei Hirnstimulationsverfahren wie der Elektrokrampftherapie und der transkraniellen Magnetstimulation zur Behandlung der Depression immer der mediale präfrontale Cortex mitbeeinflusst werden sollte.

Beispiel 2: Verhaltenscharakterisierung

Bei der Verhaltenscharakterisierung von Tiermodellen für psychiatrische Erkrankungen werden relativ „einfache“ Verhaltensweisen wie das Vermeidungsverhalten bei Angst näher untersucht. Der sogenannte „elevated plus maze test“ [25], das „open field“ [26] und die „light/dark box“ [8] machen sich zunutze, dass Nager geschlossene dunkle Räume bevorzugen. Die Dauer, die das Tier in diesen Räumen verbringt, gegenüber der Zeit, die zum Explorieren von offenen, hellen Bereichen genutzt wird, dient dabei als Marker für Angsterleben. Im Gegensatz zu diesem passiven Vermeidungsverhalten als Zeichen von Angst wird der sogenannte Murmeltest als aktiver Angsttest, in dem das Tier, je größer die Angst ist, umso mehr Murmeln vergräbt, diskutiert. Es ist jedoch zu beachten, dass es hierbei auch eine obsessiv-kompulsive Komponente geben könnte [10]. Komplexer wird es bei der Untersuchung von depressionsähnlichem Verhalten. Hier steht die Untersuchung der sogenannten (erlernten) Hilflosigkeit [49] im Vordergrund, deren Grundprinzip sich der „forced swim test“, „tail suspension test“ und die klassische „shuttle box“ zunutze machen. Aber auch Anhedonie-Tests, gemessen am Interesse an z. B. Zuckerwasser oder sexueller Aktivität, werden zur Prüfung von depressionsähnlichem Verhalten herangezogen. Besonders gut auf den Menschen übertragbar sind zudem Tests zum negativen kognitiven Bias, bei denen sowohl depressive Personen als auch Tiere mit depressionsähnlichem Verhalten ambigue (mehrdeutige) Stimuli eher negativ interpretieren [33].

Während zahlreiche Modelle und Tests zur Depression etabliert sind, ist die Manie im Tiermodell deutlich weniger untersucht [38]. Gängige Verfahren dafür sind das Messen von Bewegung (teilweise nach der Gabe von Amphetaminen) und von Hedonie, d. h. lustvollem Verhalten. Außerdem werden zwei aus der Humanforschung sehr bekannte Tests inzwischen auch im Versuchstier angewandt: Eine abgewandelte Version des Iowa-Gambling-Tests [44] misst das Risikoverhalten, und Impulsivität kann in einer Abwandlung des Marshmallow-Tests [39] untersucht werden. Hier entscheidet das Tier im T-Maze zwischen einer direkten kleinen Belohnung oder einer großen verzögerten Belohnung. Noch herausfordernder sind sicherlich die Tests für schizophrenieähnliches Verhalten [35]. Neben der bereits erwähnten Untersuchung der PPI werden das Sozialverhalten und die kognitiven Fähigkeiten im „Morris water maze“, dem „radial arm maze“ oder mit operanten Boxen untersucht. Es existieren inzwischen jedoch auch Tests, um halluzinationsähnliche Wahrnehmungen beim Nagetier zu erfassen [37].

Ein gutes Modell für die bipolare Störung sollte sowohl depressionsähnliche als auch manieähnliche Verhaltensweisen zeigen [2]. Ein besonders heuristisch wertvolles Modell für bipolare Störung bei Ratten ist in unserem Labor seit vielen Jahren etabliert [16]. Dieses Tiermodell basiert auf der Beeinflussung des Dopamin-D1-Rezeptors im Bereich des präfrontalen Cortex. Ein stereotaktisch injiziertes lentivirales System ermöglicht hier die transiente Expression von Dopamin-D1-Rezeptoren. Mit deren Überexpression zeigen die Tiere manieähnliches Verhalten in Form einer gesteigerten Hedonie (mehr sexuelle Interaktionen, größerer Konsum von Zuckerwasser), gesteigerte Impulsivität und Risikoverhalten und reduzierte Angst [3, 41]. Wird diese Überexpression allerdings wieder gestoppt, so entwickeln die Tiere Angst, Anhedonie und Hilflosigkeit, also depressionsähnliches Verhalten [16, 4]. Damit ist zum ersten Mal gelungen, ein Tiermodell für eine bipolare Störung mit beiden Phasen affektiven Verhaltens zu schaffen und nicht getrennt für jeweils Depression oder Manie. Inwiefern man dies nun auch noch verbinden kann mit Fragestellungen zum Nucleus suprachiasmaticus, dem Zeitgeber von Organismen einschließlich der chronobiologischen Rhythmen, oder auch den Clock-Genen, bleibt zukünftigen Studien überlassen.

Zurzeit werden Experimente mit diesem Bipolar-Modell durchgeführt, inwiefern stimmungsstabilisierende Medikamente wie Lithium, Valproinsäure, aber auch atypische Neuroleptika wie Quetiapin sowie immunmodulierende Substanzen wie Minocyclin die jeweiligen Verhaltensveränderungen in den beiden Phasen verändern und damit zu einer Normalisierung beitragen können. Wie bereits jetzt deutlich wurde, ist dieses Modell dahingehend wertvoll, dass damit mit zum ersten Mal direkt bestimmte Substanzen tierexperimentell getestet werden können, die sonst nur sehr aufwendig und über längere Zeitdauern beim Menschen – hier jedoch nur indirekt und nicht invasiv – untersucht werden können. Zudem besteht die Möglichkeit, pathophysiologische Grundlagen der bipolaren Störung in diesem Tiermodell noch besser und genauer zu erfassen, um zielgenauere Interventionen daraus abzuleiten.

Beispiel 3: Entwicklungsmodelle

Da psychische Erkrankungen häufig eine Längsschnittentwicklung haben und nicht akut durch ein einzelnes Ereignis entstehen, ist es im Tiermodell sinnvoll – und hier auch deutlich einfacher umsetzbar als im Menschen –, Untersuchungen über einen längeren Lebensabschnitt durchzuführen. Besonders relevant sind hierbei Tierentwicklungsmodelle, die sehr früh Interventionen setzen und deren Folgen konsekutiv und später im Erwachsenenleben gemessen werden können. Ein typisches Beispiel für solche Tierentwicklungsmodelle ist das der „maternalen Separation“, in dem die Trennung des neugeborenen Nagers von der Mutter für einige Stunden am Tag die Vernachlässigung einen menschlichen Kinds durch die Bezugsperson simuliert [43]. Zahlreiche Studien zeigen hier Verhaltensveränderungen in Richtung Angst und depressionsähnliches Verhalten im Laufe der Entwicklung [28, 31, 46].

Ein weiteres Beispiel ist das Tierentwicklungsmodell der Schizophrenie, das ursprünglich durch Hossein Fatemi mit pränataler Applikation von Influenza-Viren [13] und später als Poly-I:C-Maus- oder Rattenmodell durch Urs Meyer [5] und uns [50] entwickelt wurde. Hierbei wird bei schwangeren Nagern in der ersten Hälfte der Schwangerschaft Poly-I:C (Polyinosin-Polycytidinsäure) als entzündungsstimulierende Substanz appliziert und die Nachkommen werden dann neonatal, präfertil und fertil/erwachsen untersucht. Dieses Modell hat verhaltens- und neurobiologisch hochgradige Parallelen zum Phänotyp der schizophrenen Erkrankung bei Patienten. Dies betrifft sowohl Biomarker und Gene im Gehirngewebe, aber auch Veränderungen der Hirnstruktur und spezifische Verhaltensänderungen [14, 51] sowie die kürzlich gezeigte Veränderung im Mikrobiom [21].

Wir haben uns auf die wichtige Rolle der Mikroglia in diesem Modell konzentriert. Der Hintergrund sind die zahlreichen Berichte zur Schizophrenie, die einen Zusammenhang zwischen Influenzaepidemien und dann im jungen Erwachsenenalter auftretenden schizophrenen Erkrankungen nahelegen. Damit muss man davon ausgehen, dass ein entsprechender Stimulus in der Embryonalzeit zu Entzündungskaskaden mit Mikroglia- und Zytokin-Aktivierung führt, sodass in der Folge durch die überschießende Immunantwort die synaptische Plastizität und Konnektivität neuronaler Strukturen in diesem Tierentwicklungsmodell gestört ist. In einer der ersten Pilotstudien [20] zeigte sich eine signifikante Mikroglia-Aktivierung nach pränataler Infektion mit Poly-I:C, insbesondere im hochrelevanten Kerngebiet des Hippocampus. Dort fanden sich auch charakteristische Veränderungen der Morphologie der Mikrogliazellen. In einer weiter ausgedehnten Studie wurden diese vorherigen Ergebnisse bestätigt und gezeigt, dass die Mikroglia-Aktivierung vorwiegend am postnatalen Tag 30 zu finden ist [29]. Unsere weiteren Arbeiten zielten darauf ab, was der „toxische“ Wirkstoff der aktivierten Mikroglia sein könnte. Damit gingen wir der Frage nach: „Was genau passiert während der überschießenden Autoimmunantwort der Mikroglia am Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels beim Schluss des Neuralrohrs, die vermutlich die zunächst recht diskrete Vulnerabilität der Schizophrenie (first hit) ausmacht und dann mit anderen Stressoren zusammen in der weiteren Entwicklung (second hit) zur Vollmanifestation der Erkrankung führt?“ Neben freien Sauerstoffradikalen und anderen Agenzien scheint hier vor allem Stickstoffmonoxid (NO) pathophysiologisch kritisch zu sein, das in erheblichen Mengen toxisch für Gewebe, hier speziell für die Neuronen und ihre Verbindungen ist. Es gibt verschiedene Isoformen des herstellenden Enzyms NOS (Stickstoffmonoxid-Synthase). Die Isoform iNOS (induzierbare NOS) wird bei jeglichem Entzündungsreiz in Mikroglia-Zellen aktiv. Wir konnten einen deutlichen Anstieg der iNOS im Poly-I:C-Mausmodell vor allem am Tag 30 finden [12] und auch den Zusammenhang nachweisen, dass die Expression von iNOS durch proinflammatorische Zytokine induziert wird. In weiteren Studien zusammen mit den Bochumer Neurobiologen wurde der neurotoxische Mechanismus der aktivierten Mikroglia im Poly-I:C-Modell genauer studiert [48, 47]. Hier konnten wir zeigen, dass die perineuronale Netzwerkstruktur, vor allem die synaptische Plastizität, im Poly-I:C-Modell deutlich reduziert ist und vor allem die unmittelbaren synaptischen Kontakte durch die aktivierte Mikroglia und die entsprechende NO-Ausschüttung vermindert sind. Damit konnte ein pathophysiologischer Erklärungsstrang schizophrener Erkrankungen im Poly-I:C-Mausmodell für Schizophrenie sowohl im In-vivo-Ganzkörpersystem als auch in der Zellkultur in seinen Mechanismen genauer analysiert werden. Das könnte die Grundlage sein für die Entwicklung weiterer, hoffentlich noch präziserer und effektiver Behandlungsverfahren.

In einer gegenwärtigen Studie wird nun versucht, die immunologischen und neuronalen Beziehungen des Mikrobioms mit der zentralnervösen Mikroglia-Aktivierung, einschließlich den Veränderungen im Makrophagen-System, näher zu charakterisieren und zu prüfen, inwiefern antiinflammatorische Substanzen wie Acetylsalicylsäure oder Minocyclin „therapeutisch“ zu einer Normalisierung zentral und peripher führen können. Schon vor langer Zeit hatte Norbert Müller in München begonnen, zusätzlich zu Antipsychotika wie Risperidon antiinflammatorische Substanzen wie COX-2-Inibitoren zu geben und auch bei langjährig erkrankten Patienten mit einer Schizophrenie eine noch recht starke Abnahme der Symptomatik gefunden [30], was den Beobachtungen aus zahlreichen klinischen Behandlungsfällen auch in Bochum entspricht. Insofern kann man sagen, dass diese Form von Untersuchung, angefangen in vielversprechenden Tierentwicklungsmodellen, zu dem wichtigen präventiven Ansatz führt, inwiefern man prophylaktisch beispielsweise bei Kindern psychisch kranker Eltern mit einer Schizophrenie oder mit sonstigem Risikoverhalten in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung entsprechende antiinflammatorische Medikamente wie Minocyclin oder andere immunsupprimierende Substanzen wie Cortison verabreichen sollte. Die begonnene Diskussion über eine sogenannte „Impfung“ gegen eine solche Krankheitsentwicklung ist sicherlich deutlich zu früh, aber es ist interessant, dass sie in diesem Zusammenhang bereits aufgekommen ist.

Kurzes Fazit

Sind Tierversuche für die Psychopharmaka-Entwicklung noch zeitgemäß? Psychopharmaka können nicht allein am „Reißbrett“ (PC, Zellen, usw.) entwickelt werden, Wenn sie möglichst zielgenau im Organismus von Erkrankten wirken sollen, wenn mehr über systemische Nebenwirkungen herausgefunden werden soll, mehr auch über die Beeinflussung nicht im Fokus stehender Transmitter, neuronale Kreisläufe, Verhaltensaspekte erfahren werden soll, und so weiter – wie dies auch paradigmatisch das Lehrbuch des charismatischen und jüngst verstorbenen amerikanischen Neurobiologen Barry L. Jacobs von der Princeton University noch einmal unterstreicht [19] –, dann ist das Arbeiten in Tier-(Entwicklungs-)Modellen, abgesehen von allen hier geschilderten Problemen der Übertragbarkeit usw., fokussiert und unter Einhaltung der 3R in der Psychopharmaka-bezogenen und anderer Grundlagenforschung weiterhin notwendig.

Danksagung

Für Barry L. Jacobs (1942–2020) in großer Dankbarkeit

Interessenkonflikterklärung

Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

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Prof. Dr. med. Georg Juckel, Prof. Dr. Nadja Freund, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Präventivmedizin der Ruhr-Universität Bochum, LWL-Universitätsklinikum, Alexandrinenstraße 1–3, 44791 Bochum, E-Mail: g.juckel@lwl.org

Are animal experiments still appropriate for the development of psychiatric drugs?

The constant development of new research methods, e.g. in the field of cell culture, paired with society’s generally increased interested in animal welfare, question the use of animal models for the development of drugs, specifically psychiatric drugs. Animal testing has its advantages but also disadvantages; careful consideration of both might never be completely satisfying. In this article, alternatives to animal testing including their limitations will be discussed. Advances in neurosciences in general but specifically in the therapy of psychiatric disorders, often achieved with the use of animal experiments, are presented. In addition, three recent examples will give insights into methods and benefits of animal testing in psychiatry. Given this background, an assessment can be made as to when, why and under what conditions animal testing is still appropriate in the development of psychiatric drugs.

Key words: Rodents, alternatives, drugs

Psychopharmakotherapie 2024; 31(01):15-22