Bipolare Störung

Pharmakotherapien gegen akute bipolare Depression im Vergleich


Dr. Heike Oberpichler-Schwenk, Stuttgart

Eine große Netzwerk-Metaanalyse bestätigte mit moderater Evidenz den Nutzen verschiedener atypischer Antipsychotika bei der Behandlung der akuten bipolaren Depression. Das Risiko für den Umschwung der Depression in eine manische Phase wurde ebenfalls evaluiert.

Depressive Episoden im Rahmen einer bipolaren Störung tragen in besonderem Maße zu deren Krankheitslast bei. Zur Pharmakotherapie werden ein paar ausgewählte Antikonvulsiva und atypische Antipsychotika (mit höchstem Empfehlungsgrad Quetiapin) empfohlen [1, 2]. Um die aktuelle Datenlage zur Pharmakotherapie der bipolaren Depression zu evaluieren, hat die Arbeitsgruppe um Prof. Stefan Leucht, München, eine Netzwerk-Metaanalyse von Studien durchgeführt, die bis April 2023 auffindbar waren, und bei der Analyse den Evidenzgrad der Studien gemäß GRADE-Kriterien berücksichtigt.

In die Auswertung gingen Daten von 101 randomisierten kontrollierten Studien (RCT) mit einer Dauer von zwei bis 16 Wochen und verblindeter Erhebung der Endpunkte ein. Primärer Wirksamkeitsendpunkt war die Veränderung depressiver Symptome anhand validierter Skalen. Sekundäre Endpunkte wurden die Ansprech- und Remissionsrate je nach Studiendefinition. Die Wirksamkeitsendpunkte wurden möglichst nah zum Zeitpunkt acht Wochen nach Studienbeginn ermittelt und für jede Intervention wurde eine standardisierte Mittelwertdifferenz (SMD) zur Placebo-Gruppe errechnet. Primärer Sicherheitsendpunkt war der Anteil von Patienten mit einem definierten Umschwung (Switch) in eine Hypomanie oder Manie bis zum Studienende. Das Risiko wurde als Odds-Ratio (OR) im Vergleich zur Referenz (Placebo) angegeben. Als weitere Sicherheitsendpunkte wurden extrapyramidal-motorische Symptome (EPS), Akathisie, Gewichtszunahme (≥ 7 %) und Sedierung ermittelt.

An den ausgewerteten Studien hatten insgesamt 20 081 erwachsene Patienten teilgenommen; sie waren im Mittel 41 Jahre alt, 58,3 % waren Frauen.

Wenige Interventionen mit guter Evidenz

In Bezug auf die Wirksamkeit gingen Daten von 63 Interventionen (inkl. Placebo) aus 96 RCT in die Netzwerk-Metaanalyse ein. Nur 16 Interventionen erwiesen sich als wirksam, d. h. eindeutig verschieden von Placebo. Die Evidenz wurde dabei in neun Fällen als niedrig oder sehr niedrig eingestuft. Bei sieben Interventionen wurde dem Wirksamkeitsnachweis eine moderate Evidenz bescheinigt, nämlich für die Kombination Olanzapin plus Fluoxetin, für Quetiapin, Olanzapin, Lurasidon, Lumateperon, Cariprazin und Lamotrigin (Tab. 1). Die Ansprechraten lagen hier zwischen 56,7 % (Olanzapin + Fluoxetin) und 42,4 % (Lumateperon) im Vergleich zu 34,7 % unter Placebo.

Tab. 1. Interventionen mit moderater Evidenz für ein Wirksamkeit bei akuter bipolarer Depression [Yildiz et al. 2023]

Intervention

Datenbasis

Effektstärke
[SMD (95%-KI)]

Olanzapin + Fluoxetin

3 Studien, n = 294

0,41 (0,19–0,64)

Quetiapin

7 Studien, n = 2152

0,35 (0,23–0,47)

Olanzapin

4 Studien, n = 732

0,35 (0,17–0,54)

Lurasidon

4 Studien, n = 1029

0,29 (0,14–0,45)

Lumateperon

3 Studien, n = 546

0,27 (0,09–0,45)

Cariprazin

4 Studien, n = 997

0,23 (0,06–0,39)

Lamotrigin

11 Studien, n = 948

0,16 (0,03–0,29)

SMD: standardisierte Mittelwertdifferenz; KI: Konfidenzintervall; n: Zahl der Patienten mit dieser Intervention

Ein Switch in eine Manie erfolgte unter Placebo in 2 % der Fälle. Das Risiko war nur unter Quetiapin eindeutig reduziert, und dies bei moderater Evidenz. Für alle anderen Interventionen gab es keinen klaren Unterschied zu Placebo, und die Evidenz war gering bis sehr gering. Die Switch-Daten für die in Tabelle 1 genannten Interventionen sind in Tabelle 2 zusammengefasst.

Tab. 2. Risiko für einen Manie-Switch bei den in Tab. 1 genannten Interventionen [Yildiz et al. 2023]

Intervention

Datenbasis

Switch-Risiko; OR* (95%-KI)

Quetiapin

7 Studien, n = 2268

1,0 %; 0,49 (0,33–0,75)

Olanzapin

4 Studien, n = 756

1,3 %; 0,63 (0,36–1,08)

Cariprazin

4 Studien, n = 1022

1,9 %; 0,92 (0,48–1,78)

Olanzapin + Fluoxetin

3 Studien, n = 299

2,0 %; 0,99 (0,50–1,96)

Lumateperon

3 Studien, n = 550

2,4 %; 1,16 (0,40–3,33)

Lurasidon

4 Studien, n = 1051

2,4 %; 1,21 (0,55–2,65)

Lamotrigin

8 Studien, n = 615

2,4 %; 1,19 (0,71–1,98)

* im Vergleich zu Placebo (Risiko 2,0 %); OR: Odds-Ratio; KI: Konfidenzintervall; n: Zahl der Patienten mit dieser Intervention

Für eine differenzierte Anwendung ist das Nebenwirkungsprofil relevant. Bezogen auf die in Tabelle 1 genannten Substanzen fand sich im Vergleich zu Placebo eine Gewichtszunahme bei Olanzapin, Olanzapin + Fluoxetin, Quetiapin, Lurasidon und Cariprazin. EPS traten unter Olanzapin + Fluoxetin, Quetiapin, Lurasidon und Cariprazin häufiger auf, eine Akathisie unter Quetiapin, Lurasidon und Cariprazin. Sedierung war in unterschiedlichem Ausmaß bei allen diesen Interventionen zu verzeichnen.

Fazit

Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass Olanzapin + Fluoxetin, Quetiapin, Olanzapin, Lurasidon, Lumateperon, Cariprazin und Lamotrigin auf ausreichend vertrauenswürdiger Basis als wirksam bei bipolarer Depression gelten können und kein erhöhtes Risiko für einen Manie-Switch aufweisen. Bei der Auswahl eines atypischen Antipsychotikums sind deren Nebenwirkungsprofile zu berücksichtigen. Lamotrigin schätzen die Autoren als besser verträglich ein, geben allerdings die geringere Effektstärke zu bedenken.

Die Ergebnisse der Netzwerk-Metaanalyse können zur Weiterentwicklung der Therapieempfehlungen für bipolare Depression, beitragen, mit der Einschränkung, dass Lumateperon und Lurasidon hierzulande nicht zugelassen bzw. auf dem Markt sind.

Quelle

Yildiz A, et al. Comparative efficacy and tolerability of pharmacological intervention for acute bipolar depression in adults: a systematic review and network meta-analysis. Lancet Psych 2023;10:693–705.

Literatur

1. DGBS e. V. und DGPPN e. V. S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen. Langversion 2.1. https://register.awmf.org/assets/guidelines/038-019l_S3_Bipolare-Stoerungen-Diagnostik-Therapie_2020-05-verlaengert_01.pdf (Zugriff am 02.11.2023).

2. Grunze H, et al. Weiterbildungs-Curriculum Psychopharmakologie/Pharmakotherapie. Teil 12: Stimmungsstabilisierer – I: Antiepileptika und atypische Antipsychotika. Psychopharmakotherapie 2020;27:62–75.

Psychopharmakotherapie 2023; 30(06):206-217