Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Akute und chronische Rücken- und Nackenschmerzen sind sehr häufig. Die Akuttherapie erfolgt mit Analgetika oder nichtsteroidalen Antirheumatika. Häufig werden auch Opioid-Analgetika eingesetzt. Es gibt bisher allerdings keine größeren randomisierten Studien, die eine Wirksamkeit von Opioiden bei akuten Kreuz- und Nackenschmerzen belegt haben. Ziel der Studie in Australien war es daher, die Wirksamkeit und Sicherheit einer kurzzeitigen Behandlung mit einem Opioid-Analgetikum bei akuten Rücken- und Nackenschmerzen zu untersuchen.
Studiendesign
OPAL (OPioid AnaLgesia for acute spinal pain) war eine dreifach verblindete, Placebo-kontrollierte, randomisierte Studie, an der Erwachsene im Alter > 18 Jahren teilnahmen. Die Studie wurde in 157 Hausarztpraxen oder Notfallaufnahmen in Sydney, Australien, durchgeführt. Einschlusskriterium waren seit höchstens 12 Wochen bestehende akute Rücken- oder Nackenschmerzen (oder beides) mit einem mittleren oder erheblichen Schweregrad.
Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip (1 : 1) randomisiert und erhielten
- eine leitliniengerechte Behandlung plus einem Opioid (Oxycodon plus Naloxon, bis zu 20 mg Oxycodon pro Tag oral) oder
- einer leitliniengerechten Behandlung plus Placebo für bis zu 6 Wochen.
Der primäre Endpunkt war die Schmerzintensität nach 6 Wochen, gemessen mit der Schmerzintensitäts-Subskala des Brief Pain Inventory (10-Punkte-Skala). Die Verträglichkeit und Sicherheit wurde bei allen Teilnehmern erfasst.
Ergebnisse
Zwischen Februar 2016 und 2022 wurden 347 Studienteilnehmer rekrutiert, davon 174 für die Opioidgruppe und 173 für die Placebo-Gruppee. 170 (49 %) der 346 Teilnehmer waren weiblich. Dreiunddreißig (19 %) der 174 Teilnehmern in der Opioidgruppe und 25 (15 %) von 172 Teilnehmern in der Placebo-Gruppee waren bis zur 6. Woche aus der Studie ausgeschieden, weil sie die Nachbeobachtung verpasst hatten oder aus der Studie ausgestiegen waren. 151 Teilnehmer in der Opioidgruppe und 159 in der Placebo-Gruppee wurden in die primäre Analyse einbezogen. Die durchschnittliche Schmerzintensität nach 6 Wochen betrug 2,78 (Standard Error[SE] 0,20) in der Opioidgruppe Gruppe gegenüber 2,25 (SE 0,19) in der Placebo-Gruppee. Die mittlere Differenz betrug 0,53, 95 % KI -0,00 bis 1,07, p = 0,051 zuungunsten der Opioidgruppe. 61 (35 %) von 174 Teilnehmern in der Opioidgruppe berichteten über mindestens eine unerwünschte Arzneimittelwirkung gegenüber 51 (30 %) von 172 Teilnehmern in der Placebo-Gruppee (p = 0,30). Mehr Personen in der Opioidgruppe berichteten über opioidbedingte unerwünschte Ereignisse wie eine Obstipation.
Kommentar
Es handelt sich hier um die erste große randomisierte und Placebo-kontrollierte Studie zum Einsatz von Opioiden zusätzlich zu einer Standardtherapie bei Patienten mit akuten Rücken- und Nackenschmerzen. Die Studie zeigt, dass Opioide in dieser Indikation keinen Einfluss auf die Schmerzintensität haben. Rein numerisch war Placebo besser wirksam als die Opioide. Dieses Ergebnis wird dadurch unterstützt, dass die Studie auch für keinen der sekundären Endpunkte eine überlegene Wirksamkeit des Opioids zeigte. Es fanden sich die typischen Nebenwirkungen der Opioide wie eine Obstipation. Ein Problem der Studie war die schlechte Compliance: nur 60 % der Patienten nahm die Studienmedikation gemäß den Vorgaben ein. Dies war allerdings in beiden Therapiegruppen gleich häufig. Diese Studie hat klare Auswirkungen für die klinische Praxis. In Deutschland werden immer noch häufig Opioide zur Behandlung von Rücken- und Nackenschmerzen verordnet. In Einzelfällen mag dies gerechtfertigt sein, wenn sich die Behandlung mit retardierten Opioiden über wenige Tage erstreckt. Bei einer längeren Behandlung besteht aber darüber hinaus das Risiko einer Abhängigkeit von Opioiden.
Quelle
Jones CMP, et al. Opioid analgesia for acute low back pain and neck pain (the OPAL trial): a randomised placebo-controlled trial. Lancet 2023;402(10 398):304–12.
Literatur
1. Lin CW, et al. OPAL: a randomised, placebo-controlled trial of opioid analgesia for the reduction of pain severity in people with acute spinal pain. Trial protocol. BMJ Open. 2016;6(8):e011278.
Psychopharmakotherapie 2023; 30(05):174-181