Prolactin-erhöhende Antipsychotika und Mammakarzinom


Was wissen wir aktuell, wie können wir damit umgehen?

Dominik Dabbert, Bremen, Gabriel Eckermann, Berlin, Christoph Hiemke, Mainz, Wolfgang Paulus, Ulm, Sermin Toto, Hannover, Monika Singer, Agatharied, Renate Grohmann, München, Stefan Bleich und Johanna Seifert, Hannover

Das Mammakarzinom ist eine häufige Erkrankung bei Frauen mit einer Lebenszeitprävalenz von 12,3 %. Das Risiko hierfür kann durch hormonelle Einflüsse, zum Beispiel eine erhöhte Serumprolactin-Konzentration, steigen. Die Neigung von Antipsychotika, aufgrund ihres Dopamin-D2-Rezeptorantagonismus eine Erhöhung der Serumprolactin-Konzentration zu bedingen, ist gut bekannt. In einigen Studien, so wie auch in einer großen Fall-Kontroll-Studie von den skandinavischen Kollegen um Heidi Taipale aus dem Jahr 2021, wird auf den Zusammenhang zwischen der Auswahl der antipsychotischen Medikation und erhöhtem Risiko der Entwicklung eines Mammakarzinoms aufmerksam gemacht. Diese Thematik soll anhand der vorliegenden Studienlage näher untersucht werden. Zudem sollen die pathophysiologischen hormonellen Ursachen erläutert werden. Der folgende Artikel soll einen Überblick über den gesicherten Kenntnisstand des Antipsychotika-assoziierten Brustkrebsrisikos, Aspekte zur Interpretation und therapeutische Konsequenzen für den klinischen Alltag in Bezug auf Auswahl der antipsychotischen Medikation sowie auch Monitoring geben. Insgesamt erscheint unter einer antipsychotischen Pharmakotherapie das absolute Brustkrebsrisiko von Frauen, die an einer Schizophrenie erkrankt sind, um ca. 2,2 % erhöht zu sein.
Schlüsselwörter: Prolactin, Brustkrebs, Tumor, Arzneimitteltherapiesicherheit, Schizophrenie
Psychopharmakotherapie 2023;30:54–62.

Die Einführung

Im Oktober 2021 erregte eine Fall-Kontroll-Studie rege Aufmerksamkeit, in der ein Zusammenhang zwischen der Auswahl der antipsychotischen Medikation und einem erhöhten Risiko der Entwicklung eines Mammakarzinoms untersucht wurde [36]. Diese Arbeit hat zu erheblicher Unsicherheit in der Bewertung beigetragen und das Interesse an diesem, bereits seit längerer Zeit diskutierten, Thema neu geweckt. Im folgenden Artikel möchten wir einen Überblick über den gesicherten Kenntnisstand, Aspekte zur Interpretation und die daraus resultierenden Fragen bzw. therapeutische Konsequenzen geben.

Das Mammakarzinom ist eine häufige Erkrankung, bei Frauen besteht eine Lebenszeit-Prävalenzrate von 12,3 % [28], wobei Mammakarzinome am häufigsten postmenopausal auftreten [11]. Demgegenüber sind Männer über 65 Jahren nur zu 0,063 % davon betroffen [16]. Für eine Assoziation zwischen einer Prolactin-Erhöhung und dem Risiko eines Mammakarzinoms gibt es hinreichende Evidenz durch mehrere Studien [38, 40, 42]. Experimentelle Daten belegen, dass Prolactin die Entwicklung eines Mammakarzinoms fördern kann, insbesondere die Proliferation, die Vaskularisierung und die Motilität der Tumorzellen [15]. Darüber hinaus ist bekannt, dass ein Mammakarzinom bei schizophren erkrankten Frauen häufiger auftritt als in der Allgemeinbevölkerung [4]. Daher liegt die Annahme nahe, dass auch eine arzneimittelinduzierte Hyperprolaktinämie das Risiko eines Mammakarzinoms erhöhen kann. Unklar war bislang jedoch, ob die antipsychotische Therapie einen Effekt auf das Risiko hat. In dieser Ausgangslage wurde die Arbeit von Taipale und Kollegen geplant.

Die Studie von Taipale und Kollegen [36]

Diese ist die erste Studie zur Quantifizierung des Mammakarzinomrisikos in einer Kohorte von Patientinnen mit einer Schizophrenie, die ausreichend groß ist, um einen Zusammenhang zwischen der Risikoerhöhung und der Auswahl der antipsychotischen Medikation zu zeigen. Dies gelang unter Anwendung einer eingebetteten Fall-Kontroll-Studie, bei der schizophren erkrankte Patientinnen mit Mammakarzinom mit ebenfalls schizophren erkrankten Patientinnen, aber ohne Mammakarzinom, als Kontrollen verglichen wurden. Als Datenbasis dienten das finnische Krankenhausentlassungsregister, das Arzneimittelverordnungsregister und das Krebsregister, wobei die Verknüpfung über die persönliche Identifikationsnummer erfolgte, die jedem Bürger von Geburt an zugeordnet ist. Die Patientinnen waren zwischen 18 und 85 Jahren alt. Ausschlusskriterien waren frühere Malignomdiagnosen, ein Zustand nach Mastektomie, eine HIV-Infektion sowie ein Zustand nach Organtransplantation. Unter Berücksichtigung von Begleiterkrankungen und gleichzeitig eingenommenen Medikamenten wurden die Kollektive mithilfe einer bedingten logistischen Regressionsanalyse auf einen Zusammenhang zwischen der kumulativen Exposition gegenüber Prolactin-erhöhenden Arzneimitteln und der Entwicklung eines Mammakarzinoms überprüft. Alle Antipsychotika der ersten Generation sowie Olanzapin, Sulpirid, Risperidon und Paliperidon wurden als Prolactin-erhöhend klassifiziert, während Aripiprazol, Clozapin und Quetiapin bezüglich des Prolactinspiegels als neutral eingestuft wurden. Daten zur ethnischen Zugehörigkeit der Patientinnen waren nicht verfügbar [36].

Von 30 785 Frauen, die zwischen 1972 und 2014 mit einer Schizophrenie registriert wurden, wurde bei 1069 zwischen den Jahren 2000 und 2017 ein Mammakarzinom diagnostiziert. Diese wurden mit entsprechend gematchten schizophrenen Patientinnen ohne Mammakarzinom als Kontrollen verglichen [36].

Als Ergebnis wurde herausgearbeitet, dass eine Exposition gegenüber Prolactin-erhöhenden Antipsychotika ab einer Expositionsdauer von fünf Jahren das Risiko der Entwicklung eines Mammakarzinoms – insbesondere eines lobulären Adenokarzinoms – gegenüber einer Minimalexposition mit Prolactin-erhöhenden Antipsychotika über kürzer als ein Jahr erhöht. Nach ein- bis vierjähriger Exposition war kein signifikanter Unterschied nachweisbar, ebenso wenig unter Antipsychotika, die als Prolactin-neutral eingestuft worden waren [36].

Bei einer Lebenszeitinzidenz der allgemeinen Bevölkerung von 12 % [28] für die Entwicklung eines Mammakarzinoms ist nach diesen Daten davon auszugehen, dass durch die langzeitige Einnahme von Prolactin-erhöhenden Antipsychotika über mehr als fünf Jahre das absolute Risiko des Auftretens eines Mammakarzinoms um rund 4 % erhöht wird. Auffällig war, dass das Risiko, an einem lobulären Mammakarzinom zu erkranken, höher war, als das Risiko, ein duktales Mammakarzinom zu entwickeln [36].

Die Schwachstellen der Studie von Taipale und Kollegen [36]

Die Aussagekraft der Ergebnisse dieser hochrangig publizierten Arbeit wird durch einige methodische Besonderheiten in nicht unerheblichem Ausmaß limitiert. So ist in Ermangelung entsprechender Daten keine Adjustierung des Risikos bezüglich Adipositas, Östrogenrezeptor- und Raucherstatus erfolgt. Auch eine positive Familienanamnese oder das Vorliegen von prädisponierenden, genetischen Mutationen wie BRCA(Breast cancer)-1 oder BRCA2 konnten nicht berücksichtigt werden. Die Ergebnisse wurden nicht differenziert zwischen dem Schweregrad der Erkrankung, der Einnahme oraler Kontrazeptiva und anderer lebensstilbedingter Faktoren, wie Stillen [36]. Eine Aussage über die relativ neu eingeführten Antipsychotika wie Brexpiprazol, Cariprazin oder Lumateperon ist nicht möglich, da diese nach dem Beobachtungszeitraum eingeführt wurden.

Bei der Interpretation dieser Ergebnisse ist weiterhin zu berücksichtigen, dass das Risiko der Erkrankung an einem Mammakarzinom bei schizophren erkrankten Patientinnen generell 21 % [44] bis 31 % [48] höher ist als in der weiblichen Allgemeinbevölkerung. Eine große, jüngst veröffentlichte Metaanalyse aus dem Jahr 2022 zeigt auf, dass Frauen, die an einer Schizophrenie erkrankt sind, ein 1,21-fach (95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 1,06–1,37; p < 001) erhöhtes Risiko haben, an einem Mammakarzinom zu erkranken [44]. Entsprechend läge das Risiko für die Entwicklung eines Mammakarzinoms bei Patientinnen mit einer Schizophrenie bei 14,9 %. Hierzu trägt bei, dass an Schizophrenie erkrankte Frauen neben einer häufig etablierten antipsychotischen Behandlung bekanntermaßen vermehrt Risikofaktoren aufweisen, welche die Entwicklung eines Mammakarzinoms begünstigen: Adipositas, höhere Prävalenz eines Diabetes mellitus, höherer Nikotin- und Alkoholkonsum, geringere körperliche Aktivität, kurze Stillperioden [4] und unregelmäßigere Teilnahme am Mammographie-Screening [13]. Dies sind wichtige Faktoren, die von Taipale und Kollegen [36] in Ermangelung entsprechender Daten (mit Ausnahme von Diabetes mellitus) nicht berücksichtigt werden konnten.

Eine Metaanalyse von 37 Studien ergab, dass Krebsvorsorgeuntersuchungen von Personen mit psychischen Erkrankungen weniger häufig in Anspruch genommen werden als von der Allgemeinbevölkerung (Odds-Ratio [OR] 0,76; 95%-KI 0,72–0,79) [33]. Dies traf auch auf 27 Studien zum Mammakarzinom zu (OR 0,65; 95%-KI 0,60–0,71). Laut einer weiteren Metaanalyse weisen Frauen mit Schizophrenie eine um 50 % reduzierte Wahrscheinlichkeit (11 Studien; OR 0,50; 95%-KI 0,38–0,64) auf, ein Mammographie-Screening in Anspruch zu nehmen [13]. Darüber hinaus ist die Mortalität durch Malignome bei Patienten mit Schizophrenie nach einer Metaanalyse von Zhuo und Kollegen erhöht (15 Studien; standardisierte Mortalitätsrate 1,40; 95%-KI 1,29–1,52, und 4 Studien; Hazard-Ratio [HR] 1,51; 95%-KI 1,13–2,03). Das gilt nach den Auswertungen von Ni und Kollegen auch für das Mammakarzinom bei Frauen mit Schizophrenie (7 Studien; relatives Risiko [RR] 1,97; 97%-KI, 1,38–2,83) [47].

Zudem führten Taipale und Kollegen [36] keinen direkten statistischen Vergleich zwischen den Prolactin-erhöhenden und den Prolactin-neutralen Antipsychotika durch, um eine Empfehlung für die Prolactin-neutralen gegenüber den Prolactin-erhöhenden Arzneimitteln zu unterstützen. Daher können auf der Grundlage dieser Studie im Hinblick auf das Mammakarzinomrisiko keine eindeutigen Empfehlungen zugunsten Prolactin-neutralen gegenüber Prolactin-steigernden Antipsychotika ausgesprochen werden [2]. Aus der Studie von Taipale und Kollegen [36] ist letztlich Folgendes hervorzuheben: Bei Frauen mit Schizophrenie war die Wahrscheinlichkeit, an einem Mammakarzinom zu erkranken, gegenüber einer Minimalexposition mit Prolactin-erhöhenden Antipsychotika von < 1 Jahr signifikant erhöht, nachdem sie länger als fünf Jahre mit Prolactin-erhöhenden Antipsychotika behandelt wurden.

Die hormonell-pathophysiologischen Aspekte

Über einige komplexe Umwege aktiviert Prolactin im Brustgewebe STAT5 (Signal tranducer and activator of transcription 5), was wiederum andere Prozesse anstößt, die die alveoläre Differenzierung, Milchproduktion, Proliferation und Apoptose des Brustdrüsengewebes regulieren. In der späten Schwangerschaft und Stillzeit ist dieser Signalweg stark aktiviert und mit einer Reduktion des Mammakarzinomrisikos assoziiert. Eine Aktivierung von STAT5 auf bereits vorbestehenden präkanzerösen Läsionen führt zu einer Unterdrückung von Apoptosevorgängen und zu Proliferation des Tumorgewebes. Dieser Ansatz bietet eine mögliche Erklärung dafür, wie eine Hyperprolaktinämie das Brustkrebsrisiko steigern kann: Sind präkanzeröse Läsionen bereits vorhanden, so erhöht Prolactin deren Entartungsrisiko. Auf diese Weise ist auch erklärbar, wie Schwangerschaften im höheren Lebensalter das Risiko eines Mammakarzinoms erhöhen. Eine Prolactin-Erhöhung zu einem Zeitpunkt, zu dem solche Läsionen noch nicht bestehen, ist protektiv hinsichtlich der Entwicklung eines Mammakarzinoms, wohingegen die Wahrscheinlichkeit, dass solche Läsionen bestehen, mit dem Lebensalter der Frau zunimmt und damit das Mammakarzinomrisiko steigt [15]. Wenn auch plausibel, ist dies nicht der einzige Mechanismus, der den Zusammenhang zwischen Prolactin und Mammakarzinomen erklären kann, da die pathophysiologischen Zusammenhänge unter einem medikamenteninduzierten Anstieg des Prolactinspiegels komplex sind.

In Zellkulturen konnte belegt werden, dass Prolactin Apoptosen bei humanen Mammakarzinom-Zelllinien reduziert [23]. Es wäre noch zu klären, ob die Risikoerhöhung mit Polymorphismen des Prolactin-Rezeptors im Zusammenhang steht. 2021 wurde ein alternativer Prolactin-Rezeptor beschrieben (hPRLrI), der eine onkologische Relevanz bei murinen und humanen Mammakarzinom-Zelllinien hat [8].

Aus großen epidemiologischen Studien ist bekannt, dass eine Hyperprolaktinämie die Entstehung von Östrogenrezeptor-positiven Mammakarzinomen begünstigen kann. Dies betrifft insbesondere postmenopausale Frauen [43, 29]. Auch in einer aktuellen Metaanalyse konnte ein positiver Zusammenhang zwischen Plasmaprolactinspiegeln und der Entwicklung eines Mammakarzinoms insbesondere bei postmenopausalen Frauen mit rezeptorpositivem und invasivem Mammakarzinom gefunden werden [3]. Darüber hinaus kann die Anwesenheit von Prolactin modulierend auf das Tumorgewebe wirken und die Entstehung aggressiver metastasierender Mammakarzinome begünstigen [29]. Dies steht im Widerspruch mit dem Brustkrebsrisiko senkenden Effekt von Stillen. Es wurde diskutiert, ob dieser durch die längerfristige Senkung des Prolactinspiegels nach Schwangerschaft und Stillzeit bedingt sein könnte. Danach wurden über 12 bis13 Jahre niedrigere Prolactinspiegel beschrieben [21]. Dieser Effekt scheint vor allem von der Dauer des Stillens beim ersten Kind bestimmt zu sein [12]. Insgesamt scheint der Zusammenhang zwischen Prolactin, Stillen und dem Brustkrebsrisiko paradox und abhängig von der Phase des aktuellen reproduktiven Lebenszyklus der Frau [41].

Die in der Publikation von Taipale und Kollegen [36] zitierte Metaanalyse von Wang und Kollegen zu Plasmaprolactin und Mammakarzinomrisiko differenziert zwischen verschiedenen Subgruppen des Mammakarzinoms nach deren Rezeptorstatus. Dabei fand man einen positiven Zusammenhang zwischen den Plasmaprolactin-Konzentrationen und dem Mammakarzinomrisiko bei postmenopausalen, Östrogen- und Progesteronrezeptor-positiven Karzinompatientinnen. Dieser positive Zusammenhang wurde jedoch bei den prämenopausalen und Östrogen- und Progesteronrezeptor-negativen Patientinnen nicht festgestellt [43], passend zu den Erkenntnissen aus epidemiologischen Studien, dass das Mammakarzinomrisiko von Müttern mit längeren Stillphasen niedriger liegt. In der Stillperiode ist das Prolactin meist noch deutlicher erhöht als unter antipsychotischer Therapie. Mütter mit mehreren Kindern, die kumulativ oft über Jahre stillen, haben ein geringeres Risiko für Mammakarzinom als kinderlose Frauen [46]. Insofern ist die Annahme, dass erhöhte Plasmaprolactin-Konzentrationen grundsätzlich zur Steigerung des Mammakarzinomrisikos führen, mit Vorbehalt zu versehen. Zwar erfolgte in der der Studie von Taipale und Kollegen [36] eine Adjustierung nach der Zahl der geborenen Kinder, allerdings fehlen Angaben zum Stillen. Stillen wird von Frauen mit Schizophrenie gegenüber der Allgemeinbevölkerung seltener praktiziert [30]. Während früher aus Sorge vor einer kindlichen Belastung mit Antipsychotika über die Muttermilch vom Stillen abgeraten wurde, ermutigen insbesondere auch die pharmakokinetischen Daten zu Quetiapin zum Einsatz während der Stillzeit [17].

Die Ergebnisse anderer Arbeitsgruppen

Neben der Arbeit von Taipale und Kollegen haben sich auch andere Autorengruppen der Thematik des Risikos eines Mammakarzinoms unter Antipsychotika gewidmet. Ein jüngst veröffentlichtes Review (9 Beobachtungsstudien; n = 2 031 380) mit Metaanalyse (7 Beobachtungsstudien inklusive der Arbeit von Taipale und Kollegen [36]; n = 1 557 013) kam zu dem Fazit, dass die Anwendung von Antipsychotika mit einer moderaten Risikoerhöhung eines Mammakarzinoms vergesellschaftet ist, die vor allem mit einer längeren Anwendungsdauer assoziiert ist. Aus den eingeschlossenen Kohortenstudien zeigte sich ein signifikantes OR von 1,39 (95%-KI 1,11–1,73), wohingegen sich aus den Fall-Kontroll-Studien ein nicht signifikantes Ergebnis zeigte (OR 1,37; 95%-KI 0,90–2,09) [18]. Im Folgenden sollen auch einige Arbeiten, die in diesem Review mit Metaanalyse berücksichtigt wurden [6, 25, 26], sowie weitere relevante Arbeiten zu diesem Themenbereich genauer erläutert werden.

Rahman und Kollegen 2022

Eine Arbeit von Rahman und Mitarbeitern untersuchte das Auftreten von Mammakarzinomen bei Patientinnen nach der Behandlung mit Prolactin-erhöhenden Antipsychotika. Hierfür wurde eine große Datenbank einer Krankenversicherung verwendet, die insgesamt 540 737 Patientinnen im Alter von 18 bis 64 Jahren mit einer durchschnittlichen Beobachtungsdauer von vier Jahren enthielt. Hierunter waren 914 Frauen (0,16 %) mit invasivem Mammakarzinom. Den mit Antipsychotika behandelten Frauen wurden Patientinnen, die mit Antikonvulsiva oder Lithium behandelt wurden, gegenübergestellt. Entsprechend umfasst die Arbeit neben Patientinnen mit einer Schizophrenie auch Patientinnen mit anderen psychischen Störungen wie bipolare und unipolare Depression. Die Einteilung der Antipsychotika erfolgte nach deren Risiko für eine Prolactin-Erhöhung in drei Kategorien: Kategorie 1 mit einem hohen (u. a. Haloperidol, Fluphenazin, Perphenazin, Paliperidon, Risperidon), Kategorie 2 mit einem mittelhohen (u. a. Olanzapin) und Kategorie 3 mit einem besonders niedrigen Risiko (u. a. Aripiprazol, Asenapin, Cariprazin, Clozapin, Quetiapin, Ziprasidon) für eine Prolactin-Erhöhung. Mehr als die Hälfte (52 %) der Frauen wurden im Beobachtungszeitraum mindestens einmal mit einem Antipsychotikum der Kategorie 3 behandelt, wohingegen dies bei 15 % der Frauen für Antipsychotika die Kategorie 1 zutraf. 49 % der Frauen wurden mindestens einmal mit einem Antikonvulsivum behandelt. Die durchschnittliche definierte Tagesdosis (engl. „defined daily doses“, DDD) lag bei 0,1 DDD eines Antipsychotikums (Kategorien 1 bis 3), sodass von einem intermittierenden Gebrauch dieser Arzneistoffe auszugehen ist. In der durchgeführten multivariaten Risikoanalyse konnte eine Korrektur für einige Risikofaktoren wie Adipositas, Alkohol- und Drogenkonsum erfolgen, sowie auch eine Adjustierung nach Dosis. Insgesamt hatten die mit Prolactin-erhöhenden Antipsychotika (entsprechend Kategorie 1 und 2) behandelten Frauen ein um 35 % erhöhtes Risiko pro 1 DDD, an einem Mammakarzinom zu erkranken (adjustiertes HR [aHR] 1,35; 95%-KI 1,14–1,61). Das Risiko stieg um 62 % (aHR 1,65; 95%-KI 1,30–2,3) bei Frauen unter Behandlung mit einem Antipsychotikum aus Kategorie 1. Behandlung mit Antipsychotika aus Kategorie 2 führte zu einer 54%igen Risikoerhöhung (aHR 1,54; 95%-KI 1,19–1,99), wohingegen das Mammakarzinomrisiko bei Antipsychotika der Kategorie 3 unverändert blieb (aHR 1,11; 95%-KI 0,83–1,50) [26]. Bedauerlicherweise sind dieser Arbeit keine genaueren Inzidenzangaben zu entnehmen, zum Beispiel wieviel Prozent der mit Antipsychotika der Kategorie 1 behandelte Patientinnen ein Mammakarzinom entwickelt haben, was Angaben zu einer Risikoerhöhung deutlich erschwert [20].

Pottegård und Kollegen 2018

Eine große Fall-Kontroll-Studie unter Anwendung des dänischen Krebsregisters konnte insgesamt 60 630 Patientenfälle einschließen. In 4951 Fällen wurden die Betroffenen mit Antipsychotika behandelt. Diese wurden mit 47 643 Fällen von Patientinnen ohne Anwendung von Antipsychotika gepaart. Insgesamt konnten die Autoren unter der Einnahme von Antipsychotika ein um 18 % (OR 1,18; 95%-KI 1,06–1,32) erhöhtes Risiko für ein Mammakarzinom beobachten, sowie auch eine schwache dosisabhängige Risikoerhöhung von 27 % (OR 1,27) für die Einnahme von Gesamtdosen von > 50 000 mg Olanzapin-Äquivalenten. Mit einem 95%-KI 1,01–1,59 erreicht dieses Odds-Ratio jedoch nur ganz knapp das benötigte Signifikanzniveau. Zudem beobachteten Pottegård und Kollegen, dass das Risiko für ein Mammakarzinom nahezu gleichermaßen erhöht war für Prolactin-erhöhende sowie nicht Prolactin-erhöhende Antipsychotika. Die Anwendung eines Krebsregisters ermöglichte zusätzlich die Stratifizierung nach Östrogenrezeptorstatus. Hierbei zeigte sich eine 1,29-fach (OR 1,29; 95%-KI 1,13–1,47) erhöhte Inzidenz für das Auftreten von Östrogenrezeptor-positiven Tumoren. Die Autoren kamen somit zu dem Schluss, dass es eine Assoziation gibt, welche insbesondere das Risiko für Östrogenrezeptor-positive Tumore betrifft. Gleichzeitig räumen sie ein, dass es sich hierbei um eine Risikoerhöhung handelt, die von nur geringer klinischer Relevanz ist [25].

George und Kollegen 2020

Eine Evaluation der Daten unter den Teilnehmerinnen der Women’s Health Initiative (n = 155 737) ergab keinen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Antipsychotika und dem Risiko für ein invasives Mammakarzinom. In diesem Zeitraum wurden 10 097 invasive Mammakarzinome und 2285 In-situ-Mammakarzinome detektiert. In dieser Arbeit war die Prävalenz in der Anwendung von Psychopharmaka (inkl. Nicht-Antipsychotika) mit 624 Teilnehmerinnen (entsprechend 0,4 %) jedoch ungewöhnlich niedrig. Hierunter befanden sich nur 272 Anwenderinnen von Antipsychotika der ersten Generation und 59 Anwenderinnen von Antipsychotika der zweiten Generation [6], sodass eine statistische Power bei dieser geringen Fallzahl schwer erreichbar ist [35]. Hervorzuheben ist der im Vergleich zu anderen Arbeiten deutlich längere Beobachtungszeitraum von durchschnittlich 14,8 Jahren [6].

Reutfors und Kollegen 2017

Eine von der Firma Janssen finanzierte Studie von Reutfors und Kollegen aus dem Jahr 2017 wählte einen prospektiven Ansatz, bei dem die Patientinnen über einen Zeitraum von sechs Jahren beobachtet wurden. Es wurden insgesamt 55 976 Frauen eingeschlossen, die als „new users“ eines Antipsychotikums eingestuft wurden, das heißt, dass sie seit mindestens sechs Monaten vor Studienbeginn keine antipsychotische Medikation eingenommen hatten. In diesem Kollektiv wurden 41 % (entsprechend 22 908 Patientinnen) während des Beobachtungszeitraums mit Risperidon behandelt. Weitere 44 % (24 524 Patientinnen) wurden mit einem anderen Antipsychotikum der zweiten Generation behandelt, wohingegen nur eine Minderheit von 15 % (8544 Patientinnen) mit einem Antipsychotikum der ersten Generation behandelt wurde. Insgesamt wurden 348 Mammakarzinome detektiert: 130 unter Risperidon-Anwenderinnen (entsprechend 5,7 % der Risperidon-Anwenderinnen), 134 unter Anwenderinnen von Antipsychotika der zweiten Generation (5,5 %) und 84 unter Anwenderinnen von Antipsychotika der ersten Generation (9,8 %). Es erfolgte eine Adjustierung für Alter, die besonders wichtig erscheint, da die Patientinnen aus der Gruppe der Anwenderinnen von Risperidon und Antipsychotika der ersten Generation mit durchschnittlich 71,3 ± 20,9 Jahren bzw. 66,9 ± 19,2 Jahren deutlich älter waren als Patientinnen aus der Gruppe der Anwenderinnen von Antipsychotika der zweiten Generation (46,2 ± 18,1 Jahre). Nach Adjustierung für Alter konnte keine statistische Signifikanz herausgearbeitet werden. Ergebnis dieser Arbeit war demnach, dass weder die Behandlung mit Risperidon noch mit anderen Antipsychotika der ersten oder zweiten Generation mit einem erhöhten Mammakarzinomrisiko vergesellschaftet ist. Diese Studie weist allerdings einige erhebliche methodische Einschränkungen auf. So kann die Studie aufgrund der nur sehr kurzen durchschnittlichen Nachbeobachtungsdauer von 2,4 bis 2,8 Jahren, welche zu einem wesentlichen Teil sicherlich dem höheren Lebensalter der eingeschlossenen Probandinnen geschuldet ist, im Mittel lediglich eine Aussage über das hiermit einhergehende Kurzzeitrisiko treffen [27], während in der Arbeit von Taipale und Kollegen gerade erst ab einer fünfjährigen Exposition ein erhöhtes Mammakarzinomrisiko gefunden wurde. Zudem fehlt eine Vergleichsgruppe an Probandinnen, die nicht mit Antipsychotika behandelt wurden. Eine Einteilung der Antipsychotika nach ihrem Risiko für eine Prolactin-Erhöhung – wie in der Arbeit von Taipale und Kollegen [36] – erfolgte ebenfalls nicht. Dieses ist aufgrund der deutlichen Unterschiede zwischen den Antipsychotika der zweiten Generation bezüglich ihres Risikos der Prolactin-Erhöhung bedeutsam.

De Hert und Kollegen 2016

Ein aus dem Jahr 2016 stammendes Review kommt zu der Schlussfolgerung, dass andere Risikofaktoren, wie Nulliparität, Diabetes mellitus, Adipositas und ein ungesunder Lebensstil (u. a. Alkoholkonsum, Rauchen, fehlende körperliche Betätigung) gegenüber der antipsychotikabedingten Prolactin-Erhöhung eine deutlich übergeordnete Rolle spielen [4], wobei zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Arbeit im Jahr 2016 die Arbeit von Taipale und Kollegen [36] sowie die Arbeiten der anderen oben dargestellten Ergebnisse [25, 26] natürlich noch nicht veröffentlicht waren. Einige dieser genannten Risikofaktoren finden sich auch weitaus häufiger bei Frauen, die an einer Schizophrenie erkrankt sind [4]. Hier ist der Einfluss einer wirksamen antipsychotischen Therapie auf die Möglichkeiten der Patientinnen zu einer gesünderen Lebensführung bei der Güterabwägung ebenso zu berücksichtigen wie unerwünschte Effekte.

Als Limitation der genannten Studien [6, 25–27] wie auch in der Studie von Taipale und Kollegen [36] ist zu erwähnen, dass jeweils kein therapeutisches Drug-Monitoring (TDM) erfolgt ist, um die Serumkonzentration der jeweiligen Antipsychotika zu bestimmen. Dieses Vorgehen ist bei großen Beobachtungsstudien auch kaum praktikabel, jedoch schränkt es die Qualität der Studien jeweils ein, da in Anbetracht der hohen Rate an Non-Adhärenz unter an Schizophrenie erkrankten Patienten [22] nur auf diese Weise tatsächlich auch nachgewiesen werden kann, inwiefern tatsächlich die Einnahme der verordneten Antipsychotika erfolgte.

Prolactin-Erhöhung unter anderen Arzneistoffen

Antipsychotika sind nicht die einzige Arzneistoffklasse, deren Anwendung mit einer Prolactin-Erhöhung einhergehen kann. Einige Antidepressiva wie Amitriptylin, Imipramin, Clomipramin, Tranylcypromin, Sertralin, Fluoxetin, Fluvoxamin und Venlafaxin können eine Prolactin-Erhöhung begünstigen, wenngleich der zugrunde liegende Pathomechanismus nicht so plausibel erscheint wie der der Antipsychotika [1, 39]. Darüber hinaus sind auch diverse Nicht-Psychopharmaka wie Metoclopramid, Domperidon, Alpha-Methyldopa, Verapamil, Morphin, Cimetidin und Ranitidin für ein gewisses Risiko einer Prolactin-Erhöhung bekannt [39].

Der Umgang mit der Prolactin-Erhöhung

Aus den oben beschriebenen Ergebnissen ist die Überlegung ableitbar, bei Neueinstellung auf ein Antipsychotikum bei Frauen primär Substanzen zu berücksichtigen, die nicht mit einem relevanten Prolactin-Anstieg einhergehen [37]. Tabelle 1 gibt einen Überblick zu einigen häufig angewandten Antipsychotika und deren Potenzial, eine Prolactin-Erhöhung zu bedingen. Neben den Antipsychotika der ersten Generation sind Amisulprid und Risperidon bzw. Paliperidon die Substanzen, denen das höchste Risiko einer Prolactin-Erhöhung zugeschrieben wird [24].

Tab. 1. Einteilung einiger gängiger Antipsychotika nach deren Risiko einer Prolactin-Erhöhung* (adaptiert nach [24, 26, 36])

Risiko für eine

Prolactin-Erhöhung

Antipsychotische Subgruppe

Einzelsubstanzen

Hoch

Hochpotente Antipsychotika der ersten Generation

Alle hochpotenten Antipsychotika der ersten Generation, u. a.:

Haloperidol

Fluphenazin

Perphenazin

Flupentixol

Zuclopenthixol

Niederpotente Antipsychotika der ersten Generation

Alle niederpotenten Antipsychotika der ersten Generation, u. a.:

Melperon

Levomepromazin

Chlorpromazin

Antipsychotika der zweiten Generation

Risperidon

Paliperidon

Amisulprid

Olanzapin1

Niedrig

Antipsychotika der zweiten Generation

Asenapin

Clozapin

Quetiapin

Ziprasidon2

Selektive D2/D3-Rezeptor-Partialagonisten

Aripiprazol

Cariprazin

*Die Tabelle erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Zudem ist zu beachten, dass die Einteilung der Antipsychotika nach dem Risiko für eine Prolactin-Erhöhung in der hierzu verfügbaren Literatur zum Teil etwas unterschiedlich eingeschätzt wird.

1Olanzapin wird auch ein mittelhohes Risiko einer Prolactin-Erhöhung zugeschrieben [24, 26]

2Ziprasidon wird ein niedriges bis mittelhohes Risiko einer Prolactin-Erhöhung zugeschrieben [24]

Sollte aus klinischen Überlegungen die Notwendigkeit der Anwendung eines Antipsychotikums mit erhöhtem Risiko für die Entwicklung einer Hyperprolaktinämie ergeben, so kann durch eine niedrig dosierte zusätzliche Aripiprazol-Gabe (zum Beispiel täglich 5 mg) das Risiko einer Prolactin-Erhöhung gesenkt werden [31]. Dies stellt die Behandlungsoption mit der insgesamt höchsten Evidenz dar [19]. Bei dieser Kombinationsbehandlung ist angesichts der Substanzspezifika des Aripiprazol auf mögliche Impulskontrollstörungen, psychotische Rezidive und Akathisien besonders zu achten, ähnlich wie bei den Dopaminagonisten in der Parkinson-Behandlung und bei Cariprazin [10]. In der Datenbank des Projekts Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie (AMSP e. V.) sind mehrere Meldungen entsprechender unerwünschter Wirkungen unter den partiellen Dopaminagonisten eingegangen [10, 34].

Sollte eine Behandlung mit einem Prolactin-erhöhenden Antipsychotikum aus klinischen Gründen erforderlich sein, so ist eine regelmäßige Kontrolle des Prolactin-Spiegels sinnvoll. Die Prolactin-erhöhende Wirkung des Antipsychotikums kann bereits wenige Stunden nach der ersten Einnahme einsetzen [39]. Nach einer längerfristigen Behandlung über mehrere Monate bis Jahre kann im Rahmen einer Toleranzentwicklung die Prolactin-erhöhende Wirkung wieder nachlassen, sodass gegebenenfalls normale Prolactin-Spiegel gemessen werden [24]. Da der Prolactin-Spiegel im Tagesverlauf Schwankungen unterliegt [45], sollte dieser erst nach einer Wachphase von mindestens zwei bis drei Stunden bestimmt werden [39]. Eine Prolactin-Bestimmung nach körperlicher Anstrengung kann zu falsch-hohen Werten führen [9].

Was wissen wir – was können wir nun damit machen?

Insgesamt spricht die aktuell verfügbare Datenlage dafür, dass die Behandlung mit Antipsychotika, insbesondere mit Prolactin-erhöhenden Antipsychotika über lange Zeit, das Risiko eines Mammakarzinoms geringgradig erhöht. So ist bei Patientinnen mit einer paranoiden Schizophrenie gegenüber ihrem ohnehin bereits erhöhten Risiko, ein Mammakarzinom zu entwickeln, von einer weiteren Risikoerhöhung um 2,2 % auszugehen (Abb. 1). Bei der Interpretation dieser Berechnung ist allerdings zu beachten, dass hier lebensstilbedingte und medikamentöse Faktoren schwierig zu trennen sind.

Abb. 1. Graphische Darstellung mit Herleitung der absoluten Risikoerhöhung der Lebenszeitinzidenz eines Mammakarzinoms für Patientinnen mit einer Schizophrenie sowie für mit Antipsychotika behandelte Patientinnen 1 Angabe aus [28]; 2 Angabe aus [44]; 3 Angabe aus [18] *gegenüber der weiblichen Allgemeinbevölkerung; AP: Antipsychotikum; CA: Karzinom

Dennoch erscheint es sinnvoll, bei der Auswahl eines Antipsychotikums eine gründliche Abwägung von Chancen und Risiken vorzunehmen. Angesichts der aktuell noch nicht eindeutigen Befundlage bezüglich eines kausalen Zusammenhangs zwischen erhöhten Prolactin-Spiegeln und einem erhöhten Mammakarzinomrisiko sollte insbesondere die Unterversorgung von Krebspatientinnen mit schweren psychiatrischen Erkrankungen bedacht werden [5]. Hier sind die Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen und die Therapieadhärenz bei onkologischer Behandlung als Einflussgrößen mit erheblicher Effektstärke zu sehen. Sollte durch eine suffiziente antipsychotische Behandlung die Selbstfürsorgefähigkeit und Adhärenz der Patientinnen gestärkt werden können, ist dieser Effekt in die Abwägung mit einzubeziehen. Wenn möglich, sollten Prolactin-neutrale Antipsychotika bevorzugt werden, da hier das Spektrum unerwünschter Effekte auch jenseits der Tumorproblematik meist günstiger ausfällt.

Besondere Vorsicht ist bei postmenopausalen Frauen mit einer Schizophrenie geboten, die ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Mammakarzinoms aufweisen [7]. In diesem Zusammenhang sollten insbesondere auch diejenigen Faktoren berücksichtigt werden, die bekanntermaßen mit einem erhöhten Mammakarzinomrisiko assoziiert sind, die überdurchschnittlich häufig bei an Schizophrenie erkrankten Frauen vorkommen, wie Adipositas, Konsum von Tabak und Alkohol sowie Diabetes mellitus [4], und gleichzeitig auch leicht erfragt werden können beziehungsweise häufig dem Behandler ohnehin bereits bekannt sind. Des Weiteren sollten sowohl die patienteneigene Anamnese hinsichtlich eines Mammakarzinoms sowie die Familienanamnese erfragt werden, wobei Letztere eine bis zu dreifache Erhöhung des Mammakarzinomrisikos bedingen kann [32]. Insbesondere sollte bei Patientinnen mit bekannter Mutation im BRCA-Gen, die ohnehin ein erhöhtes Risiko für ein Mammakarzinom haben, der längerfristige Einsatz Prolactin-erhöhender Antipsychotika vermieden werden [12]. Eine Kombination mit anderen potenziell Prolactin-erhöhenden Arzneistoffen sollte nach Möglichkeit vermieden werden, um mögliche pharmakodynamische Effekte im Sinne einer additiven Prolactin-Erhöhung zu vermeiden.

Fazit für die Praxis

Seit 2005 wird in Deutschland jede Frau zwischen 50 und 69 Jahren alle zwei Jahre zur Teilnahme am Mammographie-Screening eingeladen. Nach einer aktuellen Neubewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) würden auch Frauen zwischen 45 und 49 Jahren sowie zwischen 70 und 74 Jahren von einem regelmäßigen Screening auf ein Mammakarzinom profitieren [14]. Insbesondere Frauen mit psychischen Erkrankungen sollten vor dem Hintergrund der dargestellten Risikofaktoren von ihren betreuenden Ärzten ermutigt werden, diese Vorsorgeuntersuchungen regelmäßig wahrzunehmen.

Individuelle und lebensstilbedingte Risikofaktoren sollten bei der Anamneseerhebung vor einer antipsychotischen Therapie erfragt und, wenn möglich, verändert werden. Da dieses vielen Patientinnen bei wirksamer antipsychotischer Behandlung besser gelingen kann, ist hier eine Abwägung zu treffen. Eine mögliche Risikoerhöhung, insbesondere bei Risikopatientinnen, sollte Teil eines adressatengerechten Aufklärungsgesprächs sein.

Bei etablierter antipsychotischer Therapie mit einer Prolactin-Erhöhung kann ein Versuch der Kombination mit partiellen Dopaminagonisten im Sinne einer Off-Label-Behandlung unter Berücksichtigung der substanzspezifischen Risiken erfolgen.

Angesichts der noch unklaren aktuellen Datenlage ist keine Empfehlung zu einem generellen Absetzen von Prolactin-erhöhenden Antipsychotika begründbar. Allerdings kann insbesondere bei postmenopausalen Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom eher zu Prolactin-neutralen Antipsychotika geraten werden.

Interessenkonflikterklärungen

DD: Vortragshonorar von Aristo Pharma

GE: Klinische Visiten und Vorträge zum Thema Polypharmazie (Sponsoren Aristo Pharma, Janssen)

CH: Vortragshonorare Otsuka

ST: Vortragshonorare Janssen-Cilag GmbH, Otsuka/Lundbeck, Recordati Pharma GmbH und Servier, Advisory Board Otsuka und Janssen-Cilag GmbH.

WP, MS, RG, SB, JS: Keine Interessenkonflikte

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Dr. med. Dominik Dabbert, Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie, Klinikum Bremen-Ost, Züricher Straße 40, 28325 Bremen, E-Mail: dominik.dabbert@klinikum-bremen-ost.de

Dr. Gabriel Eckermann, Berlin

Prof. Dr. Christoph Hiemke, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Dr. med. Wolfgang Paulus, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Ulm

Dr. med. Sermin Toto, Prof. Dr. med. Stefan Bleich, Dr. med. Johanna Seifert, Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover

Dr. med. Monika Singer, kbo-Lech-Mangfall-Klinik, Agatharied

Dr. Renate Grohmann, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Ludwig-Maximilians-Universität München

Prolactin-increasing antipsychotic drugs and breast cancer – the current state of knowledge and clinical implications

Among females, breast cancer has a lifetime prevalence of 12.3 %. The risk of breast cancer underlies hormonal influences. In so, increased serum prolactin concentrations may increase the risk of breast cancer. The propensity of antipsychotic drugs to cause an increase in serum prolactin concentrations due to their dopamine D2 receptor antagonism is well established. Some studies, such as a recent case-control study by Scandinavian colleagues led by Heidi Taipale from 2021, have drawn attention to the association between the use of certain antipsychotic drugs and an increased risk of developing breast cancer. In the following review, this topic will be further explored using the studies currently available. In addition, the pathophysiological hormonal causes will be explained. Our aim is to provide physicians with an overview of the risk of breast cancer associated with antipsychotic drug use according to the current state of knowledge as well as provide implications for clinical practice regarding choice of antipsychotic drugs and guidelines for an appropriate monitoring. Overall, we conclude that treatment with antipsychotic drugs increases the absolute risk of breast cancer by approximately 2.2 % in women who suffer from schizophrenia.

Key words: prolactin, breast carcinoma, tumor, drug safety, schizophrenia

Psychopharmakotherapie 2023; 30(02):54-62