Morbus Parkinson

Deferipron zur Therapie der frühen Parkinson-Krankheit


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Bei Patienten mit M. Parkinson im Frühstadium, die noch nie Levodopa erhalten hatten, und bei denen eine Behandlung mit dopaminergen Medikamenten aktuell geplant war, war der Eisenchelator Deferipron über einen Zeitraum von 36 Wochen mit schlechteren Werten bei der Messung der Beeinträchtigung durch die Krankheit verbunden als die Placebo-Gruppe.

Die Parkinson-Krankheit ist eine neurodegenerative Erkrankung, die durch den Verlust von Dopaminneuronen in der Substantia nigra und eine weit verbreitete Akkumulation von fehlgefaltetem Alpha-Synuclein und Lewy-Körperchen im Gehirn gekennzeichnet ist. Zusätzlich wurde ein erhöhter Eisengehalt in nigrostriatalen Neuronen mit der Pathophysiologie der Parkinson-Krankheit in Verbindung gebracht. Deferipron ist ein Eisenchelator, der bei transfusionsabhängiger Thalassämie in Tagesdosen von 75 bis 100 mg pro Kilogramm Körpergewicht (KG) eingesetzt wird und in der Lage ist, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Eine kleine, Placebo-kontrollierte Pilotstudie zeigte, dass Deferipron die Eisenanreicherung im Gehirn, gemessen durch Magnetresonanztomographie (MRI), reduzierte und motorische Behinderungen im Vergleich zu Placebo verbesserte [1]. Dem wurde nun in einer größeren Phase-II-Studie nachgegangen.

Studiendesign

In die multizentrische, randomisierte Phase-II-Doppelblindstudie wurden Teilnehmer mit neu diagnostizierter Parkinson-Krankheit aufgenommen, die noch nie Levodopa erhalten hatten. Die Teilnehmer wurden (im Verhältnis 1 : 1) einer oralen Deferipron-Dosis von 15 mg/kg KG zweimal täglich oder Placebo zugeteilt. Die Therapie erfolgte über 36 Wochen. Eine dopaminerge Therapie wurde nicht durchgeführt, es sei denn, sie wurde zur Symptomkontrolle für notwendig erachtet.

Der primäre Endpunkt war die Veränderung der Gesamtpunktzahl auf der Movement Disorder Society Revision der Unified Parkinson’s Disease Rating Scale (MDS-UPDRS). Diese Skala hat einen Bereich 0 bis 260 Punkten, wobei höhere Punktzahlen eine stärkere Beeinträchtigung anzeigen. Zu den sekundären und explorativen Endpunkten nach bis zu 40 Wochen gehörten Messungen der motorischen und nichtmotorischen Behinderung. Der mithilfe der MRI gemessene Eisengehalt des Gehirns war ebenfalls ein explorativer Endpunkt.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 372 Teilnehmer in die Studie aufgenommen, 186 erhielten Deferipron und 186 Placebo. Die Studienteilnehmer waren im Mittel 62 Jahre alt und 63 % waren Männer. Die Krankheit bestand im Mittel seit 105 Tagen. Der MDS-UPDRS-Score betrug 34. Ein Fortschreiten der Symptome führte bei 22,0 % der Teilnehmer in der Deferipron-Gruppe und bei 2,7 % der Teilnehmer in der Placebo-Gruppe zur Einleitung einer dopaminergen Therapie. Der mittlere MDS-UPDRS-Gesamtscore verschlechterte sich um 15,6 bzw. 6,3 Punkte. Die Differenz betrug 9,3 Punkte zuungunsten von Deferipron (95%-Konfidenzintervall 6,3–12,2; p < 0,001). Der nigrostriatale Eisengehalt nahm in der Deferipron-Gruppe stärker ab als in der Placebo-Gruppe. Die wichtigsten schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen bei Deferipron waren eine Agranulozytose bei zwei Teilnehmern und eine Neutropenie bei drei Teilnehmern.

Kommentar

Die Ergebnisse dieser Studie waren sehr überraschend. Obwohl sich in der Kernspintomographie eine signifikante Reduktion des Eisengehalts in der Substantia nigra unter aktiver Therapie fand, verschlechterte sich die Symptomatik der Parkinson-Erkrankung in der Gruppe, die Deferipron erhielt.

Der Studienansatz selbst ist richtig: Eine mögliche neuroprotektive Therapie bei Morbus Parkinson kann am besten im Frühstadium der Erkrankung untersucht werden, wenn der mögliche Therapieerfolg nicht durch eine dopaminerge Medikation kontaminiert ist. Die Beobachtung, dass insbesondere in den ersten drei Monaten die Parkinson-Symptomatik in der Verum-Gruppe schlechter wurde, könnte darauf hinweisen, dass Deferipron eine antidopaminerge Nebenwirkung hat.

Die Ergebnisse der Studie rechtfertigen auch in Zukunft nicht, Eisenchelatoren in der Therapie des Morbus Parkinson einzusetzen.

Quelle

Devos D, et al. Trial of deferiprone in Parkinson’s disease. N Engl J Med 2022;387:2045–55.

Literatur

1. Devos D, et al. Targeting chelatable iron as a therapeutic modality in Parkinson’s disease. Antioxid Redox Signal 2014;21:195–210.

Psychopharmakotherapie 2023; 30(02):63-69