Multiple Sklerose

Nachhaltige Reduktion der Schubrate unter Ponesimod-Langzeittherapie


Sonja Zikeli, Stuttgart

Patienten mit schubförmig-remittierender multipler Sklerose (RRMS) profitierten von einer Langzeittherapie mit Ponesimod 20 mg über einen Zeitraum von etwa acht Jahren. Knapp zwei Drittel der RRMS-Patienten blieben schubfrei, im Durchschnitt erlitten sie nur alle 6,5 Jahre einen Schub. Gleichzeitig war die Verträglichkeit des Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-1-Modulators gut. Darauf deuten die Ergebnisse einer multizentrischen, doppelblinden Phase-IIb-Studie hin.

Ponesimod ist ein oraler, selektiver Sphingosin-1-Phosphat(S1P)-Rezeptor-1-Modulator. Er bindet mit hoher Affinität an die S1P-Rezeptoren-1 und inhibiert dosisabhängig den Austritt von Lymphozyten aus den Lymphknoten. Dadurch sinkt sowohl die Lymphozyten-Konzentration im Blut als auch die Migration von Lymphozyten in das zentrale Nervensystem [1].

Bei chronischen Krankheiten wie MS sind Langzeitdaten essenziell für eine rationale Entscheidung für oder gegen eine – idealerweise krankheitsmodifizierende – Pharmakotherapie. Daher untersuchten die Autoren der vorliegenden Dosisfindungsstudie die Auswirkungen einer Ponesimod-Langzeittherapie auf die Schubrate, den Krankheitsverlauf und die Sicherheit bei RRMS-Patienten, die die Therapie entweder abschlossen oder vorzeitig abbrachen.

Studiendesign

Um die Dosis-Wirkungs-Beziehung von einmal täglich eingenommenem Ponesimod 10 mg, 20 mg und 40 mg zu analysieren und Langzeitdaten erfassen zu können, teilten die Autoren die Studie in eine Haupt- und in eine darauffolgende Erweiterungsstudie auf. Insgesamt wurden 464 Patienten mit RRMS im Verhältnis 1 : 1 : 1 : 1 randomisiert und erhielten über 24 Wochen entweder einmal täglich Placebo (n = 121) oder Ponesimod 10 mg (n = 108), 20 mg (n = 116) oder 40 mg (n = 119). Patienten, die die Hauptstudie abschlossen, konnten an der prospektiven, multizentrischen, randomisierten, Parallelgruppen-Erweiterungsstudie teilnehmen, in der die Autoren die Wirksamkeit und Sicherheit von Ponesimod 20 mg über acht Jahre untersuchten. Diese war aus drei verschiedenen Behandlungsphasen (TP1–3) aufgebaut (Tab. 1).

Tab. 1. Behandlungsphasen der Verlängerungsstudie [Freedman et al.]

Behandlungsphase

Beschreibung

TP1

Ab 5/2010–7/2011, direkt im Anschluss an die (Hauptstudie):

  • RRMS-Patienten aus der Verum-Gruppe erhielten die gleiche Ponesimod-Dosis wie in der Hauptstudie
  • RRMS-Patienten aus dem Placebo-Arm wurden im Verhältnis 1 : 1 : 1 randomisiert und nahmen Ponesimod 10 mg, 20 mg oder 40 mg ein (doppelblind)

Die Behandlungsdauer betrug bis zu 96 Wochen.

TP2

Nach einer Zwischenauswertung 2011:

  • Alle Patienten mit 10 mg oder 20 mg Ponesimod behielten die Dosierung bei
  • Patienten aus dem 40-mg-Arm wurden 1 : 1 randomisiert und nahmen Ponesimod 10 mg oder 20 mg (doppelblind)

TP3

Nach einer Zwischenauswertung 2016:

  • Alle Patienten nahmen Ponesimod 20 mg ein (unverblindet)

Die Behandlungsdauer von TP2+TP3 betrug bis zu 432 Wochen.

Primäre Wirksamkeits-Endpunkte waren die auf das Jahr umgerechnete Schubrate (ARR, annualized relapse rate), die Zeit bis zum Auftreten des ersten bestätigten Schubs sowie die nach sechs Monaten bestätigte Zunahme des Behinderungsgrads (CDA, confirmed disability accumulation). Die CDA basierte auf einem nachhaltigen Anstieg auf der Expanded Disability Status Scale (EDSS) von ≥ 0,5–1,5 Punkten, abhängig vom EDSS-Ausgangswert. Je größer der Behinderungsgrad bereits war, desto niedriger musste der Anstieg sein, um eine Zunahme des CDA anzudeuten. Daneben nutzten die Autoren Magnetresonanztomographie(MRT)-Scans zur Identifizierung akuter Läsionen.

Vorläufige Analyseergebnisse favorisieren Ponesimod 20 mg

Die Abbruchrate war in der 40-mg-Gruppe höher als im 20-mg- und 10-mg-Arm (47,7 % vs. 39,3 % vs. 41,0 %). Aufgrund der schlechteren Verträglichkeit von Ponesimod 40 mg wurde die weitere Gabe am Ende von TP1 gestoppt. Das hatte zur Folge, dass RRMS-Patienten, die in TP1 40 mg des Verums erhielten, zu Beginn von TP2 umgestellt werden mussten. Dafür wurden sie im Verhältnis 1 : 1 erneut randomisiert und entweder der 10-mg- oder 20-mg-Gruppe zugeteilt. Alle anderen Patienten hielten ihre ursprünglich zugeteilte Dosierung bei.

Der Vergleich des Nutzen-Risiko-Profils der 10-mg- und 20-mg-Gruppen führte dazu, dass auch die Gabe von Ponesimod 10 mg nicht weiterverfolgt wurde. Für TP3 wurden daraufhin alle Patienten, die bis dato der 10-mg-Gruppe zugeordnet waren, auf Ponesimod 20 mg umgestellt.

Ergebnisse

Die hier vorgestellten Daten umfassen die gesamte Ponesimod-Behandlungsdauer der Haupt- und Erweiterungsstudie. Insgesamt 435 Patienten erhielten mindestens eine Dosis Ponesimod (10 mg: n = 139; 20 mg: n = 145; 40 mg: n = 151). Die mediane Behandlungszeit betrug 7,95 Jahre. Ponesimod 20 mg zeigte eine nachhaltig geringere ARR (0,154 nach 432 Wochen), eine CDA wurde bei 20,4 % der Patienten ermittelt und knapp zwei Drittel (> 64 %) der Patienten blieben schubfrei. Damit führte einmal täglich eingenommenes Ponesimod in der Langzeitanwendung bei RRMS-Patienten im Vergleich zu Placebo zu dosisabhängigen, signifikanten und vor allem klinisch relevanten Effekten in allen klinischen Wirksamkeits-Endpunkten. Je höher die Dosis, desto seltener erlitten die RRMS-Patienten einen Schub. Gleiches galt für das Auftreten neuer Läsionen, allerdings gab es keinen Unterschied zwischen Ponesimod 20 mg und 40 mg. Interessant war, dass die ARR in der 20-mg-Gruppe zwischen dem ersten und zweiten Behandlungsjahr rückläufig war. Das bedeutet, das sich die ARR bereits nach dieser Zeit stabilisierte. Bis zum Ende von TP3 betrug die ARR in der 20-mg-Gruppe 0,15, wohingegen die ARR bei Patienten mit vorzeitig abgebrochener Therapie fast doppelt so hoch war (0,28). Der Anteil der Patienten in der 20-mg-Gruppe mit einem erhöhten CDA am Ende von TP3 betrug 15,2 %, außerdem wiesen 30 % der Patienten in der 20-mg-Gruppe keine neuen aktiven Läsionen auf.

Sicherheit

Zu den häufigsten unerwünschten Ereignissen (UE) in TP1 über alle Ponesimod-Gruppen hinweg zählten Nasopharyngitis (30 %), Kopfschmerzen (24 %) und Infektionen der oberen Atemwege (21 %). Neue Sicherheitssignale traten in TP2 und TP3 nicht auf, sie entsprachen im Wesentlichen den bereits beobachteten UE und waren insgesamt leicht bis moderat ausgeprägt. Schwerwiegende UE beobachteten die Autoren bei 18,6 % der Patienten unter Ponesimod 20 mg und bei 17,7 % in allen Ponesimod-Gruppen. Während der Titrationsphase wirkte sich die Ponesimod-Initialdosis von 10 mg auf die Herzfrequenz und den Blutdruck aus. Mit zunehmender Dosissteigerung nach Tag 8 bzw. Tag 15 normalisierte sich der Effekt jedoch und war sogar kleiner als an Tag 1.

Fazit der Studienautoren

Die Autoren beobachteten einen signifikanten und vor allem klinisch relevanten dosisabhängigen Trend für die dargestellten Wirksamkeits-Endpunkte. Allerdings war die Abbruchrate in der 40-mg-Gruppe höher, sodass die Autoren Ponesimod in der Dosierung 20 mg aufgrund des besten Nutzen-Risiko-Verhältnisses favorisierten. Die Langzeittherapie mit Ponesimod 20 mg über etwa acht Jahre führte bei RRMS-Patienten zu einer nachhaltigen Reduktion und Stabilisierung der Krankheitsaktivität, insbesondere der Schubrate. Außerdem weisen die Autoren darauf hin, dass die Behandlungseffekte von Ponesimod im Allgemeinen mit denen anderer S1P-Rezeptor-Modulatoren wie Fingolimod oder Siponimod vergleichbar sind [2, 3].

Quelle

Freedman MS, et al. Long-term treatment with ponesimod in relapsing-remitting multiple sclerosis – results from randomized phase 2b core and extension studies. Neurology 2022;99:e762–e774.

Literatur

1. D’Ambrosio D, et al. Ponesimod, a selective S1P1 receptor modulator: a potential treatment for multiple sclerosis and other immune-mediated diseases. Ther Adv Chronic Dis. 2016;7:18–33.

2. Kappos L, et al. Safety and efficacy of siponimod (BAF312) in patients with relapsing-remitting multiple sclerosis: dose-blinded, randomized extension of the phase 2 BOLD study. JAMA Neurol 2016;73:1089–98.

3. Montalban X, et al. Long-term results from a phase 2 extension study of fingolimod at high and approved dose in relapsing multiple sclerosis. J Neurol 2015;262:2627–34.

Psychopharmakotherapie 2023; 30(01):30-37