Dr. Maja M. Christ, Stuttgart
Morbus Parkinson weist ein komplexes Krankheitsbild mit einem individuell variablen Verlauf auf. Die Lebensqualität der Patienten wird sowohl durch motorische als auch nichtmotorische Symptome beeinflusst. Reicht die Therapie mit Levodopa oder Dopaminagonisten nicht mehr aus, um die progressive Erkrankung zu kontrollieren, kommen Add-on-Therapien zum Einsatz. Seit 2015 ist hierfür unter anderen Safinamid (Xadago®) zugelassen. Nach der Zulassung hatte die europäische Arzneimittelagentur (EMA) Untersuchungen zu in den Zulassungsstudien unterrepräsentierten Patientengruppen gefordert. Hierzu gehörten Patienten > 75 Jahre, Patienten mit relevanter Komorbidität sowie Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen. Primäres Ziel der darauffolgenden Studie SYNAPSES war es, in diesen Patientengruppen unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) unter Real-Life-Bedingungen zu identifizieren. Insgesamt wurden etwa 1600 Patienten in 136 europäischen Zentren eingeschlossen [1].
Reduktion motorischer Komplikationen auch bei Komorbidität
In Deutschland nahmen 181 Patienten mit idiopathischem Parkinsonsysndrom an der Studie teil. Der vorwiegende Teil hatte mindestens eine relevante Komorbidität (n = 153), 52 Patienten waren > 75 Jahre und 69 wiesen eine psychiatrische Erkrankung auf. Im Mittel waren die Patienten beim Einschluss in die Studie 69,1 (± 8,7) Jahre alt, 70 % waren männlich. Die Diagnose Parkinson bestand im Mittel seit 7,2 (± 5,3) Jahren. Alle Patienten erhielten Levodopa. Bei 62 % der Patienten wurde während der Beobachtungsphase die Dosis erhöht, bei 6 % erniedrigt. 62 % der Patienten hatten mindestens ein unerwünschtes Ereignis (UE) während der Beobachtungsphase, die Hälfte von ihnen milder Natur. Die meisten UE standen nicht in Zusammenhang mit Safinamid, so Wolfgang Jost, Wolfach. Insgesamt wurden in der Subgruppe der Patienten > 75 Jahre und bei Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen keine relevanten Unterschiede in der Häufigkeit und Schwere der UE und den Reaktionen darauf beobachtet. 14 % der älteren Patienten versus 8 % der Jüngeren hatten ein schweres UE. In der Subgruppe der Patienten mit relevanter Komorbidität zeigten fast die Hälfte ein UE und 11 % ein schweres UE. Bei knapp 80 % der Patienten trat ein Wearing-off auf, nach 12 Monaten bei etwas mehr als der Hälfte (Tab. 1).
Tab. 1. SYNAPSES: Fluktuationen im Beobachtungszeitraum in der deutschen Gruppe
Motorische Komplikation |
Gesamtkohorte (n = 181) [Anzahl (%)] |
Nach 4 Monaten (n = 160) [Anzahl (%)] |
Nach 8 Monaten (n = 147) [Anzahl (%)] |
Nach 12 Monaten (n = 149) [Anzahl (%)] |
Wearing off |
142 (79 %) |
94 (59 %) |
86 (59 %) |
82 (55 %) |
Unvorhersehbare Fluktuationen |
17 (9 %) |
9 (6 %) |
5 (3 %) |
10 (7 %) |
Morgendliche Fluktuationen |
60 (33 %) |
40 (25 %) |
40 (27 %) |
36 (24 %) |
Verspätetes ON |
9 (5 %) |
3 (2 %) |
3 (2 %) |
4 (3 %) |
Dyskinesien |
50 (28 %) |
34 (21 %) |
25 (17 %) |
22 (15 %) |
Andere |
8 (4 %) |
3 (2 %) |
6 (4 %) |
3 (2 %) |
Insgesamt bestätigten die Studiendaten die aus der Zulassungsstudie bekannte Wirksamkeit von Safinamid. Die Verträglichkeit war über alle Altersgruppen und bei unterschiedlichen Begleiterkrankungen gut. Die Patienten profitierten von einer verbesserten Motorik, insbesondere in Bezug auf Wearing-off-Symptome und frühmorgendliche Fluktuationen. Jost betonte, dass Safinamid somit eine wirksame und sichere Option für das therapeutische Management von motorischen Fluktuationen bei mit Levopoda behandelten Patienten sei.
Lebensqualität: „Man muss über die Motorik hinausschauen“
Wichtiger noch als motorische Einschränkungen seien für Parkinson-Patienten in Bezug auf die Lebensqualität (QoL) nichtmotorische Symptome, berichtete Heinz Reichmann, Dresden. Sie machen fast die Hälfte der QoL-reduzierenden Faktoren aus. Hierzu gehören unter anderem Schmerzen, Obstipation, Dysphagie, Depression, Fatigue, Schwitzen oder innere Unruhe. Ein frühes Symptom scheint eine Riech- und Schmeckstörung zu sein. Den Ergebnissen einer prospektiven Studie zufolge [2] entwickelte knapp ein Drittel der Patienten mit kombinierter Riech- und Schmeckstörung im weiteren Verlauf Morbus Parkinson.
In der offenen, prospektiven Phase-IV-Studie SAFINONMOTOR an fünf spanischen Zentren mit 50 Patienten konnte ein positiver Effekt von Safinamid auf motorische sowie nicht-motorische Symptome gezeigt werden [4]. In den Kategorien Schlaf/Fatigue, Stimmung, Aufmerksamkeit, Magen-Darm- sowie Harnwegssymptome des NMSS (non-motor symptom scale)-Score zeigten sich Verbesserungen. Unter 100 mg Safinamid verbesserte sich der NMSS-Score um fast 40 %, der PDQ-39SI um knapp 30 %. Die Patienten waren beweglicher, fühlten sich wohler, hatten weniger Schmerzen und Unwohlsein und konnten eher an Aktivitäten des täglichen Lebens teilnehmen. Die motorischen Symtome, gemessen anhand des UPDRS III, verbesserten sich unter 100 mg Safinamid um 18 %. UE traten bei 16 Patienten auf, am häufigsten Dyskinesien und Nausea.
Auch auf verschiedenen Schmerzskalen (King’s Parkinson’s disease pain scale [KPPS] und weitere) zeigte sich unter Safinamid ein positiver Effekt.
Aktivierende Therapien unterstützen Pharmakotherapie
Neben klassischen Verfahren wie Physio- oder Ergotherapie und Logopädie können bei Parkinson psychologische Interventionen, sportliches Training, Verwenden von Hinweisreizen („Cueing“), Tanzen, Musiktherapie, TaiChi, QuiGong oder Yoga unterstützend wirken. Es zeigte sich bereits, dass eine hohe regelmäßige körperliche Aktivität mit besserem Gehen und Gleichgewicht assoziiert ist. Auch die Schlafqualität lässt sich verbessern.
Georg Ebersbach, Beelitz-Heilstätten, stellte verschiedene Ansätze vor, die Patienten beim Gehen oder Sprechen unterstützen können. Ein einfaches Instrument ist das therapeutisches Sprechbrett (Pacing Board, Abb. 1): Mit jeder Silbe wandert der Finger auf dem Brett ein Feld weiter, was das Sprechmuster deutlich verbessern kann.
Abb. 1. Therapeutisches Sprechbrett zur Unterstützung für verständliches Sprechen [Red.]
Zum Verbessern des Gehmusters ist bereits der positive Effekt eines „Anti-Freezing“-Stocks bekannt. In einer aktuellen Studie konnte nun gezeigt werden, dass sich über ein Musik-Feedback neben dem Armschwung auch die Schrittlänge signifikant verbessern lässt [3]. Die Probanden trugen an ihrem Handgelenk ein Smartphone. Beim Gehen wurde die Stärke ihres Armschwungs über den Bewegungssensor erfasst und auf eine App übertragen, die wiederum je nach Armschwungintensität eine abgespielte Musik intensivierte. Die entsprechende App „CuraSwing“ ist noch in der Entwicklung.
Eine Auswertung von Versicherungsdaten niederländischer Parkinson-Patienten zeigte, dass Patienten, die eine spezielle Physiotherapie erhalten, weniger Sekundärkomplikationen und eine höhere Lebenserwartung hatten als Patienten mit konventioneller Versorgung. Die Kosten für die Physiotherapie und medizinischen Ausgaben waren bei spezialisierter Versorgung niedriger. Dennoch zahlen nach wie vor viele Krankenkassen solche Programme nicht, bedauerte Ebersbach.
Als bemerkenswertes Beispiel stellte er zudem „Ping-Pong-Parkinson“ vor. Das Ping-Pong-Spiel fördere Beweglichkeit, Gleichgewichtssinn, Reaktionsvermögen sowie Hand-Augen-Koordination, verhindere soziale Isolation und verbessere das Gedächtnis, die Konzentrationsfähigkeit und den Schlaf.
Fazit
In aktuellen Studien bestätigte sich, dass die Kombination aus dopaminergem und antiglutamatergem Wirkansatz mit Safinamid als Add-on zu einer Therapie mit Levodopa wirksam und sicher ist. Begleitend helfen auch nichtpharmakologische Ansätze. Eine spezialisierte Physiotherapie ist bei Patienten mit Parkinson wirksam und kosteneffizient. Schwierig bleibt jedoch weiterhin der Transfer in den Alltag.
Quelle
Prof. Dr. med. Wolfgang Jost, Wolfach, Prof. Dr. med. Heinz Reichmann, Dresden, Prof. Dr. med. Georg Ebersbach, Beelitz-Heilstätten, Fachpressekonferenz „Chancen ergänzender Therapien bei M. Parkinson: Wie sieht das optimale Maßnahmenpaket aus?“, veranstaltet von Zambon am 12. Mai 2022, Frankfurt am Main.
Literatur
1. Abbruzzese G, et al. J Parkinsons Dis 2022;12:473.
2. Haehner A, et al. J Neurol 2019;266:339–45.
3. Mainka S, et al. Mov Disord Clin Pract 2021;8:1240–7.
4. Santos Garcia D, et al. Brain Sci 2021,11:316.
5. Ypinga JHL, et al. Lancet Neurol 2018;17:153–61.
Psychopharmakotherapie 2022; 29(04):152-159