Depressionsbehandlung: Klinischer Konsens und persönliche Perspektive


Dr. Miriam Kirchner, Aachen

Depressionen

Ein Erfahrungsbuch zu Diagnostik, Verlauf, Therapie und Prävention

Von Manfred Wolfersdorf und Gerd Laux. Kohlhammer Verlag, Stuttgart, 2021. 227 Seiten, 21 Abbildungen, 21 Tabellen. Auch als E-Book erhältlich. Kartoniert 59,– Euro. ISBN 978-3-17-030647-9. E-Book (PDF-Format) 52,99 Euro. ISBN 978-3-17-030648-6.

Im Alltag der ärztlich-therapeutischen Ausbildung in der Klinik ist die fachliche Auseinandersetzung mit der Diagnose und dem Krankheitsbild Depression meist durch die Lektüre von Leitlinien und manualisierten Psychotherapie- und Psychoedukationsmaterialen geprägt. Der Titel „Depressionen. Ein Erfahrungsbuch zu Diagnostik, Verlauf, Therapie und Prävention“ gibt bereits einen Ausblick darauf, dass die Leser etwas anderes erwartet: Auf 227 Seiten, gegliedert in zwölf Kapitel, geben die Autoren einen umfassenden Überblick über Epidemiologie, klinisches Bild, Ätiopathogenese, Diagnostik, Therapie und Verlauf depressiver Erkrankungen. Dabei legen sie einen Schwerpunkt auf eine Darstellung klinischer Konsenspunkte („good clinical practice“).

Hierbei werden insbesondere Teile der Darstellung des klinischen Bildes, der Ätiopathogenese und der Therapie in ihren psychiatriegeschichtlichen Kontext eingebettet. Begriffe, die jüngeren Generationen von Weiterbildungsassistenten im Alltag nur noch selten begegnen, werden luzide eingeführt. Zum Beispiel erinnern die Autoren an das Kielholz-Schema, das in aktuellen Behandlungsplanungen keine aktive Rolle mehr spielt. Althergebrachte Grundsätze im klinischen Alltag (z. B. kein Einsatz antriebsteigernder Antidepressiva bei Suizidalität) werden anschaulich hergeleitet, um sie dann wiederum in die aktuelle leitliniengerechte Therapie einzuordnen und teilweise zu relativieren.

Die Autoren liefern im Kapitel zum „klinischen Bild“ eine anschauliche Darstellung weit über die ICD-10-Kriterien hinaus. Sie erläutern ausführlich aus ihrer klinischen Erfahrung Symptome im Behandlungsverlauf, die Selbstwahrnehmung der Patienten und die Perspektiven der Behandler. Verschiedene Beschwerdebilder werden praxisnah beleuchtet und mit Fallbeispielen veranschaulicht.

In abgesetzten Kästen geben die Autoren persönliche Einschätzungen zu Schwerpunktthemen. Dabei beziehen sie immer wieder Stellung zu soziokulturellen Entwicklungen, beispielsweise gesellschaftlichem Wandel und Digitalisierung. In dem Kapitel „Psychodynamisches Modell“ setzen die Autoren einen Schwerpunkt auf ein durch die Autoren selbst vor Jahren formuliertes Konzept, das auf ihren Erfahrungen aus der Arbeit auf Depressionsstationen mit trieb- und Ich-psychologischen, psychodynamischen Ansätzen in Kombination mit verhaltenstherapeutischen und kognitiven Angeboten basiert. Darüber hinaus wird eine umfassende Darstellung des State-of-the-Art zu Diagnostik und Therapie und ein Überblick über störungsspezifische Therapieverfahren (IPT, CBAS) gegeben.

Die persönlichen Anmerkungen der Autoren regen Leser dazu an, ihren eigenen klinischen Blick auf die aufgeführten Phänomene und Erfahrungen zu lenken und die eigene Sicht und Erfahrung von der akzentuierten Perspektive aus zu betrachten. Die Leser nehmen so eine Betrachtung der Inhalte ein, die zu einer lebhaften Reflexion einlädt und eine angeregte Auseinandersetzung mit der Thematik ermöglicht.

Psychopharmakotherapie 2022; 29(04):146-146