Neuromuskuläre Erkrankungen

„Wir alle wünschen uns gesunde Kinder“


Dr. Maja M. Christ, Stuttgart

Vom 23. bis 27. März 2021 fand der virtuelle Kongress des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e. V. (DGM) statt. Auf der Pressekonferenz am 24. März wurde über wichtige Errungenschaften, aber auch über Herausforderungen diskutiert.

SMA bald im Neugeborenen-Screening?

Eine der wichtigen Errungenschaften des Jahres 2020 ist sicherlich, dass die Untersuchung auf spinale Muskelatrophie (SMA) in das Neugeborenen-Screening aufgenommen werden soll, wie Stefan Perschke, Osnabrück, berichtete. In Pilotprojekten in Deutschland ließ sich zeigen, dass eine zuverlässige Erkennung von Kindern mit SMA im Screening möglich ist und durch die rechtzeitige Behandlung eine deutlich bessere Prognose erreicht wird.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie?

Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen benötigen Unterstützung im Alltag. Das Pflegepersonal für diese Patientengruppe wurde Perschke zufolge von der Politik zunächst komplett vernachlässigt. Die DGM konnte inzwischen erreichen, dass Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen in die Impfpriorisierungsgruppe 2 aufgenommen wurden. Auch Pflegende für Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen wurden hochgestuft.

Fortschritte bei der SMA

Ulrike Schara-Schmidt, Essen, betonte in ihrem Statement, dass es inzwischen für Kinder mit SMA erstmals Arzneimittel gibt, die die Prognose und den Verlauf betroffener Patienten verbessern oder zumindest die Progression bremsen können. Durch die Möglichkeit des Neugeborenen-Screenings in Kombination mit einer Therapie mit Nusinersen oder Onasemnogen-Abeparvovec sehe man erstmals klinisch gesunde Kinder – das sei eine dramatische Entwicklung im positiven Sinne.

„Eine Gentherapie ist kein singuläres Ereignis“, erklärte der Tagungspräsident Julian Grosskreutz, Jena. Genauso wichtig wie die Kostenkalkulation bei der medikamentösen Therapie ist Schara-Schmidt zufolge jedoch die der multidisziplinären Nachbetreuung – hier ist die Kostenübernahme durch die Krankenkassen schwieriger.

Welche Behandlung für welches Kind infrage kommt, ist individuell zu entscheiden, da weiterhin vergleichende Untersuchungen fehlen. Bislang sei es schwer, vorauszusagen, wie ein individueller Patient reagiert. Auch mache es einen Unterschied, ob eine SMA bei einem 10 Tage alten Kind im Neugeborenen-Screening diagnostiziert wird oder bei einem drei oder vier Jahre alten Kind.

Myasthenie-Patienten in der Regel gut behandelbar

Großkreutz erläuterte, wie schwierig die Therapie für Patienten mit Myasthenie sei – trotz vorhandener Arzneimittel. Auch hier sei nicht vorhersehbar, welche Patienten gut und langfristig auf ihre Medikation ansprechen. Man sei es den Kostenträgern jedoch schuldig, sehr genau zu prüfen, ob ein Arzneimittel wirke.

Ausblick

Es sind Hoffungsträger für ein selbstständiges Leben betroffener Patienten auf dem Markt, doch nicht jeder profitiert gleichermaßen von den vorhandenen Medikamenten. Die mediale Berichterstattung etwa zu den Erfolgen bei der SMA weckt auch bei Patienten mit anderen Muskelerkrankungen Hoffnung. Doch bis es hier vergleichbare (Gen-)Therapien geben wird, ist es noch ein weiter Weg.

Quelle

Priv-Doz. Dr. med. Julian Grosskreutz, Jena, Dr. iur. Stefan Perschke, Osnabrück, Prof. Dr. Ulrike Schara-Schmidt, Essen, DGM-Online-Pressekonferenz „Gentherapien – neue Chancen bei neuromuskulären Erkrankungen“ im Rahmen des 25. Kongresses des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e. V. am 24. März 2021.

Psychopharmakotherapie 2021; 28(03):131-143