COVID-19 und MS

Die meisten Verläufe sind mild


Dr. Maja M. Christ, Stuttgart

Auf einem von Merck veranstalteten Webinar diskutierten Experten Ende Februar 2021 über multiple Sklerose zu Zeiten der Corona-Pandemie. Außerdem stellten sie vor, welche Besonderheiten bei den einzelnen MS-Therapien in Bezug auf eine COVID-19-Impfung bestehen können.

Daten aus Italien und den USA zeigen, dass COVID-19 bei Patienten mit multipler Sklerose (MS) ähnlich verläuft wie in der allgemeinen Bevölkerung: Die meisten Patienten zeigen milde Verläufe. In einer Übersichtsarbeit mit 873 eingeschlossenen Patienten untersuchten Möhn et al. [1] den Verlauf bei unterschiedlich behandelten MS-Patienten. Der Großteil der Patienten hatte einen milden Verlauf und wurden nicht im Krankenhaus behandelt, 22 % mussten ins Krankenhaus ohne Beatmungsnotwendigkeit, 3 % benötigten eine Beatmung oder Intubation, 4 % starben. Das höchste Risiko für einen schweren Verlauf hatten Patienten ohne MS-Therapie. Auch Patienten unter Cladribin oder Natalizumab bildeten Antikörper gegen SARS-CoV-2 – unabhängig von den Lymphozytenzahlen.

Nach der Corona-Impfverordnung vom Dezember 2020 sind MS-Patienten zunächst in der Priorisierungsstufe 3, sie können aber je nach Gegebenheit auch Stufe 2 zugeordnet werden.

MS-Therapie und Impfung: Was gilt es zu beachten?

Grundsätzlich sind Impfungen mit Totimpfstoffen auch unter Zell-depletierenden oder anderweitig immunsuppressiv wirkenden Therapien möglich. Allerdings kann das Impfansprechen unter diesen Therapien vermindert sein.

Lebendimpfungen sind unter Ocrelizumab, Alemtuzumab, Cladribin, Fingolimod, Siponimod, Ozanimod, Natalizumab oder Mitoxantron kontraindiziert. Die bislang zugelassenen SARS-CoV2-Impfstoffe sind zwar Totimpfstoffe, MS-Patienten seien Ralf Gold, Bochum, zufolge aufgrund der neuartigen Impfstoff-Konzepte bei COVID-19 jedoch zunächst irritiert.

  • Es gibt bislang wenige bis gar keine Daten aus Studien, aufgrund der Wirkungsmechanismen lässt sich jedoch abschätzen, dass unter Natalizumab, Dimethyfumarat und Teriflunomid die Impfantwort allenfalls leicht reduziert ist.
  • Unter Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulatoren wie Fingolimod ist ein eventuell reduzierter Impferfolg zu berücksichtigen und es sollten nach der Impfung die Antikörper im Serum bestimmt werden.
  • In den ersten sechs Monaten nach einem Alemtuzumab-Therapiezyklus sind abgeschwächte Impfantworten zu erwarten.
  • Zu Cladribin liegen keine Daten aus Impfstudien vor, in den ersten sechs Monaten ist eine verminderte Impfantwort zu erwarten. Influenza-Impfstudien zufolge sind Impfungen mit Totimpfstoffen jederzeit möglich.
  • Unter Mitoxantron ist während der Therapiezyklen eine verminderte Impfantwort zu erwarten, auch nach Beendigung des letzten Zyklus.
  • Nach einer autologen Knochenmarkstransplantation empfiehlt Gold mindestens sechs Monate Abstand zur Impfung.
  • B-Zell-depletierende Therapien führen bei einem Impfabstand von vier Monaten zu etwas niedrigeren, aber ausreichenden Titern – gezeigt wurde dies zumindest für Orelizumab.

Um die Immunantwort für die saisonale Infuenza-Impfung und COVID-19-Vakzinen bei MS-Patienten unter Cladribin versus Patienten unter anderen Therapien zu untersuchen, wurde kürzlich eine Studie gestartet. Die Patienten der CIRMS-Studie sind nach dem Abstand der Impfung zur MS-Behandlung in verschiedene Gruppen unterteilt. Bis Ende Februar waren 102 Patienten eingeschlossen.

Quelle

Prof. Dr. med. Christoph Kleinschnitz, Essen, Prof. Dr. med. Ralf Gold, Bochum, Prof. Dr. med. Klaus Schmierer London, MS360°-Webinar „Aktuelles zu COVID-19 Impfung & MS – Erste Erfahrung mit dem Vektor-Impfstoff aus UK“, veranstaltet von Merck am 25. Februar 2021.

Literatur

1. Möhn N, et al. Experience in multiple sclerosis patients with COVID-19 and disease-modifying therapies: a review of 873 published cases. J Clin Med 2020;9:4067. doi: 10.3390/jcm9124067.

Psychopharmakotherapie 2021; 28(03):131-143