Multiple Sklerose

Ofatumumab versus Teriflunomid bei der Prophylaxe der schubförmigen multiplen Sklerose


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In zwei randomisierten Studien an Patienten mit multipler Sklerose (MS) führte eine Therapie mit Ofatumumab zu niedrigeren jährlichen Schubraten als Teriflunomid. Bezüglich der Behinderung war Ofatumumab wirksamer als Teriflunomid.

Es gibt in der Zwischenzeit eine Vielzahl immunmodulatorischer Therapien zur Schubprophylaxe der multiplen Sklerose. Bei der Untersuchung neuer Therapien ist es allerdings medizinethisch nicht mehr möglich, diese Substanzen im Vergleich zu Placebo zu untersuchen. Daher erfolgen Studien im Vergleich zu etablierten immunmodulatorischen Therapien. Ofatumumab, ein subkutaner monoklonaler Anti-CD20-Antikörper, führt zu einer selektiven Depletion von B-Zellen. Teriflunomid ist ein oraler Inhibitor der Pyrimidinsynthese und reduziert die Aktivierung von T-Zellen und B-Zellen. Teriflunomid hat in mehreren Studien seine Wirksamkeit bei der schubförmigen MS nachgewiesen [1]. Die vergleichende Wirksamkeit dieser beiden Medikamente ist bei Patienten mit multipler Sklerose bisher nicht bekannt.

Studiendesign

In zwei doppelblinden Phase-III-Studien erhielten Patienten mit schubförmiger multipler Sklerose nach dem Zufallsprinzip bis zu 30 Monate lang subkutanes Ofatumumab (20 mg alle vier Wochen nach einer 20-mg-Initialdosis an den Tagen 1, 7 und 14) oder orales Teriflunomid (14 mg täglich). Der primäre Endpunkt der Studien war die jährliche MS-Schubrate. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Verschlechterung der neurologischen Behinderung, die nach drei oder sechs Monaten erfasst wurde, die mögliche Verbesserung der Behinderung, die Anzahl der Gadolinium-aufnehmenden Läsionen in den T1-gewichteten Magnetresonanztomographien (MRT), die jährliche Rate neuer oder sich vergrößernder Läsionen in den T2-gewichteten MRTs, die Konzentration von Neurofilament-Leichtketten im Serum und die Veränderung des Hirnvolumens im MRT.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 946 Patienten zu der Behandlung mit Ofatumumab und 936 Patienten zur Behandlung mit Teriflunomid randomisiert. Die Patienten waren im Mittel 38,5 Jahre alt und zwei Drittel waren Frauen. Die multiple Sklerose bestand im Schnitt seit 8,3 Jahren. 40 % der Patienten hatten bisher keine immunmodulatorische Therapie erhalten. Bei den übrigen Patienten waren die am häufigsten eingesetzten immunmodulatorischen Therapien Interferon beta mit 41 % und Glatirameracetat mit 26 %. Die jährliche Schubrate vor Studieneinschluss betrug 1,2 und der EDSS(Expanded disability status scale)-Wert 2,9. Bei 62 % der Patienten lagen bei Studieneinschluss keine kontrastmittelaufnehmende Herde in der T1-gewichteten Kernspintomographie vor. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 1,6 Jahre.

Die jährliche Schubrate betrug

  • in Studie 1 mit Ofatumumab 0,11 und mit Teriflunomid 0,22 (Differenz –0,11; 95%-Konfidenzintervall [KI] –0,16 bis –0,06; p < 0,001),
  • in Studie 2 mit Ofatumumab 0,10 und mit Teriflunomid 0,25 (Differenz –0,15; 95%-KI –0,20 bis –0,09; p < 0,001).

In den gepoolten Studien betrug der Anteil der Patienten mit nach drei Monaten bestätigter Verschlechterung des Behinderungsgrads 10,9 % mit Ofatumumab und 15,0 % mit Teriflunomid (Hazard-Ratio [HR] 0,66; 95%-KI 0,50−0,86; p = 0,002); bei Bestätigung nach sechs Monaten betrug der Anteil 8,1 % bzw. 12,0 % (HR 0,68; p = 0,01). Der Anteil der Patienten mit nach sechs Monaten bestätigter Verbesserung der Behinderung betrug 11,0 % bzw. 8,1 % (HR 1,35; p = 0,09). Die Anzahl der Gadolinium-aufnehmenden Läsionen im T1-gewichteten MRT, die jährliche Rate neuer Läsionen im T2-gewichteten MRT und die Serum-Neurofilament-Leichtketten-Konzentrationen waren ebenfalls signifikant verschieden zugunsten von Ofatumumab. Die Veränderung des Hirnvolumens im MRT war zwischen den beiden Therapien nicht unterschiedlich. Injektionsbedingte Reaktionen traten bei 20,2 % der Patienten in der Ofatumumab-Gruppe und bei 15,0 % in der Teriflunomid-Gruppe (Placebo-Injektionen) auf. Schwere Infektionen traten bei 2,5 % beziehungsweise 1,8 % der Patienten auf.

Kommentar

Die beiden parallel durchgeführten Studien bei Patienten mit schubförmiger MS zeigen eine niedrigere Schubrate unter Ofatumumab als unter Teriflunomid. Die überlegene Wirksamkeit von Ofatumumab zeigte sich auch bezüglich des Behinderungsgrads gemäß EDSS mit Bestätigung nach drei und sechs Monaten. Die mittlere Beobachtungszeit betrug 1,6 Jahre. Leider wurden die Behinderungsgrade nach diesem Zeitraum nicht berichtet. Ofatumumab war auch besser wirksam bezüglich neuer kontrastmittelaufnehmender Herde in der Kernspintomographie und bezüglich der Serumkonzentration von Neurofilament-Leichtketten, einem Marker für neuro-axonale Schädigung. Obwohl die Neurofilament-Leichtketten-Konzentration unter Ofatumumab niedriger war als unter Teriflunomid, zeigte sich kein Unterschied zwischen den beiden Therapien bezüglich des Hirnvolumens gemessen mit der Kernspintomographie. Erwartungsgemäß waren Reaktionen an der Injektionsstelle unter Ofatumumab häufiger als unter den Placebo-Injektionen in der Teriflunomid-Gruppe. Die häufigsten Reaktionen sind hier Kopfschmerzen und Hautrötung. In beiden Therapiegruppen brachen 5,5 % der Patienten die Behandlung wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen ab. Die Rate an Infektionen war mit 52 % in beiden Therapiegruppen gleich. In Zukunft muss noch untersucht werden, ob sich die Reduktion der Schubrate unter Ofatumumab auch über einen längeren Zeitraum als sechs Monate nachweisen lässt.

Quelle

Hauser SL, et al. Ofatumumab versus teriflunomide in multiple sclerosis. N Engl J Med 2020;383:546–57.

Literatur

1. Fogarty E, et al. Comparative efficacy of disease-modifying therapies for patients with relapsing remitting multiple sclerosis: Systematic review and network meta-analysis. Mult Scler Relat Disord 2016;9:23–30.

Psychopharmakotherapie 2020; 27(05):258-267