Schlafstörungen

Daridorexant, ein Orexin-Rezeptorantagonist zur Therapie von Schlafstörungen


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener

Mit einem Kommentar des Autors
Der Orexin-Rezeptorantagonist Daridorexant bewirkte in einer Placebo-kontrollierten Dosisfindungsstudie eine dosisabhängige Reduktion der Wachzeit nach Schlafbeginn bei Personen mit Schlafstörungen.

Die Identifizierung des Orexin-(Hypocretin-)Signalwegs eröffnete vielversprechende therapeutische Strategien mit Orexin-Rezeptorantagonisten. Diese Substanzen sollten Schlafmittel sein, die zu einer geringeren Tagesmüdigkeit führen als traditionelle Schlafmittel. Suvorexant, ein dualer Orexin-Rezeptorantagonist, wurde erstmals 2014 in den USA für die Behandlung von Schlafstörungen zugelassen. Daridorexant (ACT-541468) wurde auf der Grundlage von pharmakokinetischen (PK) und pharmakodynamischen (PD) Modellierungen von 20 Strukturanaloga aus mehr als 25 000 synthetisierten Molekülen ausgewählt. Klinische Studien an jungen und älteren gesunden Probanden, die Daridorexant in Dosen von 5 bis 200 mg erhielten, zeigten ein günstiges Verträglichkeitsprofil. Die Halbwertszeit betrug etwa sechs Stunden und die maximale Plasmakonzentration trat zwischen 0,8 und 2 Stunden nach der Einnahme auf [1].

Ziel der hier referierten Studie war es, die Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit von Daridorexant auf objektive und subjektive Schlafparameter bei Patienten mit Schlafstörungen ≥ 30 Minuten zu untersuchen.

Studiendesign

Einschlusskriterium war eine „latency to sleep onset“ (LSO) ≥ 30 Minuten, eine „wake after sleep onset“ (WASO) ≥ 30 Minuten, eine Gesamtschlafdauer (total sleep duration [TST]) ≤ 6,5 Stunden an mindestens drei von sieben aufeinander folgenden Nächten und eine Einschlafzeit zwischen 21:30 und 00:30 Uhr. Die Teilnehmer, Erwachsene ≤ 64 Jahre, wurden gleichmäßig randomisiert zu Placebo, Daridorexant (5, 10, 25 oder 50 mg) oder 10 mg Zolpidem täglich für 30 Tage (Tab. 1).

Tab. 1. Studiendesign

Erkrankung

Schlafstörungen

Studienziel

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Daridorexant bei Erwachsenen mit Schlafstörungen

Studientyp/Design

Randomisiert, interventionell, Phase II

Patienten

359

Intervention

  • Daridorexant (5, 10, 25 oder 50 mg)
  • Zolpidem (10 mg)
  • Placebo

Primärer Endpunkt

Veränderung der Wachzeit nach Schlafbeginn an Tag 1 und 2

Sponsor

Idorsia Pharmaceuticals

Studienregisternr.

NCT 02839200
(ClinicalTrials.gov)

Der primäre Studienendpunkt war die Veränderung der Wachzeit nach Schlafbeginn (WASO) an den Tagen 1 und 2 verglichen mit der Baseline in der Polysomnographie. Sekundäre Endpunkte waren die Änderung der Latenzzeit bis zum Schlaf (LSO) von der Baseline bis zu den Tagen 1 und 2, Änderung der subjektiven Wachzeit nach Schlafbeginn und subjektive Latenz des Schlafbeginns von der Baseline bis zur vierten Woche.

Studienergebnisse

Von 1005 untersuchten Probanden wurden 359 (64 % weiblich) randomisiert und erhielten mindestens eine Dosis der Studienmedikation. Das mittlere Alter betrug 44,7 Jahre. Die mittlere Wachzeit nach Schlafbeginn während der Baseline betrug 97,5 Minuten, die mittlere Latenz bis zum Schlaf 71,8 Minuten und die Gesamtschlafzeit 318 Minuten.

Die Wachzeit nach Schlafbeginn verkürzte sich von Baseline zu den Tagen 1 und 2 mit Placebo um 21,4 Minuten, mit Daridorexant je nach Dosis um 28,4 bis 47,1 Minuten und mit Zolpidem um 29,9 Minuten. Für Daridorexant fand sich eine signifikante Dosis-Response-Beziehung (2-seitiger p-Wert < 0,001 korrigiert für multiple Vergleiche). Das galt ebenso für die Latenzzeit bis zum Schlaf. Diese positiven Veränderungen hielten bis zu den Tagen 28 und 29 an (p = 0,050 bzw. p = 0,042). Ähnliche dosisabhängige Veränderungen wurden für das subjektive Aufwachen nach Schlafbeginn und die subjektive Latenzzeit bis zum Schlafbeginn beobachtet.

Die Inzidenz unerwünschter Arzneimittelwirkungen betrug 35 %, 38 %, 38 % und 34 % für 5, 10, 25 und 50 mg Daridorexant verglichen mit 30 % für Placebo und 40 % für 10 mg Zolpidem. Lediglich Kopfschmerzen waren bei Daridorexant und Zolpidem häufiger als bei Placebo. Zusammengefasst bewirkt Daridorexant eine dosisabhängige Reduktion der Wachzeit nach Schlafbeginn bei Probanden mit Schlafstörungen.

Kommentar

Die Dosisfindungsstudie zeigt eine dosisabhängige Wirksamkeit des Orexin-Rezeptorantagonisten Daridorexant zur Behandlung von Schlafstörungen. Durch die kurze Halbwertszeit kam es zu keinem Überhang mit Benommenheit oder Müdigkeit am nächsten Morgen. Die Wirksamkeit der höheren Dosierungen von Daridorexant entsprach der von 10 mg Zolpidem. Über vier Wochen hinweg zeigte sich kein Wirkungsverlust. Die Studie schloss ältere Patienten aus, bei denen Schlafstörungen und Nebenwirkungen von Schlafmitteln häufiger sind. Die Studie kann keine Daten zur Langzeitsicherheit von Daridorexant liefern.

Quelle

Dauvilliers Y, et al. Daridorexant, a new dual orexin receptor antagonist to treat insomnia disorder. Ann Neurol 2020;87:347–56.

Literatur

1. Muehlan C, et al. Pharmacokinetics and pharmacodynamics of the dual orexin receptor antagonist daridorexant in Japanese and Caucasian subjects. J Clin Psychopharmacol 2020;40:157–66.

Psychopharmakotherapie 2020; 27(04):216-221