Schizophrenie

Duloxetin als Zusatztherapie verbessert Negativsymptome


Priv.-Doz. Dr. Dieter Angersbach, Wolfratshausen

In einer doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie erhielten Patienten mit einer klinisch stabilen Schizophrenie zu einer bestehenden Behandlung mit Risperidon zusätzlich Duloxetin oder Placebo. Die psychotischen Symptome wurden mithilfe der Positive and Negative Symptom Scale (PANSS) beurteilt. Primärer Wirksamkeitsparameter war die Änderung des Scores der Subskala für die Negativsymptome. Im Vergleich zu Placebo verbesserten sich die Negativsymptome unter Duloxetin signifikant (p<0,001). Auch der Gesamtscore der PANSS nahm signifikant ab (p<0,001), während sich der Score der Subskala für die Positivsymptome nicht änderte.
Mit einem Kommentar von Priv.-Doz. Dr. D. Angersbach, Wolfratshausen

Während Positivsymptome im Allgemeinen gut auf eine Behandlung mit Antipsychotika ansprechen, ist die Verbesserung der Negativsymptome, wie Affektverarmung, emotionale Isolation oder mangelnde Beziehungsfähigkeit, meist wenig zufriedenstellend. Auch Psychotherapie, wie kognitive Verhaltenstherapie, ist nur mäßig wirksam. Die mangelnde Kenntnis der Neurobiologie dieser Symptome erschwert die Entwicklung einer wirksamen Therapie. Es gibt Hinweise, dass das serotonerge und noradrenerge System an der Psychopathologie beteiligt sein könnten. In der vorliegenden Studie wurde daher die Frage untersucht, ob eine Aktivierung dieser Transmittersysteme einen therapeutischen Effekt hat. In der Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie wurde die Wirkung einer Zugabe von Duloxetin zu einer bestehenden Therapie mit Risperidon untersucht. Duloxetin ist, ebenso wie Venlafaxin, ein Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Die Substanz ist in Europa zur Behandlung depressiver Erkrankungen, der generalisierten Angststörung und von Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie bei Erwachsenen zugelassen [1].

Methoden

Die Studie, eine 8-wöchige, randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie, wurde zwischen Juli 2015 und September 2015 von zwei Kliniken im Iran und in Kurdistan durchgeführt. Eingeschlossen wurden Patienten im Alter von 18 bis 50 Jahren mit der Diagnose einer Schizophrenie nach DSM-IV-Kriterien. Die Patienten mussten seit wenigstens acht Wochen auf eine stabile Dosis Risperidon eingestellt und seit vier Wochen klinisch stabil sein. Klinische Stabilität war definiert als eine Änderung des Gesamtscores der PANSS an zwei aufeinander folgenden Beurteilungen um 20%. Ratings wurden im Abstand von zwei Wochen durchgeführt. Ausgeschlossen waren Patienten mit einer mäßigen bis schweren Depression, das heißt Patienten mit einem Score auf der Hamilton Depression Rating Scale (HAMD) von 14 oder einem Score von 4 in der Beurteilung des PANSS-Items G6 (Depression). Weitere Ausschlusskriterien waren unter anderen ernsthafte körperliche und psychische Erkrankungen. Die Patienten wurden randomisiert zwei Behandlungsgruppen zugeteilt: Sie erhielten entweder Risperidon plus Duloxetin (60 mg/Tag) oder Risperidon plus Placebo. Die Risperidon-Dosis war 4 bis 6 mg/Tag. Die Wirksamkeits- und Verträglichkeitsbeurteilungen wurden bei Einschluss und nach den Wochen 2, 4, 6 und 8 vorgenommen.

Primärer Wirksamkeitsparameter war die Änderung des Scores der PANSS-Negativsubskala vom Einschluss bis zum Endpunkt (Woche 8). Die PANSS ist eine dreigliedrige Skala zur Beurteilung der Symptome einer Schizophrenie. Sie ist untergliedert in Items einer Positivskala (7 Items), einer Negativskala (7 Items) und einer psychopathologischen Globalskala (16 Items). Sekundäre Messparameter waren ein Vergleich der Scores der drei Subskalen der PANSS beider Behandlungsgruppen vom Einschluss bis zum Endpunkt sowie die Beurteilung unerwünschter Ereignisse und der Sicherheit von Duloxetin. Die Sicherheit der Behandlung wurde mit den üblichen Maßnahmen überwacht, wie Registrierung unerwünschter Ereignisse, körperliche Untersuchungen, EKG und Laboruntersuchungen.

Unter der Annahme einer Differenz von vier Punkten im PANSS-Gesamtscore zwischen beiden Gruppen und einer Standardabweichung von 4 wurden bei einem Signifikanzlevel von 5% und einer statistischen Power von 95% pro Gruppe 27 Patienten berechnet. Bei einer Abbruchrate von 20% sind 34 Teilnehmer pro Gruppe erforderlich.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 68 Patienten (34 pro Gruppe) randomisiert. Jeweils zwei Patienten zogen ihr Einverständnis in der zweiten Behandlungswoche zurück. Die übrigen 32 pro Gruppe beendeten die Studie protokollgemäß.

Der Abfall des mittleren Scores der Negativsubskala der PANSS war unter Duloxetin signifikant größer als unter Placebo. Die Unterschiede waren ab Woche 4 statistisch signifikant. Der Unterschied der Scores in Woche 8 betrug 2 Punkte (Tab. 1). In der Abnahme der Scores der Positivsubskala zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Der PANSS-Gesamtscore zwischen beiden Gruppen unterschied sich ab Woche 4 signifikant. Der Unterschied nach Woche 8 betrug 4,65 Punkte (Tab. 1).

Tab. 1. Änderung der Scores der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) unter Risperidon plus Duloxetin oder Risperidon plus Placebo bei Patienten mit einer Schizophrenie (Mittelwert ± Standardabweichung); *p<0,05 [mod. nach Nikbakhat et al.]

Parameter

Duloxetin + Risperidon

Placebo + Risperidon

p-Wert

PANSS-Negativscore (primärer Endpunkt)

Baseline

17,5±1,88

17,44±1,44

  • Veränderung in Woche 2

–1,28±1,20

–1,06±0,25

0,32

  • Veränderung in Woche 4

–3,56±1,53

–2,47±0,72

0,001

  • Veränderung in Woche 6

–5,06±1,66

–3,41±0,80

<0,001

  • Veränderung in Woche 8

–6,16±2,06

–4,16±1,11

<0,001

PANSS-Positivscore

Baseline

20,41±1,58

19,94±1,90

  • Veränderung in Woche 4

–6,75±1,59

–6,09±1,73

0,12

  • Veränderung in Woche 8

–8,09±2,23

–7,16±1,95

0,08

PANSS Allgemeine-Psychopathologie-Score

Baseline

31,37±1,84

31,72±1,44

  • Veränderung in Woche 4

–6,81±1,23

–6,00±0,62

0,002

  • Veränderung in Woche 8

–9,94±2,90

–7,97±1,23

0,001

PANSS-Gesamtscore

Baseline

69,69±4,58

69,16±3,50

  • Veränderung in Woche 4

–17,53±3,52

–14,59±2,28

<0,001

  • Veränderung in Woche 8

–24,62±7,21

–19,37±3,40

<0,001

Ausgewählte Messzeitpunkte

Die häufigsten Nebenwirkungen in beiden Gruppen waren Schwindel, Übelkeit, Unruhe und Magenschmerzen (zwischen 12,5 und 15,6%). Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Alle p-Werte lagen bei 1,0. Die Änderungen im Körpergewicht und den Laborwerten waren gering und nicht signifikant verschieden zwischen beiden Gruppen.

Die Autoren meinen, dass die Ergebnisse ihrer Studie auf eine vielversprechende Rolle von Duloxetin in der Behandlung von Negativsymptomen schizophrener Patienten deuten, die auf ein Antipsychotikum eingestellt sind.

Kommentar

Die Ergebnisse dieser Studie sind eindeutig: Duloxetin hat die Negativsymptomatik signifikant verbessert, während sich der Schweregrad der Positivsymptome nicht änderte. Wie sehr diese Verbesserung der Negativsymptome von 2 PANSS-Punkten zur Verbesserung der Lebensqualität der Patienten beigetragen hat, ist allerdings schwer abzuschätzen, da diese nicht beurteilt wurde und sich auch Symptome der Globalskala signifikant besserten. Die Wirksamkeit der Behandlung lässt sich nach dieser relativ kurzen Studie ohnehin nicht abschließend beurteilen, da die Scores im Verlauf der Studie kontinuierlich abfielen und sich der Abfall bis zum Endpunkt fortsetzte. Es ist also anzunehmen, dass eine Fortführung der Behandlung zu weiteren Verbesserungen geführt hätte. Die Therapie war gut verträglich. Es gab keine ernsthaften unerwünschten Ereignisse und keine Studienabbrüche wegen einer Unverträglichkeit. Die Ergebnisse sollten in Untersuchungen mit größeren Gruppen bestätigt werden.

Quelle

Nikbakhat MR, et al. Duloxetine add-on to risperidone for treatment of negative symptoms in patients with stable schizophrenia: randomized double-blind placebo-controlled study. Pharmacopsychiatry 2016;49:162–9.

Literatur

1. Fachinformation Duloxetin Lilly® 30 mg/60 mg. Januar 2016.

Psychopharmakotherapie 2017; 24(06):289-296