Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen
In der Schwangerschaft und in den ersten sechs Monaten nach der Geburt ist für Frauen mit bipolarer Erkrankung oder Schizophrenie das Risiko für einen Rückfall erhöht. Werden Frauen schwanger, ist das Risiko der unbehandelten Erkrankung für Mutter und Kind gegen Nutzen und Nebenwirkungen der Pharmakotherapie abzuwägen.
In einem systematischen Review wurden daher Nutzen und potenzielle Nachteile von Antipsychotika bei Schwangeren mit Bipolar-Erkrankung oder Schizophrenie untersucht, wobei auch die potenziellen Effekte der Erkrankungen auf die Mutter und das Kind berücksichtigt wurden. Ziel war es, das Rückfallrisiko, Geburtskomplikationen und nachteilige Effekte beim Kind aufgrund der Erkrankungen sowie Nutzen und potenzielle Risiken der Antipsychotika-Therapie während der Schwangerschaft zu erfassen. In die Analyse wurden 49 Publikationen eingeschlossen, in denen über Erkrankungs- und Antipsychotika-assoziierte Risiken bei Frauen mit Bipolar-Erkrankung und Schizophrenie berichtet wurde.
Rückfallrisiko durch Schwangerschaft und Stopp der Therapie erhöht
In einem Teil der Studien wird eine Schwangerschaft nicht als Auslöser einer affektiven Störung angesehen. Andere Untersuchungen sehen einen Zusammenhang zwischen Schwangerschaft und erhöhtem Rückfallrisiko. Zu den wichtigsten Faktoren, die das Risiko eines Rückfalls in der Schwangerschaft erhöhen können, gehört das Absetzen der Therapie. Bis zu 50% der Frauen mit Bipolar-Störungen, die ihre Medikamente absetzten, erlitten einen Rückfall. Das Rückfallrisiko war zweifach erhöht, die Zeit bis zum Rückfall war verkürzt und die Zeit mit Erkrankung in der Schwangerschaft war verlängert im Vergleich zu nichtschwangeren Frauen mit Bipolar-Störungen.
Auch bei Frauen mit Schizophrenie steigt das Rückfallrisiko bei Schwangerschaft, noch höher wird es bei Absetzen der Medikation. Innerhalb von drei Monaten nach Absetzen der Antipsychotika erhöht sich das Rückfallrisiko um das 13-Fache.
Geburtskomplikationen
Komplikationen wie Frühgeburt oder niedriges Geburtsgewicht des Kindes sind bei Frauen mit Bipolar-Störungen oder Schizophrenie häufiger. Bei Bipolar-Störungen wird häufiger eine Mikrozephalie des Kindes beobachtet, jedoch nur, wenn die Frauen nicht behandelt waren. Auch bei schizophrenen Müttern ist das Risiko kongenitaler Missbildungen der Kinder erhöht. Eine Behandlung mit Antipsychotika erhöht das Risiko für Missbildungen bei den Kindern nicht.
Bei Frauen mit Bipolar-Störungen oder Schizophrenie sind Totgeburten häufiger, die Kinder sterben häufiger im ersten Lebensjahr. Die Daten bei Schizophrenie sind allerdings widersprüchlich.
Es konnte keine Studie gefunden werden, in der der Effekt einer unbehandelten Bipolar-Störung bei der Mutter auf die neurologische und kognitive Entwicklung des Kindes untersucht worden war. Kinder von schizophrenen Frauen haben ein signifikant erhöhtes Risiko für intellektuelle Störungen.
Risiken von Antipsychotika
Interessanterweise haben Kinder von Müttern mit behandelter Bipolar-Erkrankung im Gegensatz zu unbehandelter Erkrankung kein erhöhtes Risiko für kongenitale Missbildungen. Allerdings ist die Aussagekraft dieser Befunde aus methodischen Gründen eingeschränkt.
Bislang vorliegende Daten lassen vermuten, dass die Anwendung von Antipsychotika in der Schwangerschaft für die Kinder keine schwerwiegenden Folgen hat. Bei Kindern im Alter von sechs und zwölf Monaten, die in utero Antipsychotika ausgesetzt waren, konnten keine Veränderungen von kognitiven, motorischen und sozial/emotionalen Faktoren sowie von Sprache und Verhalten gefunden werden. Allerdings muss bedacht werden, dass sich klinische Studien zu dieser Frage aus ethischen Gründen verbieten und dass die Erkenntnisse vor allem auf Beobachtungsstudien und Berichten des Herstellers beruhen, die vorwiegend retrospektiv sind.
Insgesamt lassen sich aufgrund der Ergebnisse dieses systematischen Reviews vier Schlussfolgerungen ziehen:
- Unbehandelte Bipolar-Erkrankung und Schizophrenie erhöhen für die Mutter das Risiko eines Rückfalls während der Schwangerschaft und unmittelbar nach der Geburt erheblich.
- Die Erkrankung der Mutter ist mit Geburtskomplikationen für Mutter und Kind assoziiert.
- Eine Schizophrenie kann für die Gesundheit des Neugeborenen sehr nachteilig sein, dies wurde aber in Studien gefunden, die keine Angaben zum Arzneimittelgebrauch während der Schwangerschaft enthielten.
- Antipsychotika der zweiten Generation sind nicht mit einem erhöhten Risiko für Defekte beim Fetus assoziiert.
Daher erscheint es sinnvoll, die werdenden psychisch kranken Mütter mit der niedrigst möglichen Dosis ihres Antipsychotikums weiter zu behandeln.
Quelle
Tosato S, et al. A systematized review of atypical antipsychotics in pregnant women: balancing between risks of untreated illness and risks of drug-related adverse effects. J Clin Psychiatry 2017;78:e477–e489.
Psychopharmakotherapie 2017; 24(05)