Opioid-Substitution

Bessere Überlebensraten – aber Vorsicht bei Therapiebeginn


Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Opioid-Substitutionsprogramme mit Methadon und Buprenorphin reduzieren die Mortalität der Opioid-Abhängigen deutlich. Die Methadon-Substitution sollte aber in den ersten Wochen engmaschig überwacht werden, da hier vermehrt Todesfälle vorkommen können. Nach Absetzen der Substitution ist bei beiden Regimes mit einem Mortalitätsanstieg zu rechnen. Das ergab die Metaanalyse einer Reihe von Kohortenstudien.

Die Opioid-Substitution hilft Abhängigen bei der Wiederherstellung der physischen und mentalen Gesundheit. Die Mortalität der Abhängigen geht insgesamt zurück, allerdings scheinen Beginn und Abschluss der Behandlung vulnerable Phasen zu sein, so das Ergebnis mehrerer Studien. Ein systematisches Review mit Metaanalyse sollte jetzt einen Überblick über die Mortalität während und nach der Substitution geben.

Methodik und Ergebnisse

In die Metaanalyse wurden prospektive und retrospektive Kohortenstudien zur Substitutionstherapie mit Methadon und Buprenorphin bei Opioid-Abhängigkeit einbezogen. Nach Einschätzung von Studienqualität und Extraktion der Einzeldaten wurde die Mortalität während und nach Abschluss der Behandlung in einem bivariaten Random-Effekt-Metaanalyse-Modell überprüft.

Die Vorauswahl ergab zur Methadon-Substitution 16 Veröffentlichungen aus den Jahren 1974 bis 2016 und zu Buprenorphin drei Veröffentlichungen aus den Jahren 2010 bis 2015. In den Studien wurden insgesamt 122885 Personen mit einer Methadon-Substitution über 1,3 bis 13,9 Jahre sowie 15831 Personen mit Buprenorphin-Substitution über 1,1 bis 4,5 Jahre nachverfolgt. Die gepoolte Gesamtmortalitätsrate betrug während der Methadon-Substitution 11,3 pro 1000 Personenjahre und nach Beendigung der Substitution 36,1/1000 Personenjahre (Quotient nach/während der Substitution 3,20; 95%-Konfidenzintervall [KI] 2,65–3,86). Die entsprechenden Werte für die Buprenorphin-Substitution waren 4,3/1000 und 9,5/1000 Personenjahre (2,20; 95%-KI 1,34–3,61). In einer Trendanalyse zeigte sich bei Beginn der Methadon-Substitution ein deutlicher Abfall der Gesamtmortalität von der ersten bis zur vierten Woche. Im weiteren Verlauf blieben die Werte konstant; nach Absetzen der Substitution stieg die Mortalität in den ersten zwei Wochen an, ging dann aber wieder zurück. Die entsprechenden Daten unter Buprenorphin waren statistisch nicht in vergleichbarem Maße aussagekräftig, die Mortalitätsraten blieben in dieser Gruppe von Beginn an niedrig, um dann aber nach Therapieende ebenfalls wieder anzusteigen.

Die Mortalität infolge einer Überdosis betrug bei Methadon 2,6/1000 Personenjahre während und 12,7/1000 Personenjahre nach der Substitutionsbehandlung; der Nach-Während-Quotient war hier mit 4,80 (95%-KI 2,90–7,96) größer als bei der Gesamtmortalität. Bei Buprenorphin betrug die Mortalität infolge einer Überdosis während und nach der Substitutionsbehandlung 1,4/1000 bzw. 4,6/1000 Personenjahre.

Diskussion und Fazit der Autoren

Methadon- und Buprenorphin-Substitutionsprogramme reduzieren die Gesamtmortalität und die Mortalität aufgrund einer Überdosis deutlich. Nach Absetzen der Behandlung steigt die Sterblichkeit unter beiden Arzneistoffen wieder an – insgesamt ist das Mortalitätsrisiko während der Behandlung zu rund einem Drittel niedriger als zu Zeiten ohne Substitution.

Allerdings ist unter einer Methadon-Substitution die Sterblichkeit auch zu Behandlungsbeginn erhöht. Der Grund hierfür liegt wahrscheinlich in der Tatsache, dass Methadon ein voller Opioid-Agonist ist und es dadurch bei falscher Abschätzung der erforderlichen Substitutionsmenge oder durch illegalen Beikonsum zu tödlichen Zwischenfällen kommen kann. Zusätzlich fällt auch die lange Halbwertszeit von Methadon ins Gewicht. Buprenorphin ist dagegen ein partieller Opioid-Agonist mit einem Ceilingeffekt in Bezug auf die atemdepressive Wirkung. Der geringeren Mortalitätsrate steht allerdings ein nicht so stark ausgeprägter Substitutionseffekt unter Buprenorphin gegenüber.

Die Ergebnisse sollten nun überprüft und weitere Faktoren für die beobachtete therapiezyklusabhängige Änderung bei der Mortalität vor allem unter Methadon untersucht werden. Für den klinischen Alltag empfehlen die Autoren aber schon jetzt Vorsichtsmaßnahmen zu Beginn und am Ende der Substitutionstherapie. Dazu gehören die sorgfältige Erfassung der Opioid-Toleranz sowie die engmaschige Überwachung der ersten Behandlungswochen insbesondere bei einer Methadon-Substitution. Ein illegaler Beikonsum soll nach Möglichkeit verhindert werden. Gegebenenfalls ist es sinnvoll, für den Notfall an potenzielle Ersthelfer aus dem Lebensumfeld des Patienten Naloxon abzugeben und sie zu dessen Anwendung zu unterweisen. Auch ließe sich das Mortalitätsrisiko zu Beginn einer Methadon-Gabe durch eine Initialtherapie mit Buprenorphin verringern. Noch zu entwickelnde spezifische Überdosis-Präventionsprogramme könnten vielleicht auch das Mortalitätsrisiko nach dem Substitutionsausstieg verringern, schreiben die Autoren.

Quelle

Sordo L, et al. Mortality risk during and after opioid substitution treatment: systematic review and meta-analysis of cohort studies. BMJ 2017;357:j1550; doi: 10.1136/bmj/j1550.

Psychopharmakotherapie 2017; 24(05)