Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg
Neue psychoaktive Substanzen machen den klassischen Drogen wie Amphetaminen, Heroin, Kokain und Cannabis Konkurrenz. Die am stärksten wachsende Gruppe sind die synthetischen Cannabinoide mit 177 durch die United Nations Office on Drugs and Crime identifizierten Substanzen im Jahr 2014. Viele der neuen Cannabinoide wurden ursprünglich zu wissenschaftlichen Zwecken entwickelt, unter anderem um das Endocannabinoid-System zu untersuchen. Durch die laufende Weiterentwicklung entstanden dabei Substanzen, die kaum mehr strukturelle Ähnlichkeit mit Delta-9-Tetrahydrocannabinol aufweisen.
Seit rund zehn Jahren werden diese neuen psychoaktiven Substanzen im großem Stil auch illegal synthetisiert, auf neutrale pflanzliche Trägermaterialien aufgezogen und als „Räuchermischungen“ mit leichten oder mäßigen psychoaktiven Effekten in der Szene angeboten. Die Mischungen werden wie Cannabis geraucht.
Häufige unerwünschte Wirkungen der synthetischen Cannabinoide sind Schläfrigkeit und Benommenheit sowie ein schneller oder unregelmäßiger Herzschlag. Schwere Intoxikationen mit Psychosen, Delirium, Herz- und Nierenschäden, Hyperthermie und auch Todesfällen sind bekannt. Die ZNS-depressiven Effekte lassen sich auf einen Cannabinoid-1-Rezeptor-agonistischen Effekt zurückführen, die kardiotoxischen Effekte möglicherweise auf eine Kaliumkanal-Hemmung der Kardiomyozyten.
Zombie-Symptomatik
Ein neues Cannabinoid sorgte nun im Juli 2016 in New York für Aufsehen, als über 30, teilweise obdachlose Personen im Stadtteil Brooklyn mit „Zombie-ähnlichem“ Verhalten in der Öffentlichkeit auffielen. 18 von ihnen kamen in die Notaufnahme. Die typischen Symptome waren ein starrer, ausdrucksloser Blick, verlangsamte Reaktionen sowie intermittierende Perioden mit langsamen Bewegungen und Stöhnen. Ansonsten gab es keine besonderen Auffälligkeiten in Klinik und Labor. Nach mehreren Stunden konnten die Patienten mit wieder normalisiertem Verhalten entlassen werden.
AMB-FUBINACA
Nicht zuletzt das große mediale Echo auf den lokalen Ausbruch der „Zombie-Epidemie“ machte die rasche Identifizierung des Auslösers notwendig. Die klinische Symptomatik lenkte den Verdacht frühzeitig auf eine Cannabinoid-ähnliche Substanz. Die flüssigkeitschromatographisch-massenspektrometrische Analyse von polizeilich sichergestellten Proben der verdächtigten Räuchermischung „AK-47 24 Karat Gold“ bestätigte die Vermutung. Das Produkt enthielt das synthetische Cannabinoid AMB-FUBINACA in Konzentrationen zwischen 14,2 und 25,2 mg/g. In den Blut- und Urinanalysen von acht Patienten war ein hydrolytischer AMB-FUBINACA-Metabolit (Säure) nachweisbar.
AMB-FUBINACA wurde von der Firma Pfizer entwickelt und 2009 patentiert. Seit dieser Zeit ist die Substanz auch als illegales Cannabinoid in der Szene erhältlich. AMB-FUBINACA ist ein Cannabinoidrezeptor-1-Agonist und 85-mal potenter als Delta-9-Tetrahydrocannabinol. Die daraus resultierenden starken ZNS-dämpfenden Effekte schon in vergleichsweise niedrigen Dosen könnten das Zombie-ähnliche Verhalten erklären. Die Substanz wird rasch hydrolysiert, daher ist die veresterte Muttersubstanz in Blut und Urin allenfalls in Spuren detektierbar.
Diskussion und Fazit der Autoren
Die New Yorker „Zombie-Epidemie“ 2016 aufgrund einer Intoxikation mit dem illegalen Cannabinoid AMB-FUBINACA könnte sich angesichts der zunehmenden Verbreitung der hochpotenten synthetischen psychoaktiven Substanzen in ähnlicher Weise wiederholen. Das stellt die versorgenden Ärzte und den Gesetzgeber vor neue Herausforderungen, schreiben die Autoren. Die rasche Identifizierung der auslösenden Substanz gelingt am besten durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Klinik, Untersuchungslaboren, Polizei und Justiz. Dass eine solches instanzenübergreifendes Vorgehen Früchte trägt, zeigt der geschilderte Fall: In nur 17 Tagen konnte die AMB-FUBINACA-Intoxikation umfassend charakterisiert werden.
Quelle
Adams AJ, et al. „Zombie“ outbreak caused by synthetic cannabinoid AMB-FUBINACA in New York. N Engl J Med published online December 15, 2016.
Psychopharmakotherapie 2017; 24(02)