Tuberöse Sklerose

Everolimus reduziert behandlungsresistente epileptische Anfälle


Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Der mTOR-Hemmer Everolimus kann zusätzlich zur antiepileptischen Therapie gegeben bei Patienten mit tuberöser Sklerose und therapieresistenter Epilepsie die Anfallshäufigkeit signifikant verringern. Dies ergab die prospektive doppelblinde Placebo-kontrollierte Phase-III-Studie EXIST-3 (Everolimus in a study of tuberous sclerosis complex), in der in 25 Ländern 366 Patienten im Alter zwischen 2 und 65 Jahren untersucht worden waren.

Die tuberöse Sklerose (TSC) ist eine seltene, autosomal dominant vererbte komplexe Systemerkrankung, die mit tumorartigen Veränderungen in fast allen Organen einhergeht. Bis zu 85% der Patienten leiden an Epilepsie. Bei etwa zwei Drittel der Betroffenen treten epileptische Anfälle im ersten Lebensjahr auf. Über 60% der Patienten sprechen auf antiepileptische Standardtherapien nicht an. Die Bedeutung der Anfallskontrolle bei TSC ist schon lange bekannt, weil die refraktäre Epilepsie mit einem hohen Risiko für Störungen der Entwicklung und Kognition einhergeht.

Derzeit gilt die tuberöse Sklerose als die am besten charakterisierte Erkrankung, die mit einer Überaktivierung von Stoffwechselwegen des mTOR (mammalian target of Rapamycin) assoziiert ist. In präklinischen Untersuchungen, offenen Studien und Einzelfallberichten zeigte sich ein günstiger Effekt von mTOR-Hemmern auf die TSC-assoziierte Epilepsie. Daher wurden in der Phase-III-Studie EXIST-3 Wirksamkeit und Verträglichkeit von Everolimus (Votubia®) in zwei Dosierungen als zusätzliche Therapie zu Antiepileptika im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit TSC und therapieresistenter Epilepsie untersucht.

In der doppelblinden Studie [1] wurden 366 Patienten, die ein bis drei Antiepileptika einnahmen, in drei Arme randomisiert: Sie erhielten Placebo (n=119), niedriger dosiertes Everolimus für einen Talspiegel zwischen 3 und 7ng/ml (n=117) und hochdosiertes Everolimus für einen Talspiegel zwischen 9 und 15 ng/ml (n=130) über 18 Wochen.

Die Startdosis von Everolimus hing vom Alter, der Körperoberfläche und dem gleichzeitigen Gebrauch von Substanzen mit CYP3A4- oder P-Glykoprotein-induzierender Wirkung ab. Die Dosierung wurde während der sechswöchigen Titrationsphase sowie, falls erforderlich, in der zwölfwöchigen Erhaltungsphase angepasst. Die Zahl der Anfälle vor und während der Therapie wurde protokolliert. Primärer Endpunkt war die Änderung der Anfallshäufigkeit während der Erhaltungstherapie im Vergleich zum Ausgangswert, wobei als Ansprechrate eine Reduktion um mindestens 50% definiert war.

Signifikante Anfallsreduktion

Die Ansprechrate betrug in der Placebo-Gruppe 15,1% (95%-KI 9,2–22,8; n=18). Mit niedrig dosiertem Everolimus lag sie bei 28,2% (95%-KI 20,3–37,3; n=33, p=0,0077) und mit hoch dosiertem Everolimus bei 40% (95%-KI 31,5–49,0, n=52, p<0,0001) (Abb. 1). Die Anfallshäufigkeit sank mit Placebo im Median um 14,9% (95%-KI 0,1–21,7), mit niedrig dosiertem Everolimus um 29,3% (95%-KI 18,8–41,9, p=0,0028) und mit hoch dosiertem Everolimus um 39,6% (95%-KI 35,0–48,7, p<0,0001).

Abb. 1. Ansprechraten (Anfallsreduktion um mindestens 50% im Vergleich zum Ausgangswert) mit Placebo und Everolimus in der EXIST-3-Studie [1]

Unerwünschte Wirkungen vom Grad 3 oder 4 wurden bei 11% der Placebo-Patienten, bei 18% der niedrig dosierten und bei 24% der hoch dosierten Everolimus-Patienten beobachtet. Therapieabbrüche wegen unerwünschter Wirkungen waren jedoch selten mit 2% unter Placebo sowie 5 bzw. 3% unter niedrig bzw. hoch dosiertem Everolimus.

Noch viele Fragen offen

Im begleitenden Editorial [2] wird das Ergebnis als ein „Triumph der Mechanismus-basierten Therapie der Epilepsie bei Patienten mit TSC und hoch refraktärer Epilepsie“ bezeichnet. Allerdings wird dieser Enthusiasmus durch einige Faktoren etwas getrübt. So kam es bei etwa 12% der Patienten mit hoher Everolimus-Exposition zu einem mindestens 25%igen Anstieg der Anfallshäufigkeit und nur 4% der Patienten wurden ganz anfallsfrei. Außerdem errechneten die Editorialisten, dass aufgrund des hohen Preises für Everolimus etwa 1000 US-Dollar für einen vermiedenen Krampfanfall aufgewendet werden müssen. Allerdings werde dieser Aspekt etwas relativiert, weil Everolimus bei einigen Patienten mit tuberöser Sklerose noch weitere günstige Wirkungen haben kann. Unsicher sei bis jetzt auch die optimale Dosis oder Talkonzentration des mTOR-Hemmers. Bei höherer Exposition sei die Wirksamkeit besser, möglicherweise könnte sie bei weiterer Dosiserhöhung noch weiter verbessert werden.

Viele Fragen sind zu dieser Therapieform noch offen, dennoch besteht Anlass zur Hoffnung, dass sich die therapeutischen Möglichkeiten für alle Manifestationen der tuberösen Sklerose verbessern werden.

Quellen

1. French AJ, et al. Adjunctive everolimus therapy for treatment-resistant focal-onset seizures associated with tuberous sclerosis (EXIST-3): a phase 3, randomised, double-blind, placebo-controlled study. Lancet 2016;388:2153–63.

2. Roach ES, Kwiatkowski DJ. Seizures in tuberous sclerosis complex: hitting the target. Lancet 2016;388:2062–4.

Psychopharmakotherapie 2017; 24(02)