Schubförmige MS

Alemtuzumab verringert Schubrate besser als Fingolimod oder Interferon beta


Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Alemtuzumab ist hoch wirksam in der Behandlung der schubförmigen multiplen Sklerose (MS). Die therapeutische Wirkung ist weitgehend mit der von Natalizumab vergleichbar und sie ist besser als die von Fingolimod und Interferon beta, so das Ergebnis einer internationalen Kohortenstudie.

Eine hoch wirksame Immuntherapie mit Alemtuzumab (Lemtrada®) oder Natalizumab (Tysabri®) ist als Initialtherapie bei hoch aktiver MS, als Eskalationsbehandlung bei unzureichendem Ansprechen auf eine orale Behandlung oder als Wechsel von Natalizumab auf Alemtuzumab oder Fingolimod (Gilenya®) bei hohem Risiko einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie in der klinischen Praxis üblich.

Alemtuzumab ist ein humanisierter, gegen CD52 gerichteter Antikörper, der sich in klinischen Studien im Vergleich zu Interferon beta als überlegen in der Wirkung auf die Schubrate und das Fortschreiten der Behinderung erwies. Bislang gibt es jedoch keine Daten zum Vergleich der Wirksamkeit von Alemtuzumab mit anderen hoch wirksamen Immuntherapien.

Daher wurden in einer internationalen Kohortenstudie die Schubraten, die Behinderungsakkumulation und die Verbesserungen in der Behinderung von Patienten verglichen, die mit Alemtuzumab und anderen Immuntherapien behandelt wurden [1].

Zunächst sollten die Ergebnisse der zulassungsrelevanten Studien von Alemtuzumab im Vergleich zu Interferon beta bestätigt werden. Weiterhin sollte die Wirksamkeit von Alemtuzumab mit der von Natalizumab oder Fingolimod über fünf Jahre Behandlung verglichen werden.

In die Analyse wurden die Daten von MS-Patienten eingeschlossen, die wie folgt behandelt wurden:

  • Alemtuzumab n=189 (nach 1999)
  • Interferon beta n=2155 (nach 1994)
  • Natalizumab n=1160 (nach 2006)
  • Fingolimod n=828 (nach 2010)

Die Unterschiede in den demographischen Parametern in den vier Gruppen wurden durch ein Propensity-Score-Matching adjustiert.

Alemtuzumab senkt Schubrate am stärksten

Die annualisierte Schubrate der Patienten unter Alemtuzumab war signifikant niedriger als unter Interferon beta (0,19 versus 0,53; p<0,0001) und als unter Fingolimod (0,15 versus 0,34; p<0,0001). Die Autoren des begleitenden Editorials [2] wundern sich allerdings darüber, dass die Wirksamkeit von Alemtuzumab gegenüber Interferon beta hier besser war als in den Phase-III-Studien, denn normalerweise wäre die Wirkung aufgrund des Verdünnungseffekts in der Real-Life-Situation eher geringer. Auch im Vergleich zu Fingolimod sei die Alemtuzumab-Wirksamkeit besser als in einer Netzwerk-Metaanalyse gewesen.

Die Wirkung auf die Schubrate von Alemtuzumab und Natalizumab war ähnlich (0,20 versus 0,19; p=0,78).

Auf die Behinderungsprogression wirkten alle Substanzen ähnlich. Die Editorialisten weisen jedoch darauf hin, dass diese Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren seien, weil die Studie für eine solche Erhebung nicht ausreichend gepowert war. Die Behinderung wurde durch Alemtuzumab signifikant stärker gebessert als mit Interferon beta und Fingolimod. Auf diesen Parameter wirkte Natalizumab signifikant besser als Alemtuzumab, vor allem in den ersten Behandlungsjahren [1].

Als größten Nachteil der Studie bezeichnen die Autoren, dass Sicherheitsdaten und radiologische Befunde nicht systematisch und vergleichend erfasst wurden. Gerade die Magnetresonanztomographie (MRT) sei ein wichtiges Verfahren, um die subklinische Krankheitsaktivität zu messen, welche das therapeutische Vorgehen beeinflussen könne.

Auch im begleitenden Editorial wird es als Schwäche der Studie bezeichnet, dass keine MRT-Daten erhoben wurden. Die MRT-Aktivität sei für die Therapieauswahl von hoher Bedeutung. Eine weitere Limitierung seien die unterschiedlichen Abbruchraten der verschiedenen Therapeutika. Aufgrund des besonderen Therapieschemas von Alemtuzumab sei die Therapiepersistenz nicht mit den anderen Substanzen in dieser Studie vergleichbar. Alemtuzumab wird als intravenöse Infusion in zwei Behandlungsphasen mit einem Abstand von einem Jahr verabreicht. Behandlungsphase 1 erfolgt im ersten Behandlungsjahr an fünf aufeinander folgenden Tagen, Behandlungsphase 2 im zweiten Behandlungsjahr an drei aufeinander folgenden Tagen.

Quellen

1. Kalincik T, et al. Treatment eff ectiveness of alemtuzumab compared with natalizumab, fingolimod, and interferon beta in relapsing-remitting multiple sclerosis: a cohort study. Lancet Neurol. Online publiziert am 10. Februar 2017.

2. Sormani MP, Laroni A. Approved drugs for multiple sclerosis: the challenge of choice. Lancet Neurol. Online publiziert am 10. Februar 2017.

Psychopharmakotherapie 2017; 24(02)