Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
In der Pathophysiologie der Alzheimer-Erkrankung spielen Amyloid-beta(Aβ)-Plaques und Neurofibrillen eine wichtige pathogenetische Rolle. Aus diesem Grund waren vor einiger Zeit Impfstoffe gegen Beta-Amyloid entwickelt worden, nach deren Gabe es tatsächlich zu einem Rückgang der Amyloid-Ablagerungen im Gehirn kam. Da einige der so behandelten Patienten eine Meningoenzephalitis entwickelten, wurde dieser Therapieansatz wieder verlassen. Die Arbeitsgruppe von Roger Nitsch in Zürich ging einen anderen Weg und entwickelte einen humanen monoklonalen Antikörper gegen Aβ. Im Tiermodell ist dieser Antikörper in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden, bindet im Hirnparenchym Aβ und reduziert sowohl das lösliche als auch das nichtlösliche Aβ in einer dosisabhängigen Weise. Die Züricher Arbeitsgruppe hat in Zusammenarbeit mit der Firma Biogen jetzt die erste Dosisfindungsstudie bei Menschen durchgeführt.
Studiendesign
Es wurden Patienten im Alter zwischen 50 und 90 Jahren mit einer beginnenden Alzheimer-Erkrankung rekrutiert. Der Mini-Mental-Score musste zwischen 24 und 30 liegen. Außerdem mussten die Patienten einen globalen Demenz-Score zwischen 0,5 und 1 aufweisen, mussten über Gedächtnisstörungen klagen, durften aber nicht vollständig dement sein. Alle Patienten, die in der Kernspintomographie weitere pathologische Veränderungen hatten, wurden ausgeschlossen. Es wurden nur Patienten eingeschlossen, bei denen sich im Florbetapir-PET-Scan Amyloid-Ablagerungen nachweisen ließen. Die Studie wurde als multizentrische, randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Dosisfindungsstudie über 12 Monate durchgeführt. Anschließend erfolgte eine offene 42-monatige Beobachtung. Ziel der Studie war, Sicherheit und Verträglichkeit von Aducanumab nachzuweisen. Der zweite Studienendpunkt war der Einfluss des Antikörpers auf die Aβ-Plaquekonzentration im Amyloid-PET nach 26 Wochen. Zur Messung der kognitiven Funktionen wurden die CDR (Clinical dementia rating-scale) und der CDR-SB (Clinical dementia rating – sum of boxes), der FCSRT (Free and cued selective reminding test) und der MMSE (Mini-mental state examination) eingesetzt.
In der Studie wurden 165 Patienten randomisiert und im Zeitraum zwischen Oktober 2012 und Januar 2014 in den Vereinigten Staaten untersucht. Sie erhielten entweder Placebo oder 1-mal monatlich intravenöse Infusionen von Aducanumab in Dosen von 1, 3, 6 oder 10 mg pro Kilogramm Körpergewicht. Insgesamt beendeten 125 Patienten die Studie. Die Patienten waren im Schnitt zwischen 70 und 74 Jahre alt und 65 bis 70% waren Träger des APOE4-Allels.
Studienergebnisse
Die Gabe von Aducanumab reduzierte Aβ-Plaques im Gehirn, gemessen mit dem Amyloid-PET, in einer dosis- und zeitabhängigen Weise. Nach 24 Wochen war die Reduktion von Amyloid bei der 3-, 6- und 10-mg/kg-Dosierung signifikant. Bei der hohen Dosis entsprach die Amyloid-Konzentration nach einem Jahr der von Gesunden.
Die kognitiven Funktionen wurden nur explorativ ausgewertet, da die Studie hierfür nicht genügend gepowert war. Auch hier fand sich eine zeit- und dosisabhängige Verlangsamung der Krankheitsprogression mit dem monoklonalen Antikörper nach 12 Monaten.
Unter dem Antikörper kam es vermehrt zu Harnwegsinfekten und Erkältungen. In der Kernspintomographie zeigten die Patienten, die mit dem Antikörper behandelt wurden, mit zunehmender Konzentration ein vasogenes Ödem an den Stellen, an denen ursprünglich Beta-Amyloid abgelagert war. Diese Veränderungen gingen im Laufe der Behandlung zurück.
Kommentar
Diese kleine, aber extrem gut durchgeführte Studie hat weltweites Aufsehen erregt. Es ist die erste positive Therapiestudie, die mit einem monoklonalen Antikörper gegen Beta-Amyloid nicht nur eine signifikante Reduktion der Konzentration von Amyloid im Gehirn bewirkt, sondern parallel dazu auch die kognitiven Funktionen stabilisiert. Begleitet wurde das Studienprogramm an Menschen mit umfangreichen Tierexperimenten. Da die Studie relativ klein war, müssen die Ergebnisse noch mit Vorsicht betrachtet werden. Allerdings sind die Dosisabhängigkeit der Wirkung und die Zeitabhängigkeit der Wirkung ein starkes Argument, dass es sich wirklich um eine wirksame Therapie handelt. Der endgültige Beweis wird allerdings erst erbracht sein, wenn die derzeit laufende Phase-III-Studie abgeschlossen ist.
Quelle
Sevigny J, et al. The antibody aducanumab reduces Aβ plaques in Alzheimerʼs disease. Nature 2016;537:50–6.
Psychopharmakotherapie 2017; 24(02)