Dr. Claudia Becker, Offenburg
In den USA wird die Hälfte der chronischen Opioid-Therapien für Patienten mit Schmerzen im unteren Rücken verordnet. In einer Studie aus Australien wurden Opioide als die drei häufigsten Therapien für diese Indikation genannt (Paracetamol/Codein-Kombination 12,1%, Oxycodon 11,7%, Tramadol 8,2%).
In einem Review-Artikel mit Metaanalyse haben Wissenschaftler vom Pharmazeutischen Institut in Sydney Daten über den Einsatz von Opioiden bei Schmerzen im unteren Rücken zusammengetragen. Obwohl in den Therapie-Leitlinien nichtsteroidale Antirheumatika und Paracetamol empfohlen werden, erhalten viele Patienten mittlerweile Opioide für dieses Krankheitsbild. Ziel des Reviews war es, klinische Studien zur Wirksamkeit von Opioiden bei Schmerzen im unteren Rücken sowie Gründe für einen vorzeitigen Abbruch der Teilnahme an diesen Studien zu analysieren.
Methoden
Die großen medizinischen Datenbanken (z.B. Medline, Embase, Cochrane Database of Systematic Reviews) wurden nach randomisierten klinischen Studien (RCT) mit Opioiden als Mono- oder als Kombinationstherapien für unspezifische Schmerzen im unteren Rücken durchsucht. Berichte zur Wirksamkeit und die entsprechende Dosierung wurden zusammengetragen. Alle Dosierungen wurden in Morphin-Äquivalente umgerechnet. Die Anzahl der Studienteilnehmer, die aufgrund von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) oder fehlender Wirksamkeit die Studien verließen, wurde analysiert. Dabei wurden das sogenannte „Enrichment Design“ mit dem herkömmlichen Studiendesign randomisierter klinischer Studien verglichen. Im „Enrichment Design“ werden nur Patienten, die in der „Run-in-Periode“ der Studie auf die Therapie ansprachen, in die Endauswertung eingeschlossen.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 20 Studien mit zusammen 7295 Teilnehmern ausgewertet. In 17 Studien wurde die Opioid-Therapie mit Placebo, in 3 Studien zwei Opioide miteinander verglichen. Die Wirksamkeit der Opioide bei der untersuchten Indikation wurde insgesamt als nicht klinisch relevant eingestuft. Es wurden keine Studien gefunden, die eine Therapie über einen längeren Zeitraum als zwölf Wochen untersucht hatten. Die Qualität der Daten zur Untersuchung der Verbesserung der körperlichen Befindlichkeiten war sehr schlecht. Der Gebrauch des Enrichment-Studiendesigns hatte keinen Einfluss auf das Ausmaß der Wirksamkeit. Allerdings stoppten in der Hälfte der Studien (unabhängig vom Design) über 50% der Teilnehmer die Therapie vorzeitig aufgrund von UAW oder fehlender Wirksamkeit. Mediane Raten für UAW waren sowohl in den Placebo-Gruppen (49,1%) als auch in den Verum-Gruppen (68,9%) hoch (Risk-Ratio 1,3; p<0,01).
Fazit der Studienautoren
Insgesamt waren die therapeutischen Effekte von Opioiden zur Therapie von unspezifischen chronischen Schmerzen im unteren Rücken moderat und wurden als nicht klinisch relevant eingestuft. Untersuchungen zum Langzeitgebrauch (12 Monate und länger) sowie zur Therapie von akuten Schmerzen fehlen ganz. Über die Hälfte der eingeschlossenen Patienten trugen letztendlich nicht zum Ergebnis der Studien bei, weil sie die Studien vorher verließen (aufgrund von UAW oder fehlender Wirksamkeit). Dieser Review wirft damit ein anderes Licht auf die unter den Verordnern anscheinend vorherrschende Meinung, dass Opioide ein wirksames Mittel bei unspezifischen Schmerzen im unteren Rücken seien. Allerdings muss man bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigen, dass es sich bei den Ergebnissen zur Wirksamkeit um Mittelwerte handelt – einige Patienten dürften trotzdem eine klinisch relevante Schmerzreduktion unter der Opioid-Therapie erfahren haben. Nach Meinung der Autoren sollten zukünftige Studien auch potenzielle Synergien von körperlicher Aktivität und Analgetika-Therapie untersuchen.
Quelle
Abdel Shaheed C, et al. Efficacy, tolerability, and dose-dependent effects of opioid analgesics for low back pain. A systematic review and meta-analysis. JAMA Intern Med 2016;176:958–68.
Psychopharmakotherapie 2016; 23(05)