Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen

Möglichkeiten der altersgerechten Therapie


Claudia Borchard-Tuch, Zusmarshausen

Im Rahmen eines Symposiums der Initiative „Schmerzlos“ im April 2016 in Tutzing wurde dargelegt, dass es neben einer häufig vorkommenden Migräne seltene idiopathische Kopfschmerzerkrankungen im Kindes- und Jugendalter gibt. Sowohl bei der Migräne als auch bei den idiopathischen Kopfschmerzen ist eine individualisierte Therapie von Bedeutung.

Etwa ein Sechstel aller Schulkinder leidet unter behandlungsbedürftigen Kopfschmerzen. Damit hat diese Erkrankung in den letzten 40 Jahren deutlich zugenommen. Die Diagnostik kindlicher Kopfschmerzen stellt in der kinderärztlichen Praxis kein spezifisches Problem dar, so Prof.Dr.med. Raymund Pothmann, Hamburg. Zumeist können organische Ursachen mithilfe der zur Verfügung stehenden diagnostischen Verfahren sicher ausgeschlossen werden und symptomatische Kopfschmerzen erfolgreich behandelt werden. Die kinderneurologisch ausgerichtete Untersuchung dient dem Ausschluss symptomatischer Kopfschmerzen.

Therapie der Migräne

Basis jeder Behandlung ist ein Migränetagebuch. Darin eingetragen werden die Kopfschmerzen nach Auftreten, Intensität und Dauer wie auch Auslöser, Auswirkungen der Kopfschmerzen, Begleitsymptome und Medikation. Erfahrungsgemäß kann dies bereits einen therapeutischen Effekt haben. Von Bedeutung ist auch eine Verhaltensoptimierung. Zu lange Pausen zwischen den Mahlzeiten, Rauchen, alkoholische Cocktails oder Bewegungsmangel bei stundenlangem Fernsehen sollten vermieden werden.

Bei Migräne ist eine Akuttherapie, zum Beispiel mit Ibuprofen, notwendig. Bei Nichtansprechen können die Migräne-spezifischen 5-HT1B/1D-Serotonin-Agonisten („Triptane“) eingesetzt werden. Bewährt hat sich dabei Sumatriptan (Imigran®) als Nasenspray (10–20 mg) ab dem 12. Lebensjahr, im Einzelfall auch bei jüngeren Kindern. Bei vier oder mehr unbeherrschbaren Attacken pro Monat ist eine Langzeitprophylaxe über drei bis sechs Monate indiziert. Oft ist die Einnahme von Magnesium von bis zu 10 mg/kg KG ausreichend. Die Einnahme des Calciumkanalblockers Flunarizin (5 mg täglich, Einnahme abends) ist zwar gut wirksam, jedoch sehr häufig mit einer Gewichtszunahme verbunden. Betablocker wie Metoprolol (1,5 mg/kg KG pro Tag, abends) oder Propranolol (1–2 mg/kg KG proTag) sind ebenfalls zumeist effektiv.

Von besonderer Bedeutung ist die Verhaltenstherapie. Hiermit kann die Bewältigung der Kopfschmerzen eigenverantwortlich optimiert werden. Erfolgreiche Ansätze lassen sich drei Hauptgruppen zuordnen:

  • Entspannungsverfahren wie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson und autogenes Training,
  • Biofeedback-Verfahren,
  • Verhaltenstherapeutische „Multikomponenten-Programme“, die neben den beiden erstgenannten Therapieansätzen das Erlernen von Stress- und Schmerzbewältigung in den Mittelpunkt der Behandlung stellen.

Mit diesen Maßnahmen sind etwa drei Viertel aller Fälle gut therapierbar. Bei etwa 10% der Jugendlichen ist eine individuelle Behandlung notwendig. Reicht eine ambulante Schmerztherapie nicht aus, sollte eine stationäre Schmerztherapie durchgeführt werden. Inzwischen gibt es hierfür fünf Spezialzentren in Deutschland.

Seltene idiopathische Kopfschmerzerkrankungen im Kindes- und Jugendalter

Die sogenannten periodischen Syndrome im Kindes- und Jugendalter gehen oft in eine Migräne über oder sind mit einer Migräne assoziiert und wurden daher früher auch als Migräneäquivalente bezeichnet. Der pathophysiologische Zusammenhang ist noch weitgehend ungeklärt. Die IHS(International headache society)-Klassifikation nennt diagnostische Kriterien für das zyklische Erbrechen, die abdominale Migräne, den gutartigen paroxysmalen Schwindel und den paroxysmalen Torticollis in der Kindheit. Noch nicht geklärt ist der Stellenwert der infantilen Koliken und der kindlichen alternierenden Hemiplegie.

Für die medikamentöse Therapie der periodischen Syndrome in der Kindheit gilt Flunarizin in einer täglichen Dosis von 5 bis 10 mg (im Einzelfall auch höher) als Mittel der ersten Wahl. Beim zyklischen Erbrechen und der abdominalen Migräne kommen auch Propranolol oder Amitriptylin in Betracht, bei der alternierenden Hemiplegie der Kindheit auch Topiramat in niedriger Dosierung (1–3 mg/kg KG) [1]. Von Bedeutung ist die Aufklärung über den gutartigen Charakter dieser Syndrome (mit Ausnahme der alternierenden Hemiplegie).

Quelle

Prof. Dr.med. Dr.phil. Stefan Evers, Coppenbrügge, Prof. Dr.med. Raymund Pothmann, Hamburg; Symposium der Initiative Schmerzlos: „Kopfschmerzen bei Jugendlichen – der Herausforderung begegnen“, Tutzing, 22. April 2016, veranstaltet von Reckitt Benckiser Deutschland GmbH.

Literatur

1. Ebinger F, et al. Therapie idiopathischer Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter. Revidierte Empfehlungen der Gesellschaft für Neuropädiatrie (GNP) und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG). Monatsschr Kinderheilkd 2009;157:599–610.

Psychopharmakotherapie 2016; 23(05)