Morbus Parkinson

Erhöhtes Mortalitätsrisiko unter Antipsychotika


Dr. Claus Gassner, Villingen-Schwenningen

Erhalten Parkinson-Patienten antipsychotisch wirksame Arzneistoffe, ist dies mit einer Verdopplung des Mortalitätsrisikos verbunden. Auch die Auswahl des Antipsychotikums spielt hierbei eine Rolle. Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren einer retrospektiven Studie, in der die Daten von über 15000 Parkinson-Patienten systematisch abgeglichen und ausgewertet wurden.

Ein Großteil der von Morbus Parkinson betroffenen Patienten leidet zusätzlich an psychiatrischen Erkrankungen wie Psychosen und Demenz und wird daher mit antipsychotisch wirksamen Substanzen behandelt. Wie sich die gleichzeitige Gabe von Antipsychotika auf die Mortalität von Parkinson-Patienten auswirkt, wurde nun in einer retrospektiven Studie untersucht. Hierzu analysierten die Studienautoren Daten von 7877 vergleichbaren Patienten-Paaren.

Methodik

Bei der durchgeführten Studie handelt es sich um eine retrospektive Kohorten-Studie. Auf Basis der Veterans Health Administration Database, einer Datenbank, in der die Gesundheitsdaten von US-Veteranen gespeichert sind, wurden Patienten identifiziert, für die in den Jahren 1999 bis 2010 die Diagnose Morbus Parkinson gestellt wurde. Anhand einer Vielzahl von Ein- und Ausschlusskriterien bildeten die Autoren daraufhin ein für die retrospektive Betrachtung geeignetes Studienkollektiv. 99,2% der ausgewählten Studienteilnehmer waren männlich, nur 0,8% weiblich. Dies ist wenig verwunderlich, da es sich bei der Datenquelle um eine Veteranen-Datenbank handelt.

Ab dem Zeitpunkt, zu dem ein Parkinson-Patient ein Antipsychotikum verordnet bekam, begann eine 180-tägige Beobachtungsphase. Jeder dieser Patienten bekam einen nach Alter, Geschlecht, Krankheitsdauer und Komorbiditäten vergleichbaren Patienten ohne Antipsychotikum zugeordnet („matched-pair“). Für die auf diese Weise gebildeten 7877 Patienten-Paare errechneten die Verfasser nun das Mortalitätsrisiko im 180-Tage-Beobachtungszeitraum.

In einer weiteren Analyse sollte zusätzlich der Einfluss der antipsychotischen Substanzauswahl untersucht werden. Offensichtlich spielte es für die Mortalität nämlich eine Rolle, ob der Patient ein typisches (z.B. Haloperidol, Chlorpromazin, Fluphenazin, Perphenazin) oder ein atypisches Antipsychotikum (z.B. Olanzapin, Quetiapin, Risperidon, Aripiprazol, Clozapin) bekam. Für diese Auswertung wurden die Daten von 8782 Patienten mit antipsychotischer Therapie herangezogen und eine Risikobewertung nach Substanzklasse vorgenommen. Weit über die Hälfte der Patienten erhielten Quetiapin (66,9%), gefolgt von Risperidon (14,7%), Olanzapin (10,6%) und Haloperidol (3,6%); andere typische und atypische Antipsychotika (1,8% bzw. 2,5%) spielten nur eine untergeordnete Rolle.

Ergebnisse

Die statistische Auswertung erfolgte nach zwei unterschiedlichen Verfahren: Intention-to-treat- und Exposure-only-Analyse. Endpunkt für beide Betrachtungen war das Überleben der Patienten nach 180 Tagen ab dem Beginn der Beobachtungsphase. Die Patienten waren bei Beobachtungsbeginn im Durchschnitt 76 Jahre alt.

Unter Berücksichtigung aller Kovariablen errechnete sich für die Antipsychotika-Gruppe ein adjustiertes Hazard-Ratio (HR) von 2,35. Dies bedeutet, das Risiko, innerhalb von 6 Monaten zu versterben, ist für einen Parkinson-Patienten unter Antipsychotika-Therapie in etwa doppelt so hoch wie für Patienten ohne derartige Therapie. Die Auswertung nach Substanzklasse ergab ein höheres Mortalitätsrisiko für typische als für atypische Antipsychotika gegenüber Patienten ohne Antipsychotika:

  • Haloperidol: HR 5,08 (p<0,001)
  • Olanzapin: HR 2,79 (p<0,001)
  • Risperidon: HR 2,46 (p<0,001)
  • Quetiapin: HR 2,16 (p<0,001)

Die Hazard-Ratios für andere typische (1,82) und andere atypische Antipsychotika (1,19) waren nicht signifikant.

Limitationen

Trotz der Größe und sorgfältigen Auswahl des Studienkollektivs sind bei der Interpretation diverse Faktoren zu berücksichtigen, wie auch die Autoren selbst zu bedenken geben. So konnte anhand der vorliegenden Daten nicht verifiziert werden, ob die Diagnose „Parkinson“ immer korrekt gestellt und damit eine Vergleichbarkeit der eingeschlossenen Patienten gegeben war. Auch versterben die Patienten nicht an „Parkinson“, sondern an den Auswirkungen der Erkrankung bzw. Begleiterkrankungen, was aber in den Patientenakten nicht weiter aufgeschlüsselt wurde. Somit ist auch hierfür die Vergleichbarkeit der Daten nicht uneingeschränkt gegeben.

Fazit der Studienautoren

In der vorliegenden retrospektiven Studie wurde eine große Anzahl an Parkinson-Patienten mit und ohne antipsychotische Therapie in einer US-Veteranen-Datenbank identifiziert und das Mortalitätsrisiko in einem Zeitraum von 180 Tagen bestimmt. Patienten unter Antipsychotika-Therapie hatten ein in etwa doppelt so hohes Risiko, innerhalb des Beobachtungszeitraums zu versterben. Eine weitere Erkenntnis war, dass typische Substanzen (z.B. Haloperidol) mit einem höheren Mortalitätsrisiko behaftet sind als atypische Antipsychotika (z.B. Olanzapin). Aufgrund ihrer Ergebnisse fordern die Studienautoren, Antipsychotika bei Parkinson-Patienten nur sehr zurückhaltend einzusetzen und die Substanzauswahl sorgfältig zu treffen.

Quelle

Weintraub D, et al. Association of antipsychotic use with mortality risk in patients with Parkinson disease. JAMA Neurol 2016;73:535–41.

Psychopharmakotherapie 2016; 23(05)