Nicotinabhängigkeit

Sicherheit und Wirksamkeit von Entwöhnungsmitteln bestätigt


Dr. Heike Oberpichler-Schwenk, Stuttgart

Die Raucher-Entwöhnungsmittel Vareniclin und Bupropion führen weder bei psychisch Gesunden noch bei psychiatrischen Patienten zu signifikant vermehrten neuropsychiatrischen Nebenwirkungen. Dies ist ein wesentliches Ergebnis der randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudie EAGLES (Evaluating adverse events in a global smoking cessation study), das für die Betreuung psychiatrischer Patienten mit ihrem überdurchschnittlichen Raucheranteil von besonderer Bedeutung ist. Auch die Wirksamkeit der Substanzen wurde in der Studie erneut nachgewiesen beziehungsweise für psychiatrische Patienten erstmals an einer umfangreichen Stichprobe gezeigt.

Zur medikamentösen Unterstützung der Raucherentwöhnung stehen neben verschiedenen Nicotinersatzpräparaten (Kaugummi, Lutschtabletten, transdermales Pflaster, Spray) die Wirkstoffe Vareniclin (Champix®) und Bupropion (Zyban®) zur Verfügung. Nach deren Markteinführung wurden Sicherheitsbedenken laut, vor allem in Bezug auf neuropsychiatrische Nebenwirkungen wie Suizidalität und Aggression. Vor diesem Hintergrund forderte die Food and Drug Administration (FDA) von den Herstellern Klärung durch eine ausreichend große Studie.

Studiendesign

Die weltweite randomisierte, kontrollierte Doppelblindstudie wurde in 140 Zentren in 16 Ländern durchgeführt [1]. In die Studie wurden zwischen November 2011 und Januar 2015 insgesamt 8144 entwöhnungswillige Raucher aufgenommen, die im vorangegangenen Jahr mindestens zehn Zigaretten täglich geraucht hatten (im vorangegangenen Monat durchschnittlich 20 bis 21 Zigaretten täglich). Die Studienteilnehmer waren im Schnitt 46,5 Jahre alt und seit 27 bis 28 Jahren Raucher. Für rund 80% war es mindestens der zweite Versuch, mit dem Rauchen aufzuhören. Rund die Hälfte der Studienteilnehmer hatte eine DMS-IV-TR-Diagnose einer psychischen Erkrankung in stabiler Phase (psychiatrische Kohorte; n=4116), die übrigen Studienteilnehmer waren psychisch gesund (nichtpsychiatrische Kohorte; n=4028). Beide Kohorten wurden im Verhältnis 1:1:1:1 in folgende Behandlungsgruppen randomisiert:

  • Vareniclin (Zieldosis 1 mg 2-mal täglich)
  • Bupropion-Retardtabletten (Zieldosis 150 mg 2-mal täglich)
  • Nicotin als transdermales Pflaster (initial 21 mg/24 h, dann Dosisreduktion gemäß Fachinformation)
  • Placebo

Die Studie wurde im Triple-Dummy-Design durchgeführt, das heißt, jeder Teilnehmer sollte alle drei Studienmedikamente anwenden, von denen zwei (in der Placebo-Gruppe alle drei) aber Placebos waren. Die Studienmedikation wurde zwölf Wochen lang genommen, gefolgt von einer 12-wöchigen medikationsfreien Phase. Während der insgesamt 24-wöchigen Studiendauer sollten die Teilnehmer 15-mal persönlich vorsprechen; an diesen Terminen wurde jeweils ein Beratungsgespräch zum Rauchstopp geführt und zur Erfassung der Adhärenz wurden die übrigen Tabletten und Pflaster gezählt. Ergänzend wurden elf Telefonvisiten durchgeführt. Bei allen persönlichen und telefonischen Visiten wurde anhand eines strukturierten Fragebogens der Tabak- und Nicotingebrauch ermittelt. Zur Bestätigung der Abstinenz wurde zudem bei den persönlichen Visiten der Kohlenmonoxid-Gehalt in der Ausatemluft bestimmt.

Nebenwirkungen wurden bei allen Visiten mit offenen Fragen, durch direkte Beobachtung und anhand eines spezifischen semistrukturierten Interviews mit 25 Fragen (Neuropsychiatric adverse events interview, NAEI) ermittelt. Falls das NAEI Hinweise auf neuropsychiatrische Nebenwirkungen ergab, erfragte der Interviewer auch Häufigkeit, Dauer und Schwere der Symptome. Bei allen Visiten wurden außerdem die Columbia-Suicide Severity Rating Scale (C-SSRS) und die Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) abgefragt. Teilnehmer, die eine schwerwiegende neuropsychiatrische Nebenwirkung berichteten, ein erhöhtes Suizidrisiko oder eine andere erhebliche Verschlechterung ihres psychischen Zustands aufwiesen, wurden umgehend psychiatrisch untersucht und zu möglichen Maßnahmen (einschließlich Studienabbruch) beraten.

Der primäre Sicherheitsendpunkt war dadurch definiert, ob während der Medikationsphase oder innerhalb der folgenden 30 Tage neuropsychiatrische Nebenwirkungen auftraten. Als solche galten insgesamt 261 Begriffe (preferred terms) aus dem MedDRA-Katalog (Kasten), die in 16 Symptomkategorien zusammengefasst waren (z.B. Ängstlichkeit, Depressionen, Agitation, Aggression, Halluzinationen, Psychose). Aufgetretene Nebenwirkungen wurden von den Untersuchern als leicht, moderat oder schwerwiegend beurteilt. In den kombinierten primären Endpunkt gingen Ereignisse aus den verbreiteten Symptomkategorien Ängstlichkeit, Depressionen, Feindseligkeit und Gefühl der Unnormalität nur bei schwerwiegender Ausprägung ein, Ereignisse aus den anderen Symptomkategorien bereits bei moderater Ausprägung.

MedDRA

Medical Dictionary for Regulatory Activities; eine Sammlung standardisierter, überwiegend medizinischer Begriffe, die bei regulatorischen Prozessen rund um Arzneimittel und Medizinprodukte verwendet werden. Jedem Begriff ist ein numerischer Code zugeordnet, um eine sprachenübergreifend eindeutige Verständigung zu ermöglichen.

Primärer Wirksamkeitsendpunkt war die anhaltende Abstinenz mit Vareniclin und Bupropion in Woche 9 bis 12, also in der letzten Phase der Studienmedikation.

Studienergebnisse

Neuropsychiatrische Nebenwirkungen waren in der psychiatrischen Kohorte mit 5,8% häufiger als in der nichtpsychiatrischen Kohorte mit 2,1% (p<0,0001). Sie traten aber in allen vier Behandlungsgruppen mit ähnlicher Häufigkeit auf (Tab. 1). Im Vergleich mit Placebo zeigte keine Behandlungsgruppe ein erhöhtes Risiko, wie daran erkennbar ist, dass bei allen Risikodifferenzen das 95%-Konfidenzintervall einen negativen Wert beinhaltete.

Tab. 1. Wesentliche Ergebnisse der EAGLES (Evaluating adverse events in a global smoking cessation study) [2]

Vareniclin

Bupropion

Nicotin-Pflaster

Placebo

Sicherheitsendpunkte

Neuropsychiatrische Nebenwirkungen#

  • Gesamt

4,0%

4,5%

3,9%

3,7%

  • Psychiatrische Kohorte (n=4074)

6,5%

6,7%

5,2%

4,9%

  • Nichtpsychiatrische Kohorte (n=3984)

1,3%

2,2%

2,5%

2,4%

Risikodifferenz vs. Placebo [%-Punkte (95%-KI)]

  • Psychiatrische Kohorte

1,59 (–0,42; 3,59)

1,78 (–0,24; 3,81)

0,37 (–1,53; 2,26)

  • Nichtpsychiatrische Kohorte

–1,28 (–2,40; –0,15)

–0,08 (–1,37; 1,21)

–0,21 (–1,54; 1,12)

Wirksamkeitsendpunkte

Anhaltende Abstinenz in Woche 9–12

  • Psychiatrische Kohorte

29,2%

19,3%

20,4%

11,4%

  • Odds-Ratio vs. Placebo
    (mit 95%-KI)

3,24 (2,56; 4,11)**

1,87 (1,49; 2,39)**

2,00 (1,56; 2,55)**

  • Odds-Ratio vs. Nicotin-Pflaster (mit 95%-KI)

1,62 (1,32; 1,99)**

0,94 (0,75; 1,16)

  • Nichtpsychiatrische Kohorte

38,0%

26,1%

26,4%

13,7%

  • Odds-Ratio vs. Placebo
    (mit 95%-KI)

4,00 (3,20; 5,00)**

2,26 (1,80; 2,85)**

2,30 (1,83; 2,90)**

  • Odds-Ratio vs. Nicotin-Pflaster (mit 95%-KI)

1,74 (1,43; 2,10)**

0,98 (0,80; 1,20)

#kombinierter primärer Endpunkt; KI: Konfidenzintervall; ** p<0,0001; kursiv: primärer Wirksamkeitsvergleich

Suizidgedanken oder -handlungen wurden in der psychiatrischen Kohorte mit 1,5 bis 2,7% etwas häufiger registriert als in der nichtpsychiatrischen Kohorte mit 0,3 bis 0,7% (Daten bis 30 Tage nach der letzten Medikation), waren aber innerhalb der Kohorten zwischen den Behandlungsgruppen ähnlich.

Die Abstinenzrate in Woche 9 bis 12 war mit Vareniclin und Bupropion im Vergleich zu Placebo signifikant höher, und zwar auch in der psychiatrischen Kohorte (Tab. 1). Neben diesen primär ausgewerteten Substanzen erwies sich auch das Nicotin-Pflaster in beiden Kohorten als wirksame Maßnahme zur Unterstützung der Entwöhnung. Mit Vareniclin ergab sich eine höhere Abstinenzrate nach 9 bis 12 Wochen sowohl im Vergleich mit dem Nicotin-Pflaster (Tab. 1) als auch mit Bupropion (Odds-Ratio 1,75 für die Gesamtpopulation). Die Unterschiede waren – auf etwas niedrigerem Niveau – auch bei Beobachtung bis zum Ende der Studie (Woche 9 bis 24) nachweisbar.

Die häufigsten Nebenwirkungen waren Übelkeit bei Behandlung mit Vareniclin (25%), Insomnie mit Bupropion (12%), abnorme Träume mit Nicotin-Pflaster (12%) und Kopfschmerzen mit Placebo (10%).

Diskussion

Ein begleitender Kommentar unterstreicht die Bedeutung der Ergebnisse für die Behandlung von entwöhnungswilligen psychiatrischen Patienten [2]. Bei insgesamt etwas geringeren Erfolgschancen einer Entwöhnungsbehandlung in dieser Kohorte haben Vareniclin und Bupropion (ebenso wie Nicotin-Pflaster) sich im Vergleich mit Placebo als wirksame Entwöhnungsmittel erwiesen. Als Einschränkung der Studie wird kritisiert, dass Substanzmissbrauch in den letzten zwölf Monaten ein Ausschlusskriterium war. Angesichts des hohen Anteils von Rauchern bei Drogen- oder/und Alkoholabhängigen werden auch für diese Patientengruppen Daten benötigt.

Quellen

1. Anthenelli RM, et al. Neuropsychiatric safety and efficacy of varenicline, bupropion, and nicotine patch in smokers with and without psychiatric disorders (EAGLES): a double-blind, randomized, placebo-controlled clinical trial. Lancet 2016;387:2507–20.

2. Zawertailo L. Safety of smoking cessation drugs for mentally ill patients. Lancet 2016; 387:2481–2.

Psychopharmakotherapie 2016; 23(04)