Analyse von CYP450-Wechselwirkungen: kleiner Aufwand, große Wirkung


Das Interaktionspotenzial der Phosphodiesterase(PDE)-5- Hemmer

Hoger Petri, Bad Wildungen*

Für die Bewertung des pharmakokinetischen Interaktionspotenzials der Phosphodiesterase(PDE)-5-Hemmer ist die Affinität zum Cytochrom-P450(CYP)-Isoenzym 3A4 von maßgeblicher Bedeutung. In der Interaktionstabelle (Tab. 1) wird das Verhalten der Substanzen zu diesem Cytochrom-P450-Isoenzym dargestellt.
Psychopharmakotherapie 2016;23:170–3.

Interaktionen mit CYP3A4- Inhibitoren

Die Phosphodiesterase(PDE)-5-Hemmer Avanafil, Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil werden primär über CYP3A4 abgebaut [3, 5, 8, 10]. Die gleichzeitige Anwendung von CYP3A4-Inhibitoren (Abb. 1) erhöht die Exposition gegenüber den PDE-5-Hemmern [11, 15]. Das Ausmaß ist dabei abhängig von der CYP3A4-hemmenden Potenz des Kombinationspartners.

Avanafil

Die AUC-Werte (Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve) von Avanafil steigen durch die starken CYP3A4-Hemmer Ketoconazol und Ritonavir um den Faktor 14 und 13. Erythromycin erhöht die Avanafil-Exposition um den Faktor 3 [8].

Sildenafil

Die Plasmaspiegel von Sildenafil werden durch Ritonavir um das 11-Fache, durch Ciprofloxacin und Erythromycin um das 2,1-Fache bzw. 2,8-Fache erhöht [15]. Für Clarithromycin wird eine 7-fache Exposition erwartet [7]. In einer Studie mit gesunden Freiwilligen stieg die AUC jedoch nur um das 2,3-Fache [12]. Grapefruitsaft steigert die Sildenafil-Exposition durchschnittlich um 23% mit einer Bandbreite vom 0,8- bis 2,6-Fachen des AUC-Werts im Vergleich zur Kontrollgruppe [1, 13].

Tadalafil

Die Plasmaspiegel von Tadalafil verdoppeln sich durch gleichzeitige Gabe von Ketoconazol 200 mg und vervierfachen sich unter 400 mg Ketoconazol [2].

Vardenafil

Deutlich höher ist die Zunahme der Exposition bei Vardenafil. Die beiden Proteasehemmer Indinavir und Ritonavir lassen die Plasmaspiegel um das 16-Fache bzw. 49-Fache steigen, Ketoconazol um das 10-Fache [5]. Das Antibiotikum Erythromycin erhöht die Vardenafil-Exposition um das 4-Fache [5].

Interaktionen mit CYP3A4- Induktoren

Der moderate CYP3A4-Induktor Bosentan senkt die Plasmaspiegel von Sildenafil um 63% [7]. Die AUC-Werte von Tadalafil nehmen in Kombination mit Bosentan um 42%, in Kombination mit dem starken CYP3A4-Induktor Rifampicin um 88% ab [2, 15]. In einer ähnlichen Größenordnung sollte sich die Abnahme der Exposition der übrigen PDE-5-Hemmer in Kombination mit moderaten und starken CYP3A4-Induktoren (Abb. 1) bewegen [11].

Konsequenzen für die Praxis

PDE-5-Hemmer sind zur Behandlung der erektilen Dysfunktion bei erwachsenen Männern indiziert [3, 5, 8, 10]. Sildefanil und Tadalafil sind zusätzlich zugelassen zur Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH) [2, 7]. In den Fachinformationen werden unterschiedliche Empfehlungen, auch in Abhängigkeit der Indikation, bei Komedikation mit CYP3A4-Modulatoren gegeben.

Avanafil

Avanafil ist bei Anwendung starker CYP3A4-Hemmer kontraindiziert. Die Dosis von 100 mg Avanafil sollte bei gleichzeitiger Gabe moderater CYP3A4-Hemmer nicht überschritten werden und zwischen den einzelnen Einnahmen ein zeitlicher Abstand von mindestens 48 Stunden liegen [8].

Sildenafil

Bei der Behandlung der erektilen Dysfunktion sollte Sildenafil bei erstmaliger Anwendung bei Patienten, die eine begleitende Behandlung mit CYP3A4-Hemmstoffen erhalten, mit 25 mg pro Tag dosiert werden. Bei Patienten, die mit dem Proteasehemmer Ritonavir behandelt werden, darf eine Sildenafil-Dosis von 25 mg in 48 Stunden nicht überschritten werden [6]. Diese Dosierung wird auch bei Anwendung anderer Proteasehemmer wie Cobicistat und Indinavir empfohlen [4, 9]. Die empfohlene Dosierung in der PAH-Therapie beträgt 3-mal täglich 20 mg bei Erwachsenen und pädiatrischen Patienten ab 1 Jahr und einem Körpergewicht über 20 kg [7].

Die Kombination mit den CYP3A4-Hemmern Itraconazol, Ketoconazol und Ritonavir ist kontraindiziert. Bei Komedikation mit anderen starken CYP3A4-Hemmern wie Clarithromycin ist die Dosis auf 1-mal 20 mg zu reduzieren, bei gleichzeitiger Gabe von Erythromycin und ungeboostertem Saquinavir ist der PDE-5-Hemmer in der Dosierung 2-mal 20 mg einzunehmen. Die Wirksamkeit von Sildenafil bei gleichzeitiger Gabe von starken CYP3A4-Induktoren sollte überwacht werden [7].

Tadalafil

In der Indikation erektile Dysfunktion sollte Tadalafil mit CYP3A4-Hemmern mit Vorsicht kombiniert werden. Eine Dosis von 10 mg über einen Zeitraum von 72 Stunden sollte bei Kombination mit Proteasehemmern nicht überschritten werden [4, 6, 9]. In der PAH-Behandlung wird Tadalafil nicht für Patienten empfohlen, die potente CYP3A4-Inhibitoren und über längeren Zeitraum potente CYP3A4-Induktoren einnehmen [3].

Tadalafil ist als einziger PDE-5-Hemmer in einer Dosis bis 5 mg zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms bei erwachsenen Männern zugelassen [3]. Bei Verordnung von Alpha-1-Adrenozeptorantagonisten ist zu bedenken, dass diese ebenfalls Substrate von CYP3A4 sind. Inhibitoren dieses Enzyms reduzieren die Clearance beider Stoffgruppen und das Risiko für beispielsweise eine orthostatische Hypotonie ist durch Plasmaspiegelanstieg beider Substanzklassen erhöht [14].

Vardenafil

Die Kombination von Vardenafil mit starken CYP3A4-Hemmern wie Indinavir und Ritonavir ist kontraindiziert und die Dosis in Kombination mit anderen starken CYP3A4-Hemmern auf 5 mg zu begrenzen. Bei Männern über 75 Jahren ist die Kombination mit starken CYP3A4-Hemmern kontraindiziert [5].

Vardenafil kann zu einer QTc-Zeitverlängerung führen. Der Effekt ist dosisabhängig. Die Anwendung von Vardenafil sollte bei Patienten mit Risikofaktoren unterbleiben. Arzneimittel, die den Metabolismus von Vardenafil hemmen und deshalb zu erhöhten Plasmakonzentrationen führen können, bilden einen solchen Risikofaktor [16].

Interaktion mit Grapefruitsaft

Zum gleichzeitigen Konsum von Grapefruitsaft geben die Fachinformationen abweichende Hinweise in Abhängigkeit von der Indikation. Bei der Behandlung der PAH wird eine Einnahme von Sildenafil mit Grapefruitsaft nicht empfohlen [7]. In der Indikation erektile Dysfunktion wird bei Sildenafil lediglich auf eine geringe Steigerung der Plasmaspiegel verwiesen [10]. Grapefruitsaft und Tadalafil sind nur mit Vorsicht gleichzeitig einzunehmen, während der Saft bei Vardenafil-Einnahme vermieden werden muss. In der Fachinformation von Avanafil wird empfohlen, 24 Stunden vor der Einnahme keinen Grapefruitsaft zu trinken [8].

Zur unterschiedlichen Einschätzung des Interaktionsrisikos dürfte beitragen, dass Grapefruitsaft als Naturprodukt je nach Art der Frucht, deren Reifegrad und Herkunft in Abhängigkeit von Herstellungsprozessen eine nichtstandardisierbare Zusammensetzung aktiver Inhaltsstoffe hat. Der Effekt auf die Exposition der PDE-5-Inhibitoren ist zudem interindividuell unterschiedlich und somit nicht zuverlässig vorhersagbar [1, 17]. Die hauptverantwortlichen Inhaltsstoffe für die CYP3A4-Hemmung sind Furanocumarine (Bergamottin, Dihydroxybergamottin) [17].

Abb. 1. Auswahl von modulierenden Substanzen (stark wirkende fettgedruckt) mit klinisch relevanter Wirkung auf Cytochrom P450 (CYP) 3A4 (Stand: 6/2016) [Quelle: mediQ-Interaktionsprogramm]

Literatur

1. Bailey DG, Dresser GK. Interactions between grapefruit juice and cardiovascular drugs. Am J Cardiovasc Drugs 2004;4:281–97.

2. Fachinformation Adcirca®. Stand: März 2013.

3. Fachinformation Cialis®. Stand: August 2015.

4. Fachinformation Crixivan®. Stand: Januar 2016.

5. Fachinformation Levitra®. Stand: Dezember 2015.

6. Fachinformation Norvir®. Stand: Dezember 2015.

7. Fachinformation Revatio®. Stand: Oktober 2015.

8. Fachinformation Spedra®. Stand: März 2015.

9. Fachinformation Tybost®. Stand: Mai 2015.

10. Fachinformation Viagra®. Stand: Oktober 2015.

11. Gur S, Kadowitz P, Gokce A, et al. Update on drug interactions with phosphodiesterase-5 inhibitors prescribed as first-line therapy for patients with erectile dysfunction or pulmonary hypertension. Curr Drug Metab 2013;14:265–9.

12. Hedaya MA, El-Afify DR, El-Maghraby GM. The effect of ciprofloxacin and clarithromycin on sildenafil oral bioavailability in human volunteers. Biopharm Drug Dispos 2000;50:99–107.

13. Jetter A, Kinzig-Schippers M, Walcher-Bonjean M, et al. Effects of grapefruit juice on the pharmacokinetics of sildenafil. Clin Pharmacol Ther 2002 Jan;71:21–9.

14. Petri H. Das Interaktionspotenzial der Alpha-1-Adrenozeptorantagonisten. Krankenhauspharmazie 2014;35:431–3.

15. Schwartz BG, Kloner RA. Drug interactions with phosphodiesterase-5 inhibitors used for the treatment of erectile dysfunction or pulmonary hypertension. Circulation 2010;122:88–95.

16. Wenzel-Seifert K, Ostermeier CP, Omar NG. Unerwünschte kardiovaskuläre Wirkungen von Psychopharmaka. Psychopharmakotherapie 2013;20:148–57.

17. Wille H. Arzneimittelinteraktionen durch Grapefruitsaft. Arzneiverordnung in der Praxis 2014;41:16–9.

*Nachdruck aus Krankenhauspharmazie 2016;37:315–8.

Der Artikel wurde unter Einbeziehung von Diskussionsbeiträgen von Dr. Jörg Brüggmann, Berlin, Prof. Dr. Christoph Hiemke, Mainz, und Dr. Jochen Weber, Bad Wildungen, erstellt.

Holger Petri, Zentral-Apotheke der Wicker Kliniken, Im Kreuzfeld 4, 34537 Bad Wildungen, E-Mail: hpetri@werner-wicker-klinik.de

Psychopharmakotherapie 2016; 23(04)