Dr. Claudia Bruhn, Schmölln
Dexamfetamin wurde 2011 zunächst als Third-Line-Medikament eingeführt. Seit 2014 ist es Mittel der zweiten Wahl, wenn das klinische Ansprechen auf eine vorangegangene Behandlung mit Methylphenidat unzureichend war. Wie alle anderen Wirkstoffe gegen ADHS sollte auch Dexamfetamin im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts, das pädagogische, psychologische und soziale Maßnahmen einschließt, zum Einsatz kommen [1]. Nach Expertenerfahrung wirken Amphetamine oft besser als andere Substanzen
- bei Kindern und Jugendlichen mit stark ausgeprägter Hyperaktivität,
- bei jüngeren Kindern,
- bei Patienten mit starker Störung des Sozialverhaltens (beispielsweise verstärkter Aggressivität, oppositionellem Verhalten).
Neben Methylphenidat und Dexamfetamin sind für Kinder und Jugendliche auch das Stimulans Lisdexamfetamin sowie die nicht Btm-pflichtigen Wirkstoffe Atomoxetin und seit Januar 2016 Guanfacin zugelassen.
Auftitration notwendig
Wie schon das 5-mg-Dexamfetamin-Fertigarzneimittel wurden auch die beiden neuen Stärken als Snap-Tab mit einer Kleeblatt-ähnlichen Struktur mit Bruchkerben formuliert. Dies erleichtert das Teilen der Tablette, das idealerweise durch leichten Druck von oben mit der Fingerkuppe erfolgt.
Die leichte Teilbarkeit und die Verfügbarkeit dreier Stärken ermöglichen das schrittweise Auftitrieren auf die wirksame Dosis sowie, falls notwendig, individuelle Dosisanpassungen. Initial werden 5 mg bis 10 mg pro Tag empfohlen. Bei eher zierlichen Kindern im beginnenden Schulalter kann auch eine Anfangsdosis von 2,5 mg täglich besser geeignet sein [2]. Die Einnahme sollte mit etwas Flüssigkeit zu oder direkt nach einer Mahlzeit erfolgen. In Abhängigkeit von der Wirksamkeit und Verträglichkeit erfolgt die Aufdosierung wöchentlich in 2,5- bis 5-mg-Schritten. Die Maximaldosis beträgt 20 mg, jedoch können bei älteren Kindern Tagesdosen von 40 mg zur Einstellung notwendig sein.
Behandlungspausen („Drug holidays“), beispielsweise in den Schulferien, sind geeignet um herauszufinden, ob das Medikament noch notwendig ist [1]. Da bei abruptem Absetzen von Dexamfetamin nach längerer Behandlung starke Müdigkeit und Depressionen auftreten können, muss das Absetzen ausschleichend erfolgen.
Demgegenüber raten europäische Leitlinien [2] von Behandlungspausen ab, da eine Unterbrechung der Stimulanzientherapie auch mit höheren Risiken (beispielsweise Unfällen) verbunden sein kann und noch nicht genügend Daten aus randomisierten Langzeitstudien vorliegen [3].
Die Behandlung mit Dexamfetamin ist zu beenden, wenn nach einem Monat Therapie keine Verbesserung der Symptome zu verzeichnen ist.
Suchtpotenzial beachten
Wie alle Amphetamine kann auch Dexamfetamin zur Abhängigkeit führen. Daher müssen die Patienten diesbezüglich sorgfältig überwacht werden. Zu den Anzeichen eines Amphetamin-Missbrauchs zählen unter anderem schwere Dermatosen, ausgeprägte Schlaflosigkeit, Hyperaktivität, Persönlichkeitsveränderungen sowie unplausible Rezeptverlängerungen. Jedoch ist in den USA, wo Dexamfetamin bereits viel länger als in Deutschland sowie in größerem Umfang eingesetzt wird, bisher keine Häufung von Missbrauchsfällen aufgetreten. Für Patienten mit einer Alkohol- oder Drogenabhängigkeit in der Anamnese ist Dexamfetamin nicht geeignet.Des Weiteren ist der verschreibende Arzt angehalten, neben Blutdruck und Puls sowie Körpergröße, Wachstum und Appetit bei jedem Kontrolltermin und jeder Dosisanpassung auch psychiatrische Störungen zu erfassen.
Quelle
Prof. Dr. Michael Huss, Mainz, Dr. Klaus Skrodzki, Forchheim, Dr. Henrik Uebel-von Sandersleben, Göttingen; Pressekonferenz „Patient im Fokus: Neue Möglichkeiten in der Amfetamin-Therapie der ADHS im Kindes- und Jugendalter“, veranstaltet von Medice im Rahmen des DGPPN-Kongresses 2015, Berlin, 26. November 2015.
Literatur
1. Fachinformation Attentin® 5 mg Tablette; Stand Juli 2015.
2. Graham J, et al. European Guidelines on managing adverse effects of medication für ADHD. Eur Child Adolesc Psychiatr 2011;20:17–37.
3. Huss M, et al. Dexamphetamin in der ADHS-Therapie. Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 2015.
Psychopharmakotherapie 2016; 23(02)