Prof. Dr. Heinz Reichmann, Dresden
Mit großer Freude darf ich Ihnen erneut eine neurologisch dominierte Ausgabe der PPT ankündigen und einige einleitende Sätze dazu verfassen.
Das Fach Neurologie hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht nur zu einem äußerst wichtigen Notfallfach entwickelt, sondern auch gerade im Bereich der Therapie ungeahnte Entwicklungen durchlaufen. Diese modernen Entwicklungen reichen von der Gentherapie bis zur Stammzelltherapie und beinhalten eine Unzahl neuer Medikamente mit zum Teil faszinierenden Wirkungsmechanismen. Obwohl wir derzeit eine kleine Delle in der Entwicklung neuer Neuropharmaka verzeichnen müssen, was insbesondere für die Gebiete Schlaganfall, Kopfschmerz, Neuropathie, Ataxie und eingeschränkt auch für die Basalganglienerkrankungen gilt, ist dies im Bereich der multiplen Sklerose in keiner Weise der Fall. Hier hat nach einigen Jahren der Beta-Interferon- und Glatirameracetat-dominierten Langzeittherapie eine sensationelle Entwicklung neuer Präparate stattgefunden. Durch große Forschungsanstrengungen sind wir in eine neue Ära in der Behandlung dieser Autoimmunerkrankungen gelangt. Hochwirksame Therapieansätze mit spezifischen monoklonalen Antikörpern und oralen Substanzen geben, wie das Pitarokoili und Gold aus Bochum schreiben, 2,5 Millionen MS-Patienten weltweit neue Hoffnung. In einer äußerst informativen Arbeit zur aktuellen Immuntherapie der multiplen Sklerose führen die Autoren über die Beta-Interferone und das Glatirameracetat hin zu Antikörpertherapien mit Natalizumab und dessen Problem der progressiven multifokalen Enzephalopathie. Gerade hier hat die Bochumer Arbeitsgruppe durch das Einführen eines JCV-Antikörperregisters und die Bestimmung dieser Antikörper Aufbauarbeit geleistet und spannende Erkenntnisse geliefert, die letztendlich auch die EMA bewogen haben, dieses Medikament nicht vom Markt zu nehmen, sondern durch kluge Therapieanleitungen dem Patienten weiter zur Verfügung zu stellen. Neue Substanzen bieten den Vorteil, dass sie oral appliziert werden können, was für das bereits seit 2011 eingeführte Fingolimod mit seinem speziellen Wirkungsmechanismus der irreversiblen Hemmung der Lymphozyten-Migration aus den Lymphknoten gilt. Neuere orale Substanzen sind das von Gold und anderen erarbeitete Fumarat und in jüngerer Zeit Teriflunomid. Das Studium dieser Arbeit ist äußerst lohnend, da es jeden Leser auf den neuesten Stand der modernen MS-Therapie führen wird.
Alemtuzumab, ein monoklonaler Antikörper gegen CD52, ist vor einem knappen Jahr von der europäischen Kommission zur Behandlung der schubförmigen multiplen Sklerose zugelassen worden. Diese Substanz ist hochwirksam, wenngleich sie eine sehr aggressive Therapieform darstellt. Aus diesem Grund sollte die Therapie in größeren Zentren durchgeführt werden, um die richtige Patientenselektion und die optimale Überwachung dieser Patienten zu gewährleisten. In unserer Klinik ist unter der Federführung von Ziemssen und anderen Alemtuzumab zu einer äußerst wertvollen Substanz bei schwer erkrankten MS-Patienten geworden. Limmroth und Kollegen geben zu dieser Substanz einen eigenen Überblick.
Auch im Bereich der Parkinson-Therapie gibt es innovative neue Substanzen, die unter anderem das Angebot der COMT-Hemmer durch die Einführung von Opicapon mit hoher Wahrscheinlichkeit erweitern werden. Interessant ist die Wiederaufnahme von klinischen Studien für Safinamid, das einen dualen Wirkungsmechanismus, nämlich eine MAO-B-Hemmung und eine antiglutamaterge Wirkung aufweist, und genauso wie Opicapon und Istradefyllin, ein Adenosin-Antagonist, insbesondere für Patienten im mittleren fortgeschrittenen Stadium geeignet ist. Die drei Substanzen sollen insbesondere Patienten mit ersten motorischen Wirkungsfluktuationen, das heißt, mit Wearing-off- und Off-Phasen appliziert werden, wobei sie eine Verbesserung der On-Zeit von ein bis zwei Stunden gewährleisten können. Gegen die Parkinson-Psychose und Halluzinationen werden ebenfalls dringend neue Medikamente benötigt, da Quetiapin zum einen in vielen Fällen nicht effektiv genug ist und zudem für die Parkinson-Psychose nicht zugelassen ist und Clozapin andererseits durch die für Therapeuten und Patienten gleichermaßen lästigen fortgesetzten Blutuntersuchungen trotz seiner Zulassung ebenfalls kein optimales Medikament darstellt. Somit ist mit hohem Interesse zu verfolgen, ob Pimavanserin als neues Antipsychotikum für Parkinson-Patienten geeignet ist und eine baldige Zulassung erreichen wird.
Neue Antiepileptika sind in letzter Zeit ebenfalls in der PPT diskutiert worden, wobei ich insbesondere auf Perampanel verweisen möchte. In dieser Ausgabe kommen nunmehr Konzepte invasiver und minimal invasiver Verfahren, das heißt die Epilepsiechirurgie, zur Würdigung. Schmitt und Kollegen aus Magdeburg und Erlangen stellen epilepsiechirurgische Verfahren wie Ablation und Neuromodulation vor, die neben den resektiven Verfahren zunehmend an Interesse gewinnen. Diese Arbeit ist aus meiner Sicht äußerst gut gelungen und führt den Leser auf den modernsten Stand der epilepsiechirurgischen Möglichkeiten.
Nicht zu vergessen ist eine äußerst spannende und intelligent verfasste Arbeit von Möller, der Studien aus Europa mit denen in den USA durchgeführten bezüglich der Wirksamkeit von Antidepressiva vergleicht, und eine Arbeit von Petri, in der die Analyse von CYP450-Wechselwirkungen diskutiert wird. Gerade die Kenntnisse und das Verständnis der CYP-Wechselwirkungen scheinen aus meiner Sicht in der modernen Medizin ständig wichtiger zu werden.
Ich glaube somit, dass es uns erneut gelungen ist, mit Hilfe herausragender Autoren eine sehr informative aktuelle Diskussion moderner Therapieverfahren insbesondere auf dem Gebiet der Neurologie zusammenfassend in dieser Ausgabe der Psychopharmakotherapie dem interessierten Leser anbieten zu können.
Psychopharmakotherapie 2014; 21(05)