Postherpetische Neuralgie

Angiotensin-II-Typ-2-Rezeptorantagonist EMA401 als Analgetikum


Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Der Angiotensin-II-Typ-2-Rezeptorantagonist EMA401 lindert Schmerzen bei Patienten mit postherpetischer Neuralgie besser als Plazebo. Dies ergab eine multizentrische, randomisierte Phase-II-Studie. Erstmals konnte damit die klinische Wirkung eines Angiotensin-II-Typ-2-Rezeptorantagonisten nachgewiesen werden.

Die Erforschung des Renin-Angiotensin-System hat insbesondere im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu großen therapeutische Fortschritten geführt. Bei der Entwicklung von Angiotensin-II-Typ-1-Rezeptorantagonisten (den „Sartanen“) wurde auch ein Angiotensin-II-Typ-2-Rezeptor gefunden, der nicht an der Blutdruckregulation beteiligt ist. Physiologisch spielt das Renin-Angiotensin-System außer im kardiovaskulären Bereich auch im zentralen und peripheren Nervensystem eine Rolle. So wird der Angiotensin-II-Typ-2-Rezeptor auf nozizeptiven Neuronen exprimiert.

Präklinische Studien ergaben, dass hochselektive Angiotensin-II-Typ-2-Rezeptorantagonisten wie EMA401 (Abb. 1) analgetische Eigenschaften aufwiesen. Daher wurde die klinische Prüfung der Substanz in der Behandlung chronischer Schmerzen einschließlich neuropathischer Schmerzen begonnen.

Abb. 1. EMA401 (Spinifex Pharmaceuticals, Melbourne)

In einer von Spinifex Pharmaceuticals finanzierten multizentrischen, doppelblinden, randomisierten Phase-II-Studie wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit von EMA401 und Plazebo bei 183 Patienten mit seit mindestens sechs Monaten dauernder postherpetischer Neuralgie verglichen. Primärer Endpunkt war die Änderung in der Schmerzintensität, gemessen mit einer 11-Punkte Skala, zwischen Ausgangswert und der letzten Behandlungswoche (Tag 22 bis 28).

92 Patienten nahmen zweimal täglich 100 mg EMA401, 91 erhielten ein entsprechendes Plazebo. Zu Beginn der Untersuchung waren Schmerzstärke und Dauer der postherpetischen Neuralgie in beiden Gruppen ähnlich (ca. 6,3). In der Verum-Gruppe nahmen 45% und in der Plazebo-Gruppe 40% der Patienten weitere Medikamente für die Behandlung der postherpetischen Neuralgie.

Die mittlere Schmerzintensität wurde durch EMA401 signifikant stärker verringert (–2,289 Punkte) als durch Plazebo (–1,601 Punkte). Eine Post-hoc-Analyse ergab, dass die Wirksamkeit von EMA401 bei Patienten, die weitere Medikamente einnahmen, ähnlich gut war wie bei den Patienten, die keine weiteren Arzneimittel verwendeten. Bis Woche 4 erreichten mit EMA401 57,6% der Patienten eine Schmerzreduktion um mindestens 30% und 33,7% um mindestens 50%, in der Plazebo-Gruppe war dies bei 35,2 bzw. 18,7% der Patienten der Fall. Hieraus errechnete sich eine Number needed to treat (NNT) von 4,5 für eine Schmerzreduktion um mindestens 30% und von 6,7 für eine Schmerzreduktion um mindestens 50%.

Im Mittel dauerte es 21 Tage bis zur Schmerzreduktion um 30%. Mit zunehmender Therapiedauer verbesserte sich die Wirkung (Abb. 2). Dies ist bislang nicht ganz verständlich, denn Steady-State-Plasmaspiegel sind nach etwa einer Woche erreicht und die Substanz reichert sich nicht an. Weitere Studien über längere Zeit sind erforderlich, um diesen Effekt von EMA401 erklären zu können.

Abb. 2. Wirkung von EMA401 auf die Schmerzstärke bei Patienten mit postherpetischer Neuralgie; *p=0,0184; **p=0,006 (vs. Plazebo) [Rice et al.]

EMA401 erwies sich in dieser ersten klinischen Untersuchung als gut verträglich, so dass es möglicherweise auch in höheren Dosen verabreicht werden kann. Pharyngitis, Kopfschmerzen und allergische Dermatitis waren in der EMA401-Gruppe häufiger als in der Plazebo-Gruppe.

Quelle

Rice ASC, et al. EMA401, an orally administered highly selective angiotensin II type 2 receptor antagonist, as a novel treatment for postherpetic neuralgia: a randomised, double-blind, placebo-controlled phase 2 clinical trial. Lancet 2014; 383:1637–47.

Psychopharmakotherapie 2014; 21(05)