Dr. Claudia Borchard-Tuch, Zusmarshausen
Die Schizophrenie ist eine schwere, zumeist chronisch verlaufende Erkrankung, von der in Deutschland etwa 700000 Menschen betroffen sind. Mit einer Psychopharmakotherapie sollte früh begonnen werden, um chronische Schäden zu vermeiden. Eine besondere Herausforderung stellt die Therapieadhärenz dar. Beträgt diese bei chronischen Erkrankungen im Allgemeinen 50 bis 80%, liegt sie bei der Schizophrenie bei nur etwa einem Drittel.
Paliperidonpalmitat ist ein langwirksames atypisches Neuroleptikum zur Therapie der Schizophrenie (Xeplion®- Depot-Injektionssuspension mit 25, 50, 75, 100 und 150 mg), das nur einmal monatlich injiziert werden muss. Dies kann die Adhärenz erhöhen.
Der Wirkstoff ist seit langem bekannt. Bei Paliperidon handelt sich um 9-Hydroxy-Risperidon, den aktiven Hauptmetaboliten von Risperidon. Durch Veresterung mit Palmitinsäure entsteht Paliperidonpalmitat. Neu ist die galenische Aufbereitung mithilfe der Nanocrystal®-Technologie. Hierbei verkleinern Rührwerkskugelmühlen die Paliperidonpalmitat-Partikel, sodass sich deren Oberfläche vergrößert, sie in Wasser gut löslich sind, sich ihre Absorptionsrate erhöht und sie eine hohe Bioverfügbarkeit zeigen.
Paliperidon ist wie Risperidon ein potenter 5-HT2A-Antagonist. Seine Affinität zu D2-Rezeptoren ist geringer. Außerdem blockiert Paliperidon α1- und in geringerem Maß auch H1- und α2-Rezeptoren. Aufgrund der OH-Gruppe ist Paliperidon hydrophiler als Risperidon. Es wird nur in geringem Umfang hepatisch verstoffwechselt und zu etwa 60% unverändert über die Nieren ausgeschieden. Interaktionen mit Arzneistoffen, die über Cytochrom-P450(CYP)-Enzyme metabolisiert werden, sind nicht zu erwarten.
Wirksamkeit und Verträglichkeit von Paliperidonpalmitat wurden in einem Studienprogramm getestet, das unter anderem vier Kurzzeitstudien und eine längere Studie zur Erhaltungstherapie und Beobachtung von Rückfällen umfasste.
PROSIPAL-Studie
Im Rahmen der 24-monatigen PROSIPAL-Studie wurden die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Xeplion® im Vergleich zu einer oralen antipsychotischen Monotherapie bei 715 Patienten mit Schizophrenie getestet. Die Studie war prospektiv, randomisiert, offen und auswerterverblindet. Die Auswertung am Ende der 24-monatigen Behandlungsphase ergab, dass die Zeit bis zum Rezidiv bei Gabe von Paliperidonpalmitat im Vergleich zu einer oralen Therapie mit Antipsychotika signifikant länger war (616±10,9 Tage vs. 603±13,1 Tage, p=0,0191). Darüber hinaus war die Rezidivrate in der Paliperidonpalmitat-Gruppe niedriger als in der mit oralen Antipsychotika behandelten Gruppe (n=52/352; 14,8% vs. n=76/363; 20,9%, p=0,0323), was einer relativen Risikoreduktion von 29,4% entspricht.
Wie die Ergebnisse eines standardisierten, validierten Fragebogens (Treatment satisfaction questionnaire for medication, TSQM) ergaben, waren die mit Paliperidonpalmitat Behandelten zudem signifikant zufriedener als die übrigen.
Die Studienergebnisse zeigten keine neuen Sicherheitsrisiken für Paliperidonpalmitat. Die häufigsten (≥5%) während der Behandlung eingetretenen unerwünschten Ereignisse unter Paliperidonpalmitat bzw. den oralen Antipsychotika waren Gewichtszunahme (15,9% vs. 17,4%) und Kopfschmerzen (11,1%, vs. 8,5%).
PALMFlexS-Studie
Im Rahmen der sechsmonatigen prospektiven und offenen PALMFlexS-Studie wurden Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von Paliperidonpalmitat in flexiblen Dosierungen bei Schizophrenie-Patienten geprüft, die zuvor ohne Erfolg mit oral verabreichten oder Depot-Neuroleptika behandelt worden waren.
Die Wirksamkeit wurde anhand der Veränderung der positiven und negativen Symptome bestimmt, und zwar mithilfe der Standardskala für Schizophrenie (PANSS-Skala). Die Funktionsfähigkeit im Alltag war sekundärer Endpunkt und wurde anhand der PSP-Skala (Personal and social performance scale) sowie der Mini-ICF-APP (Mini-international classification of functionality, disability and health – rating for activity and participation disorders in psychological illnesses) erfasst. Hierbei wurde untersucht, ob und in welchem Ausmaß der Patient in verschiedenen Lebensbereichen (beispielsweise persönliche und soziale Beziehungen oder Selbstpflege) eingeschränkt war.
Post hoc wurden Subgruppenanalysen durchgeführt, und zwar bei akut erkrankten Patienten (n=212), die zuvor mit oralen Antipsychotika therapiert worden waren, bei nicht akut erkrankten Patienten (n=472), die bis dahin mit oralen Antipsychotika behandelt worden waren, sowie bei nicht akut erkrankten Patienten (n=174), die vorher mit Depot-Therapeutika therapiert worden waren.
Patienten mit akuter Schizophrenie
Die Behandlung mit Paliperidonpalmitat führte zu einer frühzeitigen und klinisch relevanten Besserung, die anhand der PANSS-Skala dokumentiert werden konnte. Zwei Drittel der Patienten zeigten eine Verbesserung von über 30% im mittleren PANSS-Gesamt-Score und eine signifikante Verbesserung der Werte von der Studienaufnahme bis zum LOCF-Endpunkt (Last observation carried forward) (p<0,0001). Bereits am 8. Tag war eine deutliche Senkung des mittleren PANSS-Gesamt-Scores erkennbar.
Patienten mit nicht akuter Schizophrenie
Auch bei nicht akut erkrankten Patienten, die von einer Monotherapie mit einem oral verabreichten Neuroleptikum auf Paliperidonpalmitat umgestellt wurden, kam es unter der Paliperidonpalmitat-Behandlung zu einer signifikanten Verbesserung des PANSS-Gesamt-Scores. Bis zu drei Viertel der Patienten zeigten eine Verbesserung von über 20% beim mittleren PANSS-Gesamt-Score. Die Werte besserten sich von der Studienaufnahme bis zum LOCF-Endpunkt (p<0,0001).
Bei Patienten mit nicht akuter Schizophrenie, die von einem Depot-Neuroleptikum umgestellt wurden, zeigte sich unter der Behandlung mit flexibel dosiertem Paliperidonpalmitat ebenfalls eine deutliche Verbesserung der klinischen Symptomatik und der Funktion im persönlichen und im sozialen Bereich. Am LOCF-Endpunkt war bei 54% (Zuclopenthixoldecanoat), 55% (Haloperidoldecanoat), 59% (Fluphenazindecanoat) und 62% (Flupentixoldecanoat) der auf Paliperidonpalmitat umgestellten Patienten eine Verbesserung des PANSS-Gesamt-Scores von über 20% gegenüber dem Ausgangswert bei Studienaufnahme zu verzeichnen.
Fazit
Mit einer Psychopharmakotherapie der Schizophrenie sollte früh begonnen werden. Die LAI(Long acting injectable)-Medikation zeigt in offenen Studien gegenüber der oralen mehrere Vorteile. Der Wirkspiegel ist konstant, die Nebenwirkungen sind geringer. Da die Applikation durch den Arzt durchgeführt wird, ist sichergestellt, dass der Patient die Behandlung erhält.
Quelle
Prof. Dr. med. Klaus Wiedemann, Hamburg, Prof. Dr. med. Andreas Bechdolf, Berlin; Presseveranstaltung „3 Jahre Xeplion® – Therapieanspruch im Wandel“, Neuss, 20. März 2014, veranstaltet von Janssen-Cilag GmbH.
Psychopharmakotherapie 2014; 21(04)