Hans-Peter Volz, Werneck
Akute Agitiertheit, definiert als ein Zustand motorischer Unruhe mit begleitender psychischer Anspannung, stellt eine diagnostische und vor allem therapeutische Herausforderung bei einer Reihe psychiatrischer Erkrankungen dar, vor allem im Rahmen schizophrener Episoden und manischer oder gemischter Episoden bei bipolar affektiven Störungen.
Traditionell werden als medikamentöse Intervention Haloperidol und/oder Lorazepam eingesetzt [2]. Auch spezielle i.m. Applikationsformen atypischer Antipsychotika wie Aripiprazol, Olanzapin oder Ziprasidon stehen seit einiger Zeit zur Verfügung, wobei hier auch spezielle Kontraindikationen (z.B. QTc-Zeit-Problematik bei Ziprasidon, keine Kombination mit Benzodiazepinen bei Olanzapin) zu beachten sind. Nach wie vor ist es allerdings schwierig, in solchen Akutsituationen eine wirksame und nebenwirkungsarme, sichere pharmakologische Intervention durchzuführen.
Loxapin, ein Dibenzoxazepin, ist ein Antipsychotikum zum vornehmlichen Einsatz in der Pharmakotherapie der Schizophrenie in der oralen Formulierung oder zur Behandlung von Agitations-, Aggressions- und Angstzuständen in der i.m. Formulierung. Bei oraler Anwendung ähnelt die klinische Wirksamkeit jener anderer hochpotenter D2-Blocker, etwa der von Haloperidol [3, 8].
Die Substanz ist in oraler und i.m. Anwendung in den USA (dortige Einführung der oralen Applikation im Jahr 1975) und in einer Reihe europäischer Länder seit vielen Jahren verfügbar.
Die orale Dosis beträgt zwischen 75 und 200 mg/Tag ein- oder zweimal täglich gegeben (oral) und zwischen 50 und 300 mg/Tag (i.m.).
Der Loxapin-Inhalator (Adasuve®), der in Deutschland eingeführt wurde, ist zur Einmalapplikation vorgesehen. Durch die Inhalation von 10 mg Loxapin wird eine schnelle systemische Verfügbarkeit erreicht. Die klinische Entwicklung zeigte eine gute Wirksamkeit dieser Applikationsform bei Agitation im Rahmen einer Schizophrenie oder einer bipolar affektiven Erkrankung.
Rezeptorpharmakologie/Tierpharmakologie
Die pharmakologische Aktivität von Loxapin in vivo ist vor allem durch den Antagonismus an verschiedenen Dopamin- und Serotonin-Rezeptoren, vor allem D2- und 5-HT2A-Rezeptoren, gekennzeichnet (Tab. 1).
Tab. 1. Affinitäten von Loxapin und anderen Antipsychotika (Ki-Werte in nM) an unterschiedlichen Rezeptoren [6, 9, 15, 18]
Rezeptor |
Loxapin |
Haloperidol |
Olanzapin |
Clozapin |
D1 |
18 |
120 |
52 |
290 |
D2 |
9,8 |
1,4 |
20 |
130 |
5-HT2A |
2 |
120 |
3,3 |
8,9 |
α1 |
28 |
4,7 |
54 |
4,0 |
α2 |
250 |
1200 |
170 |
33 |
H1 |
5 |
440 |
2,8 |
1,8 |
Daneben zeigt die Substanz eine schwache Affinität zu muskarinergen Rezeptoren [15]. Wie aus der Tabelle zu erkennen ist, weist die Substanz eine ausgesprochen hohe Affinität zum D2- und 5-HT2A-Rezeptor auf, auch die Bindung am H1-Rezeptor ist ausgeprägt, die Affinität zu α1- und α2-Rezeptor ist – im Vergleich zu den gezeigten anderen Antipsychotika – mittelstark. Auffallend ist hier, dass die 5-HT2A-Affinität durchaus im Bereich von Atypika liegt; diese Affinität gilt als Merkmal der Atypizität von Antipsychotika; so kann das Bindungsverhalten an diesem Rezeptor in Zusammenhang stehen mit einem vergleichsweise niedrigen Risiko für extrapyramidal-motorische Symptome (EPS) und mit antidepressiven Eigenschaften. Allerdings zeigten sich bei oraler Loxapin-Einnahme klinisch mehr EPS als unter Atypika [3] (s.u.).
In-vivo-Studien zeigen, dass die Substanz einen höheren D2-antagonistischen Effekt ausübt, als von den In-vitro-Studien zu erwarten wäre. Dieser Umstand ist auf den pharmakodynamisch aktiven Metaboliten 7-Hydroxyloxapin, der unter In-vivo-Bedingungen gebildet wird (s.u.), zurückzuführen.
Eine Reihe von tierpharmakologischen Studien zu Loxapin hat für hochpotente Antipsychotika charakteristische Eigenschaften gezeigt, wie Verminderung der spontanen lokomotorischen Aktivität, Katalepsie und Analgesie [10].
Pharmakologische Eigenschaften der Hauptmetaboliten
In-vitro-Studien (mittels cDNA-exprimierten Enzymen, Korrelationsanalysen mit 12 phänotypisierten menschlichen hepatischen mikrosomalen Proben, Anwendung selektiver Hemmer der CYP450-Isoenzyme) haben gezeigt, dass Loxapin zu 8-Hydroxyloxapin (via CYP1A2), 7-Hydroxyloxapin (via CYP2D6), N-Desmethylloxapin (Amoxapin; via CYP3A4) und zu Loxapin-N-Oxid (via CYP3A4) metabolisiert wird (in abnehmendem Umfang innerhalb der Aufzählung). Auch die Beteiligung der Flavin-enthaltenden Monooxygenase (FMO) an der Metabolisierung zu Loxapin-N-Oxid konnte gezeigt werden [13, 17].
Dieser Abbau von Loxapin über mehrere hepatische Wege ist dafür verantwortlich, dass eine klinisch relevante Änderung des Plasmaspiegels durch Hemmung oder Induktion eines CYP450-Isoenzyms wenig wahrscheinlich ist; da der größte Teil der Substanz über CYP1A2 metabolisiert wird, ist hier die Wahrscheinlichkeit für eine klinisch relevante Wechselwirkung bei einer Induktion oder Hemmung dieses Isoenzyms durch eine Komedikation noch am größten. Die Substanz selbst ist nahezu ausschließlich Substrat der CYP450-Isoenzyme, sie wirkt an diesen weder als Hemmer noch als Induktor. Auch ist Loxapin kein Substrat des p-Glykoproteins, aber ein schwacher Inhibitor. Es ist aber nicht zu erwarten, dass es in therapeutischen Konzentrationen den p-Glykoprotein-vermittelten Transport von anderen Arzneimitteln klinisch signifikant hemmt [7].
Der Metabolit Amoxapin ist ein pharmakodynamisch aktives trizyklisches Antidepressivum (zugelassen als Defanyl® in Frankreich) mit einem im Vergleich zu Loxapin unterschiedlichen Rezeptorprofil und differenten pharmakologischen Eigenschaften. 7-Hydroxyloxapin zeigt am D2-Rezeptor einen 5-fach stärkeren Antagonismus als die Muttersubstanz Loxapin. 8-Hydroxyloxapin und Loxapin-N-Oxid sind im Wesentlichen pharmakologisch inaktiv an Rezeptoren, die mit der Wirkung der Muttersubstanz in Zusammenhang stehen.
Galenik der Inhalationsapplikation
In dieser inhalativen Applikationsform befindet sich die Substanz als Pulver in einer festen Hartplastikschale zur Einmalapplikation. Durch den Atemzug an dem Mundstück der Hartplastikschale wird über einen Atemluftsensor mithilfe einer kleinen Batterie ein minimaler Stromfluss ausgelöst, der in einem „heat package“ aus Stahl eine chemische Reaktion mit rascher Hitzeentwicklung auslöst. Auf der Außenseite dieses „heat package“ ist Loxapin als dünner Film ohne weitere Hilfsstoffe aufgebracht. Die Hitze führt dazu, dass die Substanz verdampft und sofort wieder in Form kleiner Partikel kondensiert, die mit einem Durchmesser von 1 bis 3,5 µm so größenoptimiert sind, dass sie mit dem (noch anhaltenden) Atemzug tief in die Lunge eingeatmet werden können und dort systemisch absorbiert werden. Dieser gesamte Vorgang benötigt lediglich etwa 0,5 Sekunden und ist für den Anwender allenfalls durch eine leichte Erwärmung der äußeren Plastikschale spürbar.
Durch diese innovative Applikationsart ist es möglich, eine Hilfsstoff-freie Form von Loxapin zur schnellen systemischen Applikation zu erhalten; Spitzenplasmaspiegel werden innerhalb weniger Minuten (s.u.) erreicht [16]. In der Abbildung 1 ist die Funktionsweise dieser neuen Applikationsform dargestellt.
Abb. 1. Darstellung der Loxapin-Aerosol-Entstehung. Nachdem der Atemsensor einen kleinen Stromfluss im „heat package“ induziert, entsteht dort durch die so ausgelöste chemische Reaktion Hitze, die das auf der Außenseite aufgebrachte Loxapin verdampft; dieser Dampf kondensiert sofort wieder zu kleinen Loxapin-Partikeln, die zur bronchialen Aufnahme geeignet sind und durch den noch anhaltenden Atemzug inhaliert werden. Der ganze Vorgang dauert etwa 0,5 Sekunden [16, 17].
Pharmakokinetik nach Inhalation
Eine Reihe von Untersuchungen hat die Pharmakokinetik von Loxapin in Form dieser Applikation zum Ziel gehabt. Eine gute Übersicht bietet die Arbeit von Spyker et al. (2010) [17]. Insgesamt wurden in diese Untersuchung 50 gesunde Probanden eingeschlossen, 14 erhielten Plazebo, 36 Loxapin in unterschiedlichen Dosierungen: 0,625 mg (n=7), 1,25 mg (n=8), 2,5 mg (n=6), 5 mg (n=7) oder 10 mg (n=8).
Abbildung 2 zeigt den Verlauf der Plasmakonzentrationen nach Einmalapplikation während der ersten Minuten nach inhalativer Aufnahme. Wie zu erkennen ist, werden sehr rasch hohe Plasmaspiegel erreicht, die dann langsam abfallen. Die Plasmaspiegel verhalten sich proportional zur Dosis.
Abb. 2. Plasmaspiegelverlauf nach Inhalation unterschiedlicher Dosen von Loxapin [17]
Es wurden keine gravierenden unerwünschten Wirkungen oder Veränderungen laborchemischer Parameter beobachtet. Die am häufigsten geklagten Nebenwirkungen waren Benommenheit, Müdigkeit und schlechter Geschmack.
In Tabelle 2 sind die wichtigsten pharmakokinetischen Parameter aller gesunden Probanden (Raucher und Nichtraucher) zusammengefasst, die Adasuve® 5 mg und 10 mg als Einzeldosis bekommen haben. Es gab keine Unterschiede bei den Plasmakonzentrationsprofilen für Loxapin und 8-Hydroxyloxapin zwischen Rauchern und Nichtrauchern (Abb. 3a und 3b).
Tab. 2. Pharmakokinetische Parameter für Adasuve® 5 mg und 10 mg bei gesunden Probanden. Gepoolte Daten der Studien 004-103, 004-106 und 004-107 [1]
Parameter |
5 mg (n=31) |
10 mg (n=114) |
AUC0–2h [ng × h/ml] MW ± SD |
25,6±7,31 |
66,7±18,2 |
AUC∞ [ng × h/ml] MW ± SD |
70,1±17,8 |
188±46,6 |
Cmax [ng/ml] MW ± SD |
116±85,1 |
257±219 |
tmax [min] Median (25%; 75%) |
1,50 |
1,13 (0,948; 1,98) |
Halbwertszeit [h] MW ± SD |
7,64±2,22 |
7,61±1,87 |
tmax: Zeit bis zu Cmax; Cmax: maximale Plasmakonzentration; AUC0–2h: Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve vom Zeitpunkt 0 bis 2 h nach Dosierung; AUC∞: Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve vom Zeitpunkt 0 extrapoliert bis unendlich; MW: Mittelwert; SD: Standardabweichung
Abb. 3. a) Mittlere Loxapin-Plasmakonzentration bei Rauchern und Nichtrauchern nach Einmalgabe von 10 mg Adasuve® b) Mittlere 8-Hydroxyloxapin-Plasmakonzentration bei Rauchern und Nichtrauchern nach Einmalgabe von 10 mg Adasuve®
Klinische Studien
Studien mit oraler oder i.m. Applikation
Eine große Cochrane-Analyse mit 41 Studien hat die Wirksamkeits- und Verträglichkeitsdaten von konventionell appliziertem Loxapin zusammenfassend dargestellt [3].
Hierbei wurden ganz überwiegend Studien, die die orale Applikationsform verwendeten, aufgenommen. Zu einem weitaus geringeren Teil wurden Studien mit der ebenfalls in einigen Ländern verfügbaren i.m. Applikationsform eingeschlossen.
- Loxapin war effektiver als Plazebo und ebenso effektiv wie Typika (Risk-Ratio [RR] für den globalen Effekt 0,86; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,7–1,1) und wie die Atypika Risperidon und Quetiapin (der „Mental State“ [im Wesentlichen Positive and negative syndrome scale – PANSS – oder Brief psychiatric rating scale – BPRS] verbesserte sich nicht [RR 1,07; 95%-KI 0,8–1,5]).
- Loxapin zeigte mehr extrapyramidale Nebenwirkungen als die Atypika (RR 2,18; 95%-KI 1,6–3,1).
Die Autoren folgern, dass Loxapin in der Akuttherapie der Schizophrenie ebenso effektiv wie Typika (Chlorpromazin, Trifluperazin, Perphenazin) und Atypika (Risperidon, Quetiapin) sei, bei einem Risiko für häufigere Bewegungsstörungen im Vergleich zu Atypika, aber nicht im Vergleich zu anderen Typika.
Studien mit der inhalativen Applikationsform
Zu der in dieser Arbeit diskutierten Applikationsform liegen zwei große Phase-III-Studien vor, und zwar zur schnellen Behandlung der Agitation bei bipolaren Patienten [11] sowie zur schnellen Behandlung der Agitation bei schizophrenen Patienten [12].
In die Studie mit bipolar-affektiv erkrankten Patienten [11] wurden 314 Patienten, die an einer manischen oder gemischten Episoden litten, eingeschlossen und doppelblind-randomisiert entweder mit Plazebo, 5 mg Loxapin oder 10 mg Loxapin (inhalative Aufnahme) behandelt. Nach der ersten Applikation wurden die Patienten für 24 Stunden evaluiert. Wenn notwendig, konnten bis maximal zwei zusätzliche Dosen der Studienmedikation und Notfallmedikation (Lorazepam) gegeben werden. Das primäre Wirksamkeitskriterium war die Änderung des Scores der Positive and Negative Syndrome Scale – Excited Component (PANSS-EC) nach zwei Stunden. Die folgenden Items werden im PANSS-EC bewertet: mangelnde Impulskontrolle, Anspannung, Erregung, Unkooperativität und Feindseligkeit. Dieser Parameter diente auch zu Operationalisierung des Einschlusses: Neben einer affektiven Episode wie oben spezifiziert mit Agitiertheit musste der Wert auf der PANSS-EC bei Einschluss 14 oder mehr (mittlerer Ausgangswert war dann zwischen 17 und 18) und mindestens eines der fünf PANSS-EC-Items 4 oder mehr betragen. Die Verträglichkeit wurde ebenfalls erfasst. Sowohl im primären wie auch in sekundären Wirksamkeitskriterien erwies sich Loxapin als effektiver als Plazebo (Abb. 4, Tab. 3).
Bereits zehn Minuten nach der Inhalation setzten die beruhigenden Effekte deutlich stärker als unter Plazebo ein.
Eine ähnliche Studie (Hauptwirksamkeitsparameter ebenfalls der Gesamtwert der PANSS-EC nach zwei Stunden) wurde bei agitierten Patienten mit Schizophrenie (n=344) als Grunderkrankung mit praktisch identischen Ergebnissen durchgeführt [12] (Tab. 3).
Citrome [4] fasst zusammen, dass die Effektstärke in beiden Studien robust gewesen sei und die Ausmaße von i.m. Therapien (Antipsychotika und Benzodiazepine) erreichte.
Abb. 4. Verlauf des PANSS-EC-Werts (Positive and negative syndrome scale – excited component). Basislinie und 2-Stunden-Wert, Vergleich Plazebo, 5 mg und 10 mg Loxapin. Der Unterschied zwischen Verum und Plazebo ist statistisch signifikant (p<0,0001), numerisch ist der Effekt unter der 10-mg-Dosis ausgeprägter als unter der 5-mg-Dosis [11].
Tab. 3. Zusammenfassung der Hauptergebnisse der Studie von Kwentus et al. 2012 (bipolar-affektive Patienten) [11] und Lesem et al. 2011 (schizophrene Patienten) [12]
Bipolar affektive Störung |
Schizophrenie |
|||||||
Veränderung im PANSS-EC [Punkte] |
Anteil der Responder* [%] |
Veränderung im PANSS-EC [Punkte] |
Anteil der Responder* [%] |
|||||
Zeit |
Plazebo (n=105) |
Loxapin 10 mg (n=105) |
Plazebo (n=105) |
Loxapin 10 mg (n=105) |
Plazebo (n=115) |
Loxapin 10 mg (n=112) |
Plazebo (n=115) |
Loxapin 10 mg (n=115) |
10 min |
–1,9 |
–4,0 |
7,6 |
21,9 |
–1,7 |
–3,4 |
6,1 |
18,8 |
20 min |
–3,2 |
–6,7 |
15,2 |
49,5 |
–2.9 |
–6,1 |
15,7 |
42,9 |
30 min |
–3,9 |
–8,0 |
23,8 |
61,9 |
–4,1 |
–7,6 |
27,8 |
57,1 |
45 min |
–4,6 |
–8,8 |
29,5 |
70,5 |
–4,8 |
–8,7 |
32,3 |
70,5 |
60 min |
–5,0 |
–8,8 |
28,6 |
72,4 |
–5,2 |
–9,2 |
38,3 |
71,4 |
90 min |
–5,0 |
–8,8 |
27,6 |
72,4 |
–5,3 |
–9,1 |
38,8 |
74,1 |
2 h |
–4,7 |
–9,21 |
27,6 |
73,3 |
–5,8 |
–8,71 |
38,3 |
69,6 |
4 h |
–6,1 |
–9,3 |
– |
– |
–6,3 |
–9,5 |
– |
– |
24 h |
–4,5 |
–6,0 |
– |
– |
–4,4 |
–6,9 |
– |
– |
In Fettdruck der primäre Endpunkt dieser beiden Studien. Dargestellt ist zum einen die Abnahme des Gesamtpunktwerts der PANSS-EC (Positive and negative syndrome scale-excited component), zum anderen der Anteil der Responder (in der PANSS-EC, Abnahme um 40%) [modifiziert und ergänzt nach 9, 10] 1 p<0,0001
Die Verträglichkeit wurde insgesamt als gut bewertet, wobei nur unerwünschte Wirkungen auftraten, die unter Loxapin bekannt sind. Es traten dagegen keine deutlichen unerwünschten Wirkungen auf, die bei Inhalation typisch sind, allerdings war Dysgeusie (Geschmacksstörung) mit 17% in den Verum-Gruppen deutlich häufiger im Vergleich zu 6% in der Plazebo-Gruppe [11]. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um einen schlechten Geschmack, der direkt nach der Inhalation auftritt und rasch sistiert. Motorische unerwünschte Wirkungen waren kaum zu verzeichnen.
In der Studie von Lesem et al. (2011) [12] berichteten drei Teilnehmer über Wheezing (Giemen, zwei Teilnehmer der 5-mg-Loxapin-Gruppe, keine Behandlung notwendig) oder Bronchospasmus (ein Teilnehmer der 10-mg-Loxapin-Gruppe, Gabe von Salbutamol). Ein Teilnehmer der 10-mg-Loxapin-Gruppe berichtete über Husten, hier war keine Behandlung notwendig. In der Studie von Kwentus et al. (2012) [11] wurden keine atemwegsbedingten unerwünschten Arzneimittelwirkungen berichtet. In Tabelle 4 sind die unerwünschten Arzneimittelwirkungen in der Übersicht dargestellt.
Natürlich ist die Übertragbarkeit solcher im Rahmen von randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) gewonnenen Daten auf die klinische Realität nur eingeschränkt möglich, unterliegen doch RCT erheblichen Selektionseffekten in Bezug auf die eingeschlossenen Patienten: Das Ausmaß der Agitation lag eher im mittleren Schweregradbereich, schwerst psychomotorisch-unruhige Patienten wurden nicht eingeschlossen. Ein solcher Kritikpunkt trifft aber auf den Großteil der RCT zu und steht in direktem Zusammenhang mit deren Methodik.
Tab. 4. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen in der Studie von Kwentus et al. 2012 [11]
Plazebo (n=105) [n (%)] |
5 mg Loxapin (n=104) [n (%)] |
10 mg Loxapin (n=105) [n (%)] |
|
Patienten mit mindestens einem unerwünschten Ereignis |
23 (22,9) |
36 (34,6) |
30 (28,6) |
Diarrhö |
3 (2,9) |
1 (1,0) |
0 (0) |
Benommenheit |
8 (7,6) |
6 (5,8) |
5 (4,8) |
Dysgeusie |
6 (5,7) |
18 (17,3) |
18 (17,1) |
Müdigkeit |
3 (2,9) |
4 (3,8) |
3 (2,9) |
Kopfschmerzen |
9 (8,6) |
4 (3,8) |
2 (1,9) |
Sedierung |
3 (2,9) |
7 (6,7) |
6 (5,7) |
Magenbeschwerden |
2 (1,9) |
3 (2,9) |
1 (1,0) |
Rachenreizung |
1 (1,0) |
0 (0) |
4 (3,8) |
Bisher steht ein direkter Vergleich zu anderen Akutmedikationen für agitierte Zustände wie Lorazepam oder Olanzapin i.m. noch an, wobei hier doppelblinde Prüfbedingungen kaum erreicht werden können.
Kosten
Eine Anwendung der Substanz als Inhalativum wird rund 100 Euro (Preis laut Roter Liste) kosten. Dieser Preis muss in Relation zu anderen medikamentösen Therapieverfahren bei Agitation/Unruhe gesetzt werden. So liegt der Apothekenabgabepreis laut Lauer-Taxe (der Preis für die Klinikapotheke ist niedriger) für Abilify IM® bei 16,91 Euro für 9,75 mg Aripiprazol und für Ciatyl Z Acuphase® bei 25,85 Euro für 1 ml Injektionslösung mit 50 mg Zuclopenthixolacetat. In der Regel werden in der Akutsituation 3 ml Ciatyl Z Acuphase® verabreicht.
Ältere Alternativen wie Lorazepam und Haloperidol (s.o.) sind deutlich günstiger, aber mit spezifischen Verträglichkeitsnachteilen behaftet.
Fazit
Mithilfe der innovativen und bisher im Bereich psychiatrischer Erkrankungen nicht angewendeten Applikationsform ist es möglich, sehr rasch hohe systemische Loxapin-Plasmaspiegel zu erreichen. Dies führt zu einem deutlichen klinischen Effekt bei agitierten Patienten im Rahmen einer manischen oder gemischten Episode oder im Rahmen einer Schizophrenie. Die Schnelligkeit des Wirkeintritts erinnert an i.v. Applikationen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Anwendung in der klinischen Praxis gestalten wird.
Interessenskonflikterklärung
Beratungen: Für folgende Firmen war H-PV als Berater in den letzten zwei Jahren tätig: Lundbeck GmbH, AstraZeneca GmbH, Pfizer Pharma GmbH, Otsuka Pharma GmbH, Lichtwer Pharma GmbH (MCM Klosterfrau GmbH & Co. KG), Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG, Steigerwald Arzneimittelwerk GmbH, Lilly Deutschland GmbH, Janssen-Cilag GmbH, Neuraxpharm GmbH
Vorträge: Von folgenden Firmen hat H-PV Zuwendungen in den letzten zwei Jahren für Vorträge erhalten: Lundbeck GmbH, AstraZeneca GmbH, Pfizer Pharma GmbH, Otsuka GmbH, Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG, Steigerwald Arzneimittelwerk GmbH, Lilly Deutschland GmbH, Janssen-Cilag GmbH, Bristol-Myers Squibb & Co. KG. aA, Servier Deutschland GmbH, Otsuka Pharma GmbH, Spitzner Arzneimittelwerke GmbH, Trommsdorff GmbH & Co. KG, Neuraxpharm GmbH
Literatur
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Prof. Dr. med. Hans-Peter Volz, Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin Schloss Werneck, Balthasar-Neumann-Platz 1, 97440 Werneck, E-Mail: hans-peter.volz@kh-schloss-werneck.de
Loxapine as inhalative application for the treatment of agitation – overview about pharmacologic data with examples for the therapeutic use
Loxapine is a high-potent antipsychotic, which possesses beside its pronounced D2-antagonistic activity also 5-HT2A-antagonistic properties. A new application mode which uses an aerosol is now available. It is a breath-actuated vaporization technology resulting in an aerosol that is delivered efficiently to the lungs and there rapidly absorbed. It is indicated for the treatment of agitation in schizophrenic and bipolar patients. The paper summarizes the most important properties of this innovative drug application device, sums up the pharmacokinetic data and the most important clinical studies to give a comprehensive survey. With this application mode an innovative approach to treat agitation is possible.
Key words: Loxapine, inhalative powder, agitation, schizophrenia, bipolar disorder
Psychopharmakotherapie 2014; 21(02)