Makulopapulöses Exanthem als allergische Reaktion auf Quetiapin


Dominik Dabbert, Albrecht Mauer, Bremen, Thomas Fuchs, Göttingen, Renate Grohmann, München, Sermin Toto, Hannover, Eckart Rüther und Detlef Degner, Göttingen

Allergische Exantheme sind im klinischen Alltag kein seltenes Phänomen und werden in der Psychopharmakotherapie unter Lamotrigin und Carbamazepin als häufig beschrieben. Im vorliegenden Fall berichten wir im Rahmen des AMSP-Projekts (Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie e.V.) über ein ausgeprägtes generalisiertes allergisches Exanthem unter einer Monotherapie mit Quetiapin. Der vorliegenden Literatur zufolge sind allergische Hautreaktionen unter Quetiapin sehr selten. Nach Umstellung auf Olanzapin und später Clozapin entwickelte die Patientin keine hautallergischen Reaktionen, obwohl diese Substanzen eine strukturchemische Ähnlichkeit zu Quetiapin besitzen.
Schlüsselwörter: Makulopapulöses Exanthem, Allergie, Quetiapin, unerwünschte Arzneimittelwirkung
Psychopharmakotherapie 2014;21:72–4.

Fallbericht

Wir beschreiben den Fall einer zum Zeitpunkt der unerwünschten Arzneimittelwirkung 69-jährigen Patientin mit einer 2013 neu aufgetretenen psychotischen Episode (ICD 10: F 20.0).

Nachdem sie beim Voraufenthalt unter Haloperidol eine gute Response, jedoch eine Unverträglichkeit im Sinne extrapyramidaler Bewegungsstörungen zeigte, wurde sie ab dem ersten Tag nach der Aufnahme auf Quetiapin (300 mg Seroquel® täglich abends, Originalpräparat) eingestellt. Quetiapin ist ein Dibenzothiazepin und zeigt chemisch Ähnlichkeiten zu Olanzapin und Clozapin (Abb. 1). Es wird zu den Antipsychotika der 2. Generation gezählt. Die Patientin verneinte jegliche allergische Reaktionen in der Vorgeschichte.

Acht Tage nach dem Beginn der Behandlung mit Quetiapin entwickelte sich ein großflächiges Exanthem. Dieses imponierte konfluierend, stammbetont und nicht juckend (Abb. 2).

Abb. 1. Strukturformeln von Quetiapin, Olanzapin und Clozapin

Abb. 2. Patientin mit makulopapulösem, stammbetontem Exanthem

Da es sich um eine Monotherapie handelte und zusätzlich lediglich bedarfsweise Gaben von 10 ml Lactulose-Sirup in den Tagen davor erfolgten, wurde ein Kausalzusammenhang zur Quetiapin-Exposition angenommen und dieses Arzneimittel abgesetzt. Im weiteren Verlauf nahm das Exanthem eher an Ausprägung und Ausdehnung zu. Fünf Tage nach der Erstmanifestation erfolgte daher eine dermatologische Vorstellung, bei der ein „makulopapulöses, stammbetontes Exanthem, am ehesten als Arzneimittelexanthem einzuordnen“ diagnostiziert wurde. Es wurde Ecural®-Salbe (Mometasonfuroat) verordnet. Auch der Dermatologe nahm einen Kausalbezug zum Quetiapin an.

In den nächsten Tagen kam es zu einer langsamen Remission. Zu keinem Zeitpunkt entwickelte die Patientin erhöhte Temperaturen oder berichtete von Juckreiz. Symptomatisch erfolgte ab dem Tag des Auftretens des Exanthems eine Gabe von Dimetindenmaleat (Fenistil®) von zunächst 8 mg, nach zwei Tagen dann 4 mg täglich. Im weiteren Verlauf beobachteten wir ein langsames Abblassen des Exanthems.

Zum Entlassungszeitpunkt (fünf Wochen nach Aufnahme) war die Patientin seitens des Exanthems nahezu symptomfrei, lediglich eine leichte Rötung war noch zu erkennen. Insgesamt konnte der Verlauf des Exanthems über vier Wochen beobachtet werden. Die antipsychotische Medikation wurde umgestellt auf Olanzapin, welches im weiteren Verlauf über 16 Wochen hinweg gut vertragen wurde. Wegen unzureichender klinischer Wirksamkeit erfolgte jedoch ein Wechsel auf Clozapin.

Diskussion

Der vorliegende Fall wurde im Rahmen des AMSP-Projekts berichtet. Dieses multizentrische Programm zur Arzneimittelsicherheit erfasst unerwünschte Arzneimittelwirkungen in der Psychiatrie [2]. Bisher wurden einige Arbeiten dieses Projekts zu Hauterscheinungen vorgelegt [5], die auch Aufschluss über die Projektmethodik geben. Dabei ist unter Quetiapin wie unter anderen neueren Antipsychotika kein höheres Risiko von Hautreaktionen als unter den älteren Substanzen beschrieben worden. Die dort beschriebene CADR(cutaneous adverse drug reaction)-Rate von Ziprasidon, welches eher selten verordnet wird, ist bei der geringen Fallzahl und dem daraus resultierenden breiten Konfidenzintervall wenig aussagekräftig (Abb. 3).

Abb. 3. Inzidenzraten unerwünschter Arzneimittelwirkungen der Haut unter Gabe atypischer Antipsychotika; CADR: cutaneous adverse drug reaction [mod. nach 5]

Als häufigstes Krankheitsbild wird in 80% der durch Psychopharmaka ausgelösten Hautreaktionen ein makulopapulöses Exanthem erwähnt, in der Hälfte der Fälle mit Pruritus. Hierbei handelt es sich im Allgemeinen um eine Spättypallergie, das heißt eine zellvermittelte Reaktion [7]. In 65,1% der durch Psychopharmaka ausgelösten Fälle war der Körperstamm betroffen [5]. In der Fachinformation von Seroquel® [3] wird über „gelegentliche Hypersensitivität inklusive allergischer Hautreaktionen“ mit einer Häufigkeit zwischen 1:100 und 1:1000 berichtet. Die EuroScar-Studie [7], die im Rahmen einer multinationalen Fall-Kontroll-Studie zwischen 1997 und 2001 das Risiko verschiedener Pharmaka, Hautreaktionen auszulösen, untersuchte, erwähnte keine der Antipsychotika der 2. Generation bei den statistisch auffälligen Substanzen. Es sind Einzelfälle publiziert worden. So berichteten Lasic et al. 2013 [6] über eine 53-jährige Patientin mit einem papulösen Exanthem nach Quetiapin-Gabe, welches eine Woche nach Beginn der Exposition auftrat. Kansal und Sharma beschrieben einen weiteren Fall mit akneiformen Hautveränderungen unter Quetiapin-Therapie [4]. Sidoroff et al. [8] identifizierten 2001 zwei verschiedene Gruppen von akuten generalisierten Exanthemen, eine Gruppe mit einem schnellen Beginn bis zu drei Tagen nach Beginn der Exposition und eine zweite Gruppe mit einer Latenz bis zu drei Wochen bis zum Auftreten der Symptomatik. Die erste Gruppe der Exantheme beschrieben die Autoren insbesondere bei Antibiotika, der verspätete Eintritt wurde eher bei anderen Substanzen beobachtet [8].

Bei der hier beschriebenen Patientin ist eine ähnliche Reaktion nie zuvor aufgetreten; es gab nach klinischer Einschätzung sowohl der behandelnden Psychiater als auch des dermatologischen Konsiliarius keine plausible alternative Erklärung für das Exanthem.

Der vorliegende Fall zeigt eindrücklich, dass nach einigen Tagen der Behandlung auch unter Antipsychotika der 2. Generation allergische Reaktionen auftreten können, wobei eine Kreuzallergie nicht zu beobachten sein muss.

Quetiapin darf dieser Patientin zukünftig nicht mehr verordnet werden, um schwere, lebensbedrohliche allergische Reaktionen wie Anaphylaxie bzw. toxische epidermale Nekrolyse (sogenanntes Lyell-Syndrom) zu vermeiden.

Aus klinischen Überlegungen wurde eine Weiterbehandlung mit anderen Dibenzothiazepin-Derivaten wie Olanzapin und Clozapin unter enger Beobachtung in Kenntnis des Risikos für allergische Reaktionen erforderlich. Die Patientin tolerierte im weiteren Verlauf Olanzapin über 16 Wochen. Interessant ist, dass auch Fälle von allergischen Exanthemen nach Einnahme von Olanzapin beschrieben wurden [1] und eine chemische Ähnlichkeit besteht. Wegen mangelnden klinischen Effekts wurde inzwischen eine Clozapin-Gabe eingeleitet. Auch diese ist bis dato über acht Wochen gut vertragen worden und führte zu einer Response.

Bender et al. [1] fanden für Antipsychotika der 2. Generation im Vergleich zu den Antipsychotika der 1. Generation eine leicht erhöhte Wahrscheinlichkeit des Auftretens allergischer Hautreaktionen. Insbesondere unter Olanzapin beschrieben sie ein höheres Risiko dermatologischer Effekte, die in vier von zwölf Fällen das klinische Bild eines allergischen Exanthems boten.

Die strukturierte Erfassung auch seltener unerwünschter Arzneimittelwirkungen, wie sie im AMSP-Projekt erfolgt, spielt eine wichtige Rolle als Signalgeber. Insbesondere seltene Effekte, die in den von der Fallzahl her begrenzten Zulassungsstudien nicht beobachtet werden, können so erfasst und gegebenenfalls näher untersucht werden. In den Daten des AMSP-Projekts finden sich seit 1993 aktuell (Stand 1/2014) nur drei Fälle mit allergischem Exanthem unter Clozapin, während unter Olanzapin 16 und unter Quetiapin 13 Fälle erfasst wurden, bei denen nach AMSP-Kriterien ein „wahrscheinlicher“ oder „sicherer“ Zusammenhang gesehen wurde. Dabei wurden Quetiapin und Olanzapin jeweils bei etwa 13%, Clozapin bei rund 10% der überwachten Patienten eingesetzt.

Widmung

Herrn Prof. Dr. Dr. Johannes Ring, Klinik für Dermatologie und Allergologie der TU München, zum 7. Februar 2014 gewidmet.

Literatur

1. Bender S, Grohmann R, Engel R, Degner D, et al. Severe adverse drug reactions in psychiatric inpatients treated with neuroleptics. Pharmacopsychiatry 2004;37:46–53.

2. Degner D, Grohmann R, Kropp S, Rüther E, et al. Severe adverse drug reactions of antidepressants: Results of the German Multicenter Drug Surveillance Program AMSP. Pharmacopsychiatry 2004;37:39–45.

3. Fachinformation Seroquel®, Astra-Zeneca, Stand August 2013.

4. Kansal NK, Sharma M. Acneiform eruption and pruritus in a patient with quetiapine therapy. Skinmed 2013;11:317–8.

5. Lange-Asschenfeldt C, Grohmann R, Lange-Asschenfeldt B, Engel R, et al. Cutaneous adverse reactions to psychotropic drugs: Data from a multicenter surveillance program. J Clin Psychiatry 2009;70:1258–65.

6. Lasic D, Ivanisevic R, Uglesic B, Cvitanivic M, et al. Acute generalized exanthematous pustulosis as a side effect of quetiapine. Psychiatria Danubina 2013;25:84–5.

7. Mockenhaupt M, Viboud C, Dunant A, Naldi L, et al. Stevens-Johnsons syndrome and toxic epidermal necrolysis: Assessment of medication risks with emphasis on recently marketed drugs. The EuroSCAR-Study. J Invest Dermatol 2008;128:35–44.

8. Sidoroff A, Halevy S, Bavnick J, Vaillant L, et al. Acute generalized exanthematous pustulosis (AGEP) – A clinical reaction pattern. J Cutan Pathol 2001;28:113–9.


Dr. med. Dominik Dabbert, Klinikum Bremen-Ost, Züricher Str. 40, 28325 Bremen, E-Mail: dominik.dabbert@klinikum-bremen-ost.de

Albrecht Mauer, Klinikum Bremen Ost gGmbH, Psychiatrische Behandlungszentren Mitte/West, Bremen

Prof. Dr. Thomas Fuchs, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität Göttingen

Dr. Renate Grohmann, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU München

Dr. med. Sermin Toto, Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, Zentrum für seelische Gesundheit, Medizinische Hochschule Hannover

Prof. Dr. Eckart Rüther, Priv.-Doz. Dr. med. Detlef Degner, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität Göttingen

Case-report: allergic exanthema following quetiapine therapy

The case of a 69-year old woman with an acute psychosis who developed a generalized allergic maculopapular exanthema following seven days of quetiapine monotherapy is reported. There was no positive history for allergic reactions. She developed no fever and the exanthema resolved. In the following months, she tolerated olanzapine and clozapine well. This is an interesting outcome because of the similar chemistry of these substances.

Key words: Allergic reaction, quetiapine, adverse reaction, allergic exanthema

Psychopharmakotherapie 2014; 21(02)