Medikamentenadhärenz bei psychotischen Patienten

Finanzielle Anreize verbessern die Compliance


Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Ambulant betreute Patienten mit psychotischen Erkrankungen, die eine schlechte Adhärenz bezüglich der regelmäßigen Injektion von langwirksamen Antipsychotika haben, können durch finanzielle Anreize zu einer besseren Compliance motiviert werden. Dies zeigt eine randomisierte kontrollierte Studie. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe verbessert sich die Lebensqualität der Patienten in der Incentive-Gruppe; ein statistisch signifikanter Unterschied bei den klinischen Symptomen zeigte sich aber nicht.

Die schlechte Medikamentenadhärenz ist eines der größten Probleme in der antipsychotischen Behandlung. Zwischen 25% und 80% der Patienten nehmen ihre Medikamente zu irgendeinem Zeitpunkt der Behandlung nicht wie geplant ein. Interventionen wie Compliance-Schulungen, telefonische Erinnerungen und Psychoedukation bringen insgesamt allenfalls mäßige Verbesserungen.

Eine weitere Möglichkeit, die Adhärenz zu verbessern, bietet die finanzielle Belohnung für die Teilnahme an einer Interventionsmaßnahme. Systematische Reviews zeigen einen positiven Effekt von finanziellen Incentives bei einer ganzen Reihe von Behandlungen, beispielsweise in der Raucherbehandlung. Für die Verbesserung der Medikamentenadhärenz durch Geldzuwendungen bei Patienten mit psychotischen Erkrankungen liegen allerdings bisher nur kleinere Beobachtungsstudien vor. Deshalb sollte eine solche – nicht ganz unumstrittene – Intervention in einer randomisierten kontrollierten Studie bei Patienten mit Psychosen und schlechter Adhärenz untersucht werden.

Studiendesign

In die randomisierte kontrollierte Clusterstudie waren 73 psychiatrische Teams für die ambulante Versorgung von Patienten innerhalb eines jeweils fest umschriebenen Versorgungsgebiets in Großbritannien einbezogen. Beobachtet wurden insgesamt 141 Patienten mit Schizophrenie, schizoaffektiven und bipolaren Erkrankungen, die in diesen Sekundäreinrichtungen behandelt wurden und die weniger als 75% der verordneten langwirksamen antipsychotischen (Depot-)Injektionen erhalten hatten. Alle Patienten hatten einer Studienteilnahme zugestimmt.

Die Versorgungsteams wurden im Verhältnis von 1:1 dem Interventions- bzw. dem Kontrollarm zugeordnet. Im Interventionsarm erhielten die Patienten nach jeder erhaltenen Depotinjektion 15 Pfund bar auf die Hand, im Kontrollarm wurde wie gewohnt behandelt. 15 Pfund ist ein Betrag, den die Patienten annehmen dürfen, ohne dadurch möglicherweise ihre Unterstützung zu gefährden. Primäre Zielvariable war der Prozentsatz an verordneten Injektionen, die während der zwölf Studienmonate auch tatsächlich appliziert wurden.

Ergebnisse

Auswertbar hinsichtlich der primären Zielvariablen waren 35 Interventionsteams mit 75 Patienten (96% der randomisierten Teams) und 31 Kontrollteams mit 56 Patienten (89% der randomisierten Teams). Die durchschnittliche Baseline-Adhärenz lag in der Interventionsgruppe bei 69% und in der Kontrollgruppe bei 67%. Während der zwölf Studienmonate stieg die Injektionsadhärenz in der Incentive-Gruppe auf 85% und in der Kontrollgruppe auf 71%. Die adjustierte Effektschätzung betrug 11,5 Prozentpunkte (95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 3,9–19,0; p=0,003). Das sekundäre Studienziel, eine Adhärenz von über 95%, erreichten 28% der Patienten in der Interventionsgruppe und 5% in der Kontrollgruppe (adjustiertes Odds-Ratio 8,21; 95%-KI 2,00–33,67; p=0,003).

Der Unterschied bei der klinischen Verbesserung zwischen den beiden Gruppen war nicht statistisch signifikant. Patienten der Interventionsgruppe schätzen allerdings ihre Lebensqualität positiver als die Kontrollpatienten ein (beta=0,71; 95%-KI 0,26–1,15; p=0,002). Die Zahl der Klinikeinweisungen und die Rate an unerwünschten Effekten waren in beiden Gruppen niedrig, auffällige Unterschiede wurden nicht gesehen.

Diskussion

Bietet man Patienten mit psychotischen Erkrankungen und schlechter Medikamentenadhärenz einen finanziellen Anreiz für die Medikamenteneinnahme, erhöht sich die Compliance im Vergleich zu einer Kontrollgruppe deutlich. Diese Ergebnisse decken sich mit Beobachtungen aus kleineren Untersuchungen. Allerdings korreliert der Unterschied in der Adhärenz nur mäßig mit klinischen Befunden: Der Unterschied bei der Symptomatik war zwischen beiden Gruppen statistisch nicht signifikant, nur tendenziell führte eine bessere Compliance auch zu einer Verbesserung der Psychosesymptome. Patienten in der Incentive-Gruppe empfanden allerdings ihre Lebensqualität als deutlich besser im Vergleich zu den Patienten der Kontrollgruppe. Die Gründe dafür sind nicht ganz klar. Eine regelmäßige Behandlung ermöglicht es den Patienten vielleicht, ihr Leben besser zu organisieren und Probleme angemessener zu lösen. Auch die zusätzlichen Einnahmen von 17 bis zu über 60 Euro bei den meist auf staatliche Unterstützung angewiesenen Patienten könnte zu der Verbesserung der Lebensqualität beigetragen haben. Studien zur Motivationslage der Patienten müssten diese Vermutungen differenziert untersuchen.

Quelle

Priebe S, et al. Effectiveness of financial incentives to improve adherence to maintenance treatment with antipsychotics: cluster randomised controlled trial. BMJ 2013;347:f5847, e-pub 7. Oktober 2013.

Psychopharmakotherapie 2014; 21(02)