Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Die Alzheimer-Erkrankung ist mit Abstand die häufigste Demenz und nimmt mit dem Alter rapide zu. In den Gehirnen von Patienten mit Alzheimer-Erkrankung gibt es Ablagerungen von Amyloid-beta (Aβ 40 und Aβ 42), die sogenannten Amyloid-Plaques. Diese Plaques entstehen durch einen fehlgesteuerten Abbau des Amyloid-Precursor-Proteins (APP) durch Beta- und Gamma-Sekretasen (Abb. 1). Daher wurde angenommen, dass Substanzen, die entweder die Beta- oder die Gamma-Sekretase hemmen, das Fortschreiten der Alzheimer-Erkrankung verhindern könnten. Die von der Firma Eli Lilly entwickelte Substanz Semagacestat ist ein Hemmer der Gamma-Sekretase. In Phase-II-Studien zeigte sich ein Rückgang der Plasmaspiegel von Aβ 40 unter Therapie, während die Liquorspiegel von Aβ 40 nicht beeinflusst wurden.
Abb. 1. Sequenzielle Spaltung des Amyloid-Precursor-Proteins durch Beta- und Gamma-Sekretasen führt zu Plaquebildung [mod. nach 1]
Studiendesign
Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine Phase-III-Studie, die doppelblind und Plazebo-kontrolliert durchgeführt wurde. In die Studie wurden 1537 Patienten mit möglicher Alzheimer-Erkrankung in drei Gruppen randomisiert:
- Semagacestat 100 mg/Tag
- Semagacestat 140 mg/Tag
- Plazebo
Die Studie erstreckte sich über 76 Wochen. Endpunkte waren die ADAS-cog (Alzheimer’s disease assessment scale for cognition) und die ADCS-ADL-Skala (Alzheimer’s disease cooperative study – activities of daily living).
Studienergebnisse
Die Studie wurde vor dem geplanten Studienabschluss durch das Data Safety Monitoring Board abgebrochen. Zu diesem Zeitpunkt erhielten 189 Patienten Plazebo, 153 die niedrige und 121 die hohe Dosis von Semagacestat. In allen drei Behandlungsgruppen kam es zu einer Verschlechterung der kognitiven Leistungen. In der Verum-Gruppe verschlechterten sich die funktionellen Fähigkeiten in den aktiven Behandlungsgruppen mehr als unter Plazebo. In der Verum-Gruppe kam es zu signifikant mehr unerwünschten Ereignissen wie Infektionen oder Gewichtsverlust und außerdem zu einem Rückgang der Lymphozyten und T-Zellen, der Immunglobuline, Albumin, Protein sowie zu einer Erhöhung von Eosinophilen und Cholesterol.
Kommentar
Das Ergebnis der hier durchgeführten Studie ist frustrierend und ernüchternd. Die Behandlung mit dem Gamma-Sekretase-Hemmer hatte nicht nur nicht die erwünschte Wirkung, sondern führte sogar zu einer Vielzahl von (z.T. sogar signifikanten) Verschlechterungen primärer und sekundärer Endpunkte. Darüber hinaus gab es eine Vielzahl von Laborveränderungen, die darauf hinweisen, dass die Gamma-Sekretase offenbar wichtige andere Funktionen jenseits des Metabolismus des APP-Proteins hat. In der Studie zeigte sich zwar eine Abnahme der Plasmaspiegel von Aβ 40 und Aβ 42, allerdings keine Abnahme des Aβ-Proteins im Liquor. Das negative Ergebnis hat nicht nur Auswirkungen für die von der Firma Eli Lilly entwickelte Substanz. Alle anderen Studien, die geplant oder derzeit mit diesem Therapiekonzept durchgeführt werden, müssen jetzt kritisch überprüft werden.
Quelle
Doody RS, et al.; Alzheimer’s Disease Cooperative Study Steering Committee; Siemers E, Sethuraman G, Mohs R; Semagacestat Study Group. A phase 3 trial of semagacestat for treatment of Alzheimer’s disease. N Engl J Med 2013;369:341–50.
Literatur
1. Zhang C. Natural compounds that modulate BACE1-processing of amyloid-beta precursor protein in Alzheimer‘s disease. Discov Med 2012 Sep;14(76):189-97.
Psychopharmakotherapie 2014; 21(01)