Kasuistik: Schluckauf als Nebenwirkung von Aripiprazol


Ursula Köberle, Thomas Stammschulte und Tom Bschor, Berlin

Singultus ist eine nicht ungewöhnliche unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) von verschiedenen Medikamenten. Im Rahmen des AMSP-Projekts fiel der Fall eines 30-jährigen Patienten mit einer Cannabis-induzierten Psychose auf. Der Mann entwickelte parallel zur Einnahme von Aripiprazol einen hartnäckigen Schluckauf, der nach Absetzen der Medikation verschwand. Im deutschen Spontanerfassungssystem finden sich insgesamt sechs Fälle von Schluckauf unter Aripiprazol. Pathophysiologisch könnten dopaminerge Mechanismen eine Rolle spielen.
Schlüsselwörter: Schluckauf, Aripiprazol, Nebenwirkung, AMSP
Psychopharmakotherapie 2014;21:21–2.

Aripiprazol ist in Deutschland seit 2004 auf dem Markt und besitzt inzwischen eine Zulassung zur Behandlung der Schizophrenie und von manischen Episoden sowie mit Einschränkungen zur Prophylaxe neuer manischer Episoden bei bipolarer Erkrankung [8]. Aripiprazol scheint sich in seinem Nebenwirkungsprofil teilweise von anderen Antipsychotika zu unterscheiden. So werden weniger extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen beobachtet als unter sogenannten typischen Antipsychotika [3]. Auch weist es im Vergleich zu Olanzapin ein geringeres Risiko für Gewichtszunahme und metabolisches Syndrom auf [3].

Im Rahmen des AMSP-Projekts (Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie e.V.) [1] ergab sich der Hinweis auf eine ungewöhnliche Nebenwirkung von Aripiprazol bei einem 30-jährigen Mann mit einer Cannabis-induzierten Psychose. Am Aufnahmetag wurde eine Behandlung mit Lorazepam 1 mg/Tag begonnen, das innerhalb einer Woche reduziert und abgesetzt wurde. Ab dem Folgetag nach der Aufnahme erhielt der Patient zusätzlich Aripiprazol 15 mg/Tag. Wiederum einen Tag später berichtete der Patient in der Visite über eine Neigung zu Schluckauf (Singultus) seit dem Vortag. Auch im Pflegebericht wird ab diesem Zeitpunkt mehrfach und von unterschiedlichen Pflegekräften über „häufigen Schluckauf“, „lang anhaltenden Schluckauf“, „erneuten Schluckauf“ berichtet. Nach drei Tagen wurde kein Schluckauf mehr beobachtet. Dabei gab der Patient wenige Tage später an, bereits seit Tagen (rückblickend seit dem Sistieren des Schluckaufs) kein Aripiprazol mehr genommen zu haben.

Wegen des zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Einnahme (und wohl auch dem Absetzen) von Aripiprazol und dem Auftreten des Schluckaufs wurden die beschriebenen Symptome nach der AMSP-Systematik zur Kausalitätsbewertung [4] mit einem Wahrscheinlichkeitsgrad von wahrscheinlich als Nebenwirkung von Aripiprazol eingestuft. Eine Verursachung durch Lorazepam wurde ebenfalls als möglich bewertet, da auch hier ein zeitlicher Zusammenhang gegeben war und in der Literatur Benzodiazepine als möglicherweise Schluckauf verursachend beschrieben werden [2, 5, 6].

Es sind einzelne Fälle von Singultus unter Aripiprazol [9, 11] und anderen Antipsychotika [6, 10] publiziert worden. Allerdings handelt es sich hierbei teilweise um zerebral vorgeschädigte Patienten [9–11]. In der AMSP-Datenbank findet sich ein weiterer, bislang nicht publizierter Fall von Schluckauf unter Aripiprazol. In diesem Fall gab es keine Risikofaktoren und keine relevante Komedikation.

Der Pathomechanismus des Schluckaufs ist nicht voll verstanden. Auf Neurotransmitterebene scheinen unter anderem Dopamin und Gammaaminobuttersäure (GABA) eine Rolle zu spielen [2]. Dies könnte erklären, warum Dopaminagonisten und Benzodiazepine immer wieder als Schluckauf verursachend beschrieben werden [2]. Andererseits werden antidopaminerge Substanzen (Chlorpromazin: Zulassung der U.S. Food and Drug Administration) und Benzodiazepine zur Behandlung anhaltenden Schluckaufs eingesetzt [2]. Allerdings konnte ein aktuelles Cochrane-Review, das sich mit der Behandlung von anhaltendem Schluckauf beschäftigte, für die Wirksamkeit keiner Behandlungsmethode (einschließlich pharmakologischer) eine ausreichende Evidenz finden [7].

Im deutschen Spontanmeldesystem zur Erfassung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (gemeinsame Datenbank des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM, und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, AkdÄ) sind etwa 130 Fälle von Schluckauf als möglicher Nebenwirkung einer medikamentösen Behandlung dokumentiert (Stand: November 2013). Am häufigsten (jeweils mindestens in fünf Fällen) wurden folgende Arzneimittel (mit-)angeschuldigt: Clozapin, Phenobarbital, platinhaltige Zytostatika, Aripiprazol, Lacosamid, Dexamethason, Fluoruracil, Carbidopa, Levodopa, Felbamat und Propofol. Für Aripiprazol wurden insgesamt rund 1400 Verdachtsfälle von UAW gemeldet. Unter den am häufigsten gemeldeten Reaktionen finden sich Suizidversuch (einschließlich absichtlicher Überdosierung), Psychose, Unruhe und Somnolenz sowie Akathisie, Parkinsonismus, extrapyramidale Erkrankungen und Dyskinesien. Bei sechs Schluckauf-Fällen wurde Aripiprazol (mit-)angeschuldigt.

Insgesamt scheint die Auslösung von Schluckauf eine zwar seltene, aber mögliche Nebenwirkung von Aripiprazol zu sein, die in der Produktinformation bislang nicht aufgeführt wird [8]. Pathophysiologisch könnten dopaminerge Mechanismen eine Rolle spielen. Entsprechende Verdachtsfälle sollten an die AkdÄ berichtet werden [www.akdae.de].

Interessenkonflikte

UK und TS haben keine finanziellen Interessenkonflikte.

TB hat Vortragshonorare von Bayer, Lilly und Servier sowie Kongressreisekostenerstattung von Lundbeck erhalten.

Literatur

1. Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie e.V. www.amsp.de (Zugriff am 26.11.2013).

2. Becker DE. Nausea, vomiting, and hiccups: a review of mechanisms and treatment. Anesth Prog 2010;57:150–6.

3. Croxtall JD. Aripiprazole: a review of its use in the management of schizophrenia in adults. CNS Drugs 2012;26:155–83.

4. Grohmann R, Engel RR, Rüther E, Hippius H. The AMSP drug safety program: methods and global results. Pharmacopsychiatry 2004;37(Suppl 1):4–11.

5. Martínez Rey C, Villamil Cajoto I. Hiccup: review of 24 cases. Rev Med Chil 2007;135:1132–8.

6. Miyaoka H, Kamijima K. Perphenazine-induced hiccups. Pharmacopsychiatry 1999;32:81.

7. Moretto EN, Wee B, Wiffen PJ, Murchison AG. Interventions for treating persistent and intractable hiccups in adults. Cochrane Database Syst Rev 2013;Issue 1:CD008768. Doi: 10.1002/14651858.CD008768.pub2.

8. Otsuka 2013. Fachinformation Abilify® Tabletten.

9. Ray P, Zia UI, Hag M, Nizamie SH. Aripiprazole-induced hiccups: a case report. Gen Hosp Psychiatry 2009;31:382–4.

10. Solla P, Congia S, Secchi L, Perra E, et al. Clozapine-induced persistent hiccup in a patient with Alzheimer’s disease. Clin Neurol Neurosurg 2006;108:615–6.

11. Yeh YW. Persistent hiccups associated with switching from risperidone to aripiprazole in a schizophrenic patient with cerebral palsy. Clin Neuropharmacol 2011;34:135–6.


Dr. med. Ursula Köberle, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie e.V., Herbert-Lewin-Platz 1, 10623 Berlin, E-Mail: ursula.koeberle@akdae.de

Dr. med. Thomas Stammschulte, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Herbert-Lewin-Platz 1, 10623 Berlin

Prof. Dr. med. Tom Bschor, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Herbert-Lewin-Platz 1, 10623 Berlin und Abteilung Psychiatrie, Schlosspark-Klinik Berlin, Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité, Heubnerweg 2, 14059 Berlin

Case report: hiccups – a side effect of aripiprazole

Hiccup is a well-known but rare side effect of various drugs. Within the AMSP project, an ongoing European system for the assessment of side effects of psychotropic drugs in psychiatric inpatients, a case of hiccup in a 30-year-old patient under aripiprazole treatment was observed. Discontinuation of aripiprazole resulted in disappearance of this symptom. In the German databank of spontaneously reported adverse drug reactions six cases of hiccup possibly due to aripiprazole are listed. Dopaminergic mechanisms may play a role in the induction of drug-induced hiccups.

Key words: Hiccup, aripiprazole, adverse druc reaction


Psychopharmakotherapie 2014; 21(01)